Büromangel:Alle wollen nach Berlin

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Im Bahntower am Potsdamer Platz in Berlin sitzen viele Manager des Konzerns. Auch sie sollen nun auf Gehaltserhöhungen verzichten, fordern Gewerkschafter. (Foto: Soeren Stache/dpa)

In der Hauptstadt wird derzeit heftig über bezahlbares Wohnen und sogar Enteignungen diskutiert. Doch weil Start-ups und Investoren in die Metropole drängen, werden auch Büros knapp.

Von Steffen Uhlmann

Berlin, Berlin, wir wollen nach Berlin - das gilt nicht nur für die Besucher - allein im vergangenen Jahr kamen 13,5 Millionen Touristen in die Hauptstadt. Die Stadt wächst und freut sich über neue Beschäftigungsrekorde. Erstmals gibt es in Berlin zwei Millionen Beschäftigte. Damit waren im vergangenen Jahr etwa 300 000 Menschen mehr in der Stadt tätig als noch 1991 und fast 50 000 mehr als im Jahr zuvor. Berlin hat damit im siebten Jahr in Folge die höchste Wachstumsrate bundesweit. Das hat nicht nur Folgen für den Wohnungsmarkt, wo sogar Enteignungen in der Diskussion sind, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Auch der Markt für Büroimmobilien boomt - und gerät damit zugleich unter Druck.

Colliers International, der Marktführer bei Büroimmobilien hat in Berlin vergangenes Jahr mehr als 115 000 Quadratmeter Büroflächen vermietet und dort für eine Milliarde Euro Immobilien verkauft. "Wir hätten 2018 durchaus noch mehr Geschäft machen können", sagt Ulf Buhlemann, Immobilienberater bei Colliers. "Die Nachfrage ist deutlich höher als das Angebot".

Die Hälfte der professionellen Anleger kommt aus dem Ausland

Damit gibt Buhlemann auch schon eine Antwort auf die Frage, warum Berlins Büromarkt, der landläufig als der heißeste in ganz Deutschland gilt, im vergangenen Jahr beim Transaktionsvolumen "gerade noch so die Sieben-Milliarden-Euro-Marke angekratzt" hat, wie der Colliers-Experte betont. "Das ist eine halbe Milliarde Euro weniger als noch im Jahr zuvor." Und damit auch nur noch Platz zwei im Ranking der sieben deutschen Metropolen - gleich hinter Frankfurt. 2015 und 2017 war das Volumen in Berlin mit mehr als acht beziehungsweise mehr als siebeneinhalb Milliarden Euro deutlich höher. Nur seien in diesen beiden Jahren allein mit dem Verkauf des Quartiers Potsdamer Platz (2015) und des Sony-Centers (2017) jeweils eine Transaktion von weit über einer Milliarde Euro realisiert worden, rechnet Buhlemann vor. "Solche Transaktionsvolumina hatten wir 2018 nicht." Da prägten im Unterschied zum Vorjahr eine Vielzahl von Deals um die 100-Millionen-Euro-Marke das Marktgeschehen. "Wenn wir mehr Sony-Centers in der Stadt hätten", so Buhlemann, "sähe die Entwicklung in Berlin noch ganz anders aus."

Kapital dafür wäre vorhanden. Colliers hat ausgerechnet, dass im Vergleich zum Angebot derzeit mindestens dreimal soviel Kapital auf dem Berliner Markt zur Verfügung steht. Entsprechend ist das Gerangel unter den Investoren, die nach Schätzungen etwa je zur Hälfte aus dem In- und Ausland kommen. Darunter sind nicht wenige Pensionsfonds und immer wieder auch neue Investoren, sagt Buhlemann. "Sie suchen weltweit nach Anlagemöglichkeiten und haben Berlin weiterhin auf ihrem Einkaufszettel." Buhlemann hat dabei viel Bewegung beobachtet, sowohl auf der Käufer- als auch auf der Verkäuferseite. Die einen wollten ihr "gutes Geld" endlich in Berlin anlegen, die anderen zunächst mal dort "Kasse machen", erklärt der Kapitalmarkt-Experte von Colliers.

Und das vor allem mit Büroobjekten, die 60 Prozent des gewerblichen Transaktionsvolumens ausmachen und damit wie schon in den Jahren zuvor die beliebteste Assetklasse vor Einzelhandel und Hotels sind - zu Recht, schließlich arbeiten heute in Berlin 20 Prozent mehr Menschen in Büros als vor fünf Jahren. Nur sind in dieser Zeit höchstens zwei bis drei Prozent mehr Büroflächen fertiggestellt worden. Trotzdem ist gerade für Gründer, Start-ups und junge Dienstleister Berlin das Business-Mekka geblieben. Für den örtlichen Büromarkt und die zuziehenden Unternehmen ist das eher eine Katastrophe, meint Marcus Lehmann, bei Colliers für die Vermietung von Büroflächen zuständig. "Die Mieten steigen, der Leerstand sinkt. "In Verbindung mit einem kaum noch zu befriedigenden Flächenangebot schossen die Mieten in den vergangenen zwölf Monaten regelrecht durch die Decke", sagt Lehmann und hat dafür Zahlen parat, die sich kaum von Erhebungen anderer Marktakteure und -beobachter unterscheiden. Danach gingen die Durchschnittsmieten pro Quadratmeter binnen eines Jahres um mehr als 22 Prozent nach oben, auf mittlerweile 21 bis 22 Euro. "Noch vor fünf Jahren", so Lehmann, habe man durchschnittlich 13 Euro für einen Quadratmeter Bürofläche gezahlt. Der gleiche Höhenflug auch bei den Spitzenmieten, die gegenüber 2017 um knapp 20 Prozent auf 35 bis 36 Euro gestiegen sind. "Man kann jetzt aber auch schon für 60 Euro pro Quadratmeter mieten", weiß Lehmann. "Nach oben fallen mittlerweile fast alle Grenzen."

Zumal der Leerstand dramatisch gesunken ist, auf deutlich unter zwei Prozent, was weniger als 350 000 Quadratmeter freistehender Fläche gleichkommt. Noch vor fünf Jahren war der Flächenleerstand mehr als dreimal so groß. "Von Leerstand kann eigentlich keine Rede mehr sein", sagt Lehmann. "Berlin hat einfach keine Expansionsreserven mehr."

Die Stadt steckt in einer schwierigen Gemengelage. Anhaltende Nachfrage durch Zuzug von Unternehmen und Gründern sowie auf den Markt drängendes Fremdkapital treffen auf fehlende Grundstücke, auf eine Baubranche, die schon lange an ihre Kapazitätsgrenze gestoßen ist und nicht zuletzt auf den Berliner Senat, der eigene Bedürfnisse nach mehr Büro- und Verwaltungsgebäuden im Fokus hat und zugleich Baugenehmigungen eher langsam als zügig bearbeiten lässt. Das hat Berlins Regierenden den Vorwurf eingebracht, investorenfeindlich zu sein . Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) lässt das so nicht gelten. Sie hält es eher für normal, dass es "Nutzungskonflikte um die knapper werdenden Flächen in einer wachsenden Metropole" gibt. "Wenn die Stadt wächst", sagt Pop, "muss auch die Verwaltung wachsen."

Kaum ist ein Projekt in Planung, sind die Flächen schon vermietet

Bis auf Weiteres, heißt es bei Colliers, werde sich an den Berliner Marktbedingungen für Büros wenig ändern. Zwischen 50 000 und 100 000 neue Arbeitsplätze sind für die nächsten fünf Jahre avisiert. Ob diese Zahl nach oben oder unten korrigiert werden muss, vermag derzeit keiner zu sagen. Was die Bürofertigstellung in den nächsten fünf Jahren betrifft, ist man sich bei Colliers dagegen relativ sicher, dass bis 2023 bis zu 2,2 Millionen Quadratmeter Bürofläche dazukommen. Freilich nur, wenn die sich im Bau und in konkreter Planung befindlichen Objekte bis dahin auch wirklich fertiggestellt werden.

Entwarnung für den Berliner Büromarkt will Buhlemann nicht geben. Zwar steigt die Flächenfertigstellung nach Colliers-Prognosen bis 2020 auf knapp 840 000 Quadratmeter an. Doch die Suche nach dem passenden Büro bleibe für viele Zuzügler die Suche nach der "Nadel im größten Heuhaufen der Welt", sinniert Buhlemann. "Zwei Drittel der Flächen sind doch schon jetzt vorvermietet".

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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