Bürger in der Finanzkrise:Gefährliche Panik

Frankfurter Finanzleute erzählen von Investmentbankern, die ihr Geld bei den Sparkassen in Sicherheit bringen. Nach all dem Turbokapitalismus wirkt es wie ein bitterer Scherz, dass es jetzt auf die Vernunft des normalen Bürgers ankommt - darauf, nicht die Bankfiliale zu stürmen.

Alexander Hagelüken

Frankfurter Finanzleute erzählen sich in diesen Tagen von Investmentbankern, die ihr Geld in Sicherheit bringen. Sie zahlen es ausgerechnet bei den Sparkassen ein, die sie sonst immer verlacht haben - in Paketen von einer halben Million Euro. Wenn sogar einige der Turbokapitalisten unruhig werden, die die Krise verschuldet haben, muss man sich um das Finanzsystem ernsthaft sorgen. Und die Deutschen sorgen sich. Wilde Gerüchte über den Kollaps von Banken verursachen Angst. Am Mittwoch stürzten die Börsen zeitweise dramatisch ab.

Bürger in der Finanzkrise: Nun soll der Bürger ruhig bleiben - und sein Geld nicht von den Konten holen.

Nun soll der Bürger ruhig bleiben - und sein Geld nicht von den Konten holen.

(Foto: Foto: AP)

Die Angst führt zur Katastrophe

Es besteht jetzt die Gefahr, dass die Menschen sich von Angst gefangen nehmen lassen - und in ihrer Angst genau die Ereignisse auslösen, vor denen sie sich fürchten. Der globale Geldkreislauf mit all seinen Zahlenkolonnen, die nur auf dem Papier stehen, ist eine fragile Sache. Wenn die Deutschen ihre Konten plündern und die Euros unter die Matratze legen, bricht alles zusammen.

Firmen und Konsumenten bekommen keinen Kredit mehr, bald stoppen die Bänder, Arbeitnehmer werden entlassen. Die Verlierer wären wir alle. Mehr können sich die Deutschen gar nicht schaden. Deshalb braucht es ein Bündnis der Vernunft. Damit das verhindert wird, was Ärzte eine sich selbst verstärkende Angst nennen. Und das, was Angelsachsen eine sich selbst erfüllende Prophezeiung nennen.

Vertrauen ist ein großes Wort

Natürlich werden die Bürger nur vernünftig bleiben, wenn sie ein gewisses Vertrauen ins wirtschaftliche System behalten. Vertrauen ist in diesen Tagen angesichts habgieriger Banker und zockender Investoren ein großes Wort. Doch es gibt gute Gründe anzunehmen, dass nicht alles untergehen wird - und dass es deshalb selbstzerstörerisch falsch wäre, die Bankschalter zu stürmen. Die deutschen Unternehmen sind stark und wettbewerbsfähig. Sie werden den Wohlstand sichern, auch wenn eine Konjunkturschwäche kommt. Und auf die reale Wirtschaft kommt es letztlich viel mehr an als auf die Geldhäuser. Auch in der Finanzbranche selbst gibt es viele solide Privatbanken und Sparkassen, die so leicht kein Börsensturm umwirft. Institute, über die Investoren bisher lachten und über die man nun froh sein kann.

Außerdem sind die Ersparnisse der Deutschen vielfach geschützt. Fonds oder Bundespapiere gehören dem Anleger, nicht der Bank, auf der sie liegen. Selbst wenn eine Bank pleitegeht, versinken sie nicht im Strudel. Die Sparkonten garantiert die Bundesregierung seit Sonntag durch ihr Wort. Es ist keine juristische Garantie, aber ein Versprechen mit hohem Wert: Union und SPD können es nur um den Preis brechen, ihre Glaubwürdigkeit für lange Zeit zu verlieren.

Was nützen sichere Konten, wenn der Staat pleitegeht

Manchen Bürger wird das alles nicht beruhigen, weil er auf Island verweist: Was nützt eine Staatsgarantie für die Konten, wenn womöglich der Staat pleitegeht? Die Insel im hohen Norden mit der Bundesrepublik (oder anderen größeren Ländern) zu vergleichen, wäre aber Alarmismus. Hier hat ein Land seine Banken so aufgebläht, dass sie zehn Mal so groß sind wie die reale Wirtschaftsleistung. Was in dem Staat von der Bevölkerungsgröße Mannheims passiert, ist kein Musterfall für den Rest des Erdballs.

Solche Tatsachen alleine werden allerdings nicht genügen, um den Menschen ihre Angst zu nehmen. Es braucht auch Krisenmanager, die Vertrauen schaffen, indem sie diese Tatsachen glaubwürdig verkünden - und bei Bedarf handeln. Die Zentralbanker in Europa und den USA haben ein Zeichen gesetzt, indem sie am Mittwoch schnell die Zinsen senkten. Sie entspannten damit die Börsen nicht sofort, aber sie zeigten mit der ersten gemeinsamen Aktion seit dem 11. September 2001, dass die Welt mit ihnen rechnen kann. Auch die Bundesregierung hat mit ihrem Kontenversprechen demonstriert, dass sie die Sorgen ernst nimmt. Eine dritte Kaste aber fällt als Krisenmanager völlig aus: die Wirtschaftsführer.

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Gefährliche Panik

Nun ist der vernünftige Bürger gefragt

Deutschlands Manager fordern schnell etwas, ob weniger Steuern oder laxere Gesetze. Nun könnten sie Verantwortung für das Allgemeinwohl beweisen. Der Staat muss viel Geld bereitstellen, um wichtige Banken zu stützen oder die Einlagen der Sparer. Warum gibt es keinen Solidaritätsfonds der deutschen Wirtschaft, um die Last auf mehr Schultern zu verteilen? Darin könnten die Manager einzahlen, was eher symbolische Bedeutung hätte, und auch die Firmen. Doch von solcher Verantwortung gibt es im Moment keine Spur. Stattdessen sehen die Deutschen, wie Hypo Real Estate vom Staat gerettet wird, während sich der Chef ein Ruhegehalt von mehr als 500.000 Euro im Jahr sichert.

Nach all dem Turbokapitalismus wirkt es wie ein bitterer Scherz, dass es jetzt in der Krise auf den normalen Bürger ankommt - darauf, ob er vernünftig genug ist, nicht die Bankfiliale zu stürmen, weil er sich damit selbst schadet. Die Bürger würden damit mehr Verantwortung übernehmen als jene Investmentbanker, die Beschäftigte nur als Kostenfaktor betrachten und nun hektisch ihr Geld abziehen. Wenn die Bürger verantwortungsvoll handeln, was sich jeder nur wünschen kann, sollten sie dafür eine Forderung stellen: Dass die Politiker keinen Kapitalismus mehr zulassen, in dem Rendite die Hauptrolle spielt und Gier das Finanzsystem so verdirbt, dass die Welt an den Abgrund gerät.

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