Bundesbank: Nachfolge von Axel Weber:Weidmann - ein Mann für alle Fälle

Opel, Euro, Mindestlohn: Jens Weidmann scheut das Rampenlicht, aber zieht im Hintergrund für die Kanzlerin die Fäden. Nun soll er neuer Präsident der Bundesbank werden. Doch was ist das für ein Mann?

Claus Hulverscheidt

Immer wenn die Scheinwerfer der Fernsehkameras angehen, gerät Jens Weidmann in Bewegung. Er schaut sich dann rasch um und macht ein paar Schritte - zur Seite, denn die im Berliner Politikbetrieb so verbreitete beinahe libidinöse Beziehung der allermeisten A-, B- und C-Prominenten zum Arbeitsgerät der TV-Schaffenden ist ihm fremd.

Bundesbank-Kandidat Jens Weidmann

Bisher gestaltete er im Hintergrund die Wirtschaftspolitik von Kanzlerin Merkel - bald wird Jens Weidmann voraussichtlich Chef der Bundesbank.

(Foto: dpa)

Vermutlich ist Weidmann wie die übrigen 80 Millionen Bundesbürger auch nicht gänzlich frei von Eitelkeit. Zu denen aber, die viel sagen, ohne viel zu sagen zu haben, gehört er ausdrücklich nicht. Meist überlässt der oberste Wirtschaftsberater der Bundeskanzlerin anderen die große Bühne und begnügt sich freundlich lächelnd mit einem Platz im Hintergrund.

Dabei ist das, was da vor den Kameras verkündet wird, meist unter seiner Federführung entstanden. Ob Post-Mindestlohn, Erbschaftsteuer oder Sparprogramm, Opel-Rettung, Karstadt-Sanierung oder EADS-Umbau, Programme gegen die Finanzkrise, die Wirtschaftskrise oder die Euro-Krise: Immer war es der mittlerweile 42-Jährige, der für die Bundesregierung am Tisch saß und verhandelte - in Berlin ebenso wie in Frankfurt und Brüssel, in Washington und Paris.

Weil ihm das Kamera-Gen schlicht fehlt, kann er bis heute unerkannt durch all diese Metropolen flanieren. Das allerdings wird sich ändern, denn Merkel will Weidmann nach dem Rückzug von Axel Weber zum neuen Präsidenten der Deutschen Bundesbank machen - zum jüngsten aller Zeiten.

Der Mangel an übertriebener Eitelkeit ist eine der Eigenschaften, die die Kanzlerin an ihrem Berater schätzt. Hinzu kommen seine Fachkenntnis, seine Analysefähigkeit, seine Diskretion und seine Loyalität. Vor allem aber: Weidmann ist kein Ideologe. Er ist ein Liberaler, aber kein Marktfetischist. Er hat Überzeugungen, wähnt sich aber nicht auf einem Kreuzzug. Er kämpft für seine Position und sucht doch den Kompromiss.

Wie groß Merkels Vertrauen ist, zeigt sich daran, dass sie dem Berater gelegentlich sogar ihren Platz überlässt. Als sie vor einiger Zeit eine Handvoll Journalisten zum Hintergrundgespräch ins Kanzleramt geladen hatte, da öffnete sich nach einer knappen Stunde plötzlich die Tür des Kabinettssaals und ein ebenso korrekt gekleideter wie gescheitelter Mann trat ein. "Den Rest kann Ihnen dann ja der Herr Weidmann erläutern", sagte Merkel fröhlich, stand auf, reichte dem Ankömmling mit einem freundlichen Lächeln die Hand und entschwand.

Kanzleramt statt Wohnzimmer

Nach fast fünf Jahren im Zentrum der Macht, nach Dutzenden durchgearbeiteter Nächten und Wochenenden hat Weidmann vor einiger Zeit zu erkennen gegeben, dass er sich irgendwann auch wieder ein Leben außerhalb des Kanzleramts vorstellen könnte.

Merkel ist darüber nicht begeistert gewesen, weiß aber auch, was sie ihrem Zuarbeiter schuldig ist. Schließlich hatte Weidmann 2006 seine Frau und seine beiden Kindern im Frankfurter Umland zurückgelassen, um an offiziell fünf, in Wahrheit aber oft sechs oder sieben Tagen in der Woche in Berlin oder sonstwo auf der Welt für die Kanzlerin zu arbeiten.

Zur Kommunion seiner Tochter kam er einst zu spät, weil er auf einer seiner Reisen mit Merkel von isländischer Vulkanasche aufgehalten wurde. Viele Ehefrauen, das weiß er sehr wohl, hätten längst rebelliert.

Der Schüler ersetzt seinen Lehrer

Eigentlich sollte Weidmann im Mai Nachfolger von Franz-Christoph Zeitler als Bundesbank-Vizechef werden. Er hätte damit wieder an der Seite Webers gestanden, bei dem er einst in Bonn Ökonomie studiert hatte. Stattdessen - Ironie der Geschichte - übernimmt er nun dessen Job. Weber hat am Wochenende schon Wahlkampf für seinen Ex-Schüler gemacht: Dieser sei ein "hervorragender Ökonom" und ein "absoluter Profi".

Kritik an Weidmann findet man selten, sieht man einmal davon ab, dass er in linken Publikationen als "Merkels neoliberales Mastermind" beschimpft wird. Manch anderem wird der 42-Jährige zu jung für das so ehrenwerte wie traditionsbeladene Amt des obersten Währungshüters erscheinen.

Und auch, ob er die nötige Autorität hat, dem in Grüppchen zerfallenen, von Eifersüchteleien geprägten Bundesbankvorstand den alten Corps-Geist zurückzugeben, muss er erst noch beweisen.

Merkel hatte deshalb auch erwogen, Zeitler für eine kurze Übergangszeit zum Präsidenten und Weidmann zunächst zu dessen Stellvertreter zu berufen. Doch daraus wird wohl nichts - Weidmann muss springen.

Für den manchmal fast beängstigend korrekten Mann mit dem Sinn für feinen Humor ist der Wechsel zur Bundesbank eine Rückkehr, denn zwischen 2003 und 2006 arbeitete er als Leiter der Abteilung für Geldpolitik schon einmal für die Behörde.

Nur den großen Fernsehauftritt wird er noch üben müssen, denn der wird für ihn künftig zum Geschäft gehören. Ganz abzulegen braucht er seine bisherige Zurückhaltung allerdings auch nicht: Ein guter Bundesbankpräsident nämlich muss gelegentlich auch einfach an den Kameras vorbei gehen können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: