Bundesbank:Das Symptom Sarrazin

Stets wird die Unabhängigkeit der Bundesbank gelobt, doch in entscheidenden Fragen ist sie eng an die Politik gekettet. Das muss sich ändern.

Helga Einecke

Als Axel Weber Bundesbankpräsident wurde, galt das als Befreiungsschlag. Endlich einer, dem nicht das Parteibuch oder die politische Karriere in dieses Amt half, sondern Kompetenz. Seine Reputation als Geldtheoretiker und Wirtschaftsweiser gab damals den Ausschlag. Seither profiliert er sich als stabilitätspolitischer Falke, der den Euro verteidigt. Er legt sich sogar mit EZB-Präsident Jean-Claude Trichet an, wenn es um den Kauf von Staatsanleihen geht.

Bundesbank

In der Vergangenheit zogen meist Vorstände bei der Bundesbank ein, die etwas von Verwaltung verstanden, aber wenig von Währung, Bankenkontrolle, Finanzmärkten und Geldversorgung. Manch einer konnte sich nicht einmal in flüssigem Englisch verständigen.

(Foto: dpa)

Viele halten ihn für fähig, Trichet zu folgen, auch die Bundeskanzlerin. Vorher aber muss er seinen eigenen Laden in den Griff kriegen, sonst könnte er mit seinen Ambitionen in Europa scheitern. Denn Weber hat sein schweres Problem namens Thilo Sarrazin lange schleifen lassen, vermutlich zu lange. Zugute halten kann man ihm, dass er den Provokateur vom Dienst erst gar nicht wollte und ihn beim ersten Eklat mit Drohungen oder guten Worten nicht loswurde.

Die Währungsbehörde ist nämlich keineswegs so unabhängig, wie es gesetzlich festgeschrieben scheint, sondern in entscheidenden Fragen eng an die Politik gekettet. Sie berät die Regierung, nicht nur in Krisenzeiten. Sie liefert ihren Gewinn beim Finanzminister ab und bezieht ihr Spitzenpersonal aus Bund und Ländern. Dabei ist es egal, ob ihr die Personen passen oder nicht.

Das Image der Institution leidet

In der Vergangenheit zogen meist Vorstände in die Behörde ein, die etwas von Verwaltung verstehen, aber wenig von Währung, Bankenkontrolle, Finanzmärkten und Geldversorgung. Manch einer konnte sich nicht einmal in flüssigem Englisch verständigen. Dem Ansehen der Bundesbank hat das geschadet. Die Währungsbehörde verlor Profil, sie hatte neben ihrem Präsidenten international wenig zu bieten. Jetzt fügt die Causa Sarrazin der Institution Bundesbank weiteren Schaden zu.

Andere Länder sind weiter, bilden ihre Leute umfassend aus, schicken sie ins Ausland, bevor sie an die Spitze der Notenbank rücken. Vielleicht sollte man so weit gehen wie die Bank von England, die Vorstandsstellen international ausschreibt. So lassen sich auch Frauen oder Ausländer für Positionen gewinnen, die gut bezahlt werden. Sarrazin bezieht mehr als 250000 Euro im Jahr.

Neue Regeln für Vorstände

Dafür musste er sogar weniger leisten als andere, weil ihm sein einzig wichtiges Ressort, der Bereich Bargeld, bereits seit dem Herbst entzogen ist, weil er schon damals hässliche Dinge über Migranten gesagt und veröffentlicht hatte. Vielleicht war dieser Entzug ein Fehler und gab dem Mann den Raum, sich noch eifriger in die Materie Einwanderung einzuarbeiten. Aber es wäre auch falsch gewesen, ihn mit wichtigen Bereichen zu betrauen, denn ein Sarrazin wird sich nicht den Mund verbieten lassen.

Offenbar müssen neue Regeln her, wenn sich ein von der Politik berufener Mann überhaupt nicht in der Notenbank einbringen will und kann, sondern sein eigenes Süppchen kocht. Sarrazins Kollegen im Bundesbankvorstand sollte daran gelegen sein, mit Weber an einem Strang zu ziehen. Mit der Hängepartie muss Schluss sein, souveränes Handeln ist jetzt gefragt. Offenbar dauert die Entscheidung über einen gemeinsamen Vorstandsantrag zur Entlassung Sarrazins lange, weil die Angelegenheit arbeitsrechtlich kompliziert ist. Die Bundesbank benötigt bei diesem Vorhaben auch die Unterstützung der Politik, die ihr das Desaster eingebrockt hat. Eine "Lex Sarrazin", also ein neues Gesetz, das neben der Berufungspraxis nur die Abberufung neu regelt, ist nötig, greift aber zu kurz.

Es muss klargestellt werden, dass ein Bundesbankvorstand den Job ausfüllen kann, für den er bezahlt wird. Die Berufung darf kein Freiticket sein, um fünf Jahre lang der Gesellschaft auf beliebige Weise zu dienen und dies als persönliches Anliegen zu verkaufen. Ein bücherschreibender und durch Talkshows tingelnder Vorstand kann nicht einmal seine Mitarbeiter motivieren, die seit einigen Jahren mit Personalabbau und Filialschließung leben müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: