Buch zur Integration:Bundesbank: Sarrazin schafft sich ab

Sein Buch beschäftigte tagelang die Republik, jetzt zieht Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin die Konsequenzen: Zum Monatsende will er sein Amt freiwillig aufgeben. Arbeitgeber und Arbeitnehmer betonen die "Verantwortung für die Institution Deutsche Bundesbank". Auch der Bundespräsident ist erleichtert.

Harald Freiberger

Der umstrittene Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin wird freiwillig von seinem Amt zurücktreten. Das gab die Bundesbank am Donnerstagabend bekannt. Sarrazin kam damit seiner wahrscheinlichen Entlassung durch Bundespräsident Christian Wulff zuvor. Er hatte mit seinen Thesen über die mangelnde Integrationsfähigkeit von Migranten für massive Entrüstung gesorgt.

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Es hat "keinen Sinn gehabt, sich wie Michael Kohlhaas gegen alle zu stellen" - Thilo Sarrazin tritt ab.

(Foto: Getty Images)

Man werde die Zusammenarbeit im gegenseitigen Einvernehmen zum Monatsende "mit Blick auf die öffentliche Diskussion" beenden, teilte die Bundesbank mit. Den Antrag auf eine vorzeitige Entlassung Sarrazins zog die Bundesbank zurück. "Der Vorstand der Deutschen Bundesbank und das Vorstandsmitglied Dr. Thilo Sarrazin sind sich ihrer Verantwortung für die Institution Deutsche Bundesbank bewusst", hieß es in der Mitteilung. Der Bankvorstand dankte Sarrazin "für die von ihm als Mitglied des Vorstands geleistete Arbeit". Beide Seiten würden sich in dieser Angelegenheit nicht mehr äußern.

Bundespräsident Wulff zufrieden

Wulff äußerte sich noch am Abend positiv über Sarrazins Schritt. "Der Bundespräsident wird dem Antrag von Herrn Sarrazin entsprechen und begrüßt die einvernehmliche Lösung mit der Deutschen Bundesbank", teilte sein Sprecher mit.

Sarrazin hatte in seinem Buch Deutschland schafft sich ab eine Reihe provokanter Thesen aufgestellt. Unter anderem warnte er vor einer Überfremdung Deutschlands durch weniger intelligente Ausländer. In einem Zeitungsinterview sprach er davon, dass alle Juden ein bestimmtes Gen teilten.

Vor allem wegen dieser Äußerung stellte der Bundesbank-Vorstand am Donnerstag vergangener Woche erstmals in seiner Geschichte beim Bundespräsidenten einstimmig einen Antrag auf Abberufung eines seiner Mitglieder.

Der Vorstand argumentierte, Sarrazin habe mit seinen Äußerungen dem Ansehen der Bundesbank geschadet. Juristen bezweifelten allerdings, ob eine Abberufung einer möglichen Klage Sarrazins standhalten würde. So war unklar, ob der Bundespräsident überhaupt für eine Entlassung zuständig ist. Im Bundesbankgesetz ist das nicht geregelt.

Nach Angaben der Linkspartei, die sich auf ein Schreiben des Finanzministeriums bezog, steht Sarrazin bei einer Vertragsauflösung keine Abfindung zu. Linken-Vizeparteivorsitzende Katja Kipping mahnte die Bundesregierung daher, keinerlei finanzielle Entschädigungen für Sarrazin in Betracht zu ziehen: "Alle Verantwortlichen in Regierung und Bundesbank sind in der Pflicht, einen goldenen Handschlag für Sarrazin auszuschließen", sagte sie dem Hamburger Abendblatt.

Das Publikum wusste nichts

Derweil ging die Diskussion um einen Parteiausschluss Sarrazins weiter. In der SPD sprach sich der Vorsitzende der Partei im Südwesten, Nils Schmid, deutlich für einen Ausschluss aus. "Es wäre fatal, wenn die Partei nicht gegen Sarrazins rassistische Thesen vorgehen würde", sagte Schmid der Stuttgarter Zeitung.

Während die Meldung über die Nachrichtenagenturen verbreitet wurde, hielt Sarrazin in Potsdam eine Lesung aus seinem Buch. Das Publikum wusste zu dem Zeitpunkt noch nichts von dem Rücktritt. Später bestätigte Sarrazin die Nachricht. Er sprach von einem "strategischen Rückzug". Es habe "keinen Sinn gehabt, sich wie Michael Kohlhaas gegen alle zu stellen". Der Bundesbank-Vorstand halte "die gegen mich erhobenen Anwürfe, ich hätte mich gegenüber Ausländern diskriminierend geäußert und Ähnliches nicht aufrecht, sondern zieht sie zurück", betonte Sarrazin in Potsdam.

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