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Brandenburg:Finanzbeamte schnüffeln in Steuerdaten ihrer Nachbarn

Mal kurz nachschauen, was die Steuererklärung der Tante macht: In Brandenburg griffen Hunderte Finanzbeamte auf Daten zu, die für sie eigentlich gesperrt sind.

Viele Bürger würden gerne wissen, was der Nachbar verdient und wie viel er an den Staat abdrückt. Aber nur Finanzbeamte haben Zugang zu Steuerdaten. In Brandenburg konnten viele von ihnen der Versuchung nicht widerstehen. In zahlreichen Fällen schnüffelten sie unberechtigt in ihren eigenen Steuerdaten oder denen von Nachbarn und Verwandten. Das ist das Ergebnis einer Überprüfung aller knapp 3300 Beschäftigten in 15 Finanzämtern, die Finanzminister Christian Görke (Linke) im Landtag vorgestellt hat.

Der Untersuchung zufolge informierten sich Beamte in 31 Fällen über die Verhältnisse von Nachbarn oder Bekannten. In diesen Fällen habe es Disziplinarverfahren bis hin zur Abmahnung gegeben, sagte Görke. Auf eigene Steuerdaten oder die von Verwandten hätten insgesamt 727 Mitarbeiter zugegriffen, das sind 22 Prozent aller Überprüften.

Es gibt Finanzminister Görke zufolge keinerlei Erkenntnisse, dass die Daten an Dritte weitergeben wurden. Dennoch sollen die Zugriffsmöglichkeiten nun technisch eingeschränkt werden, so dass die Einsicht außerhalb der eigenen Zuständigkeit nicht mehr möglich ist. Zudem sollen die Beamten intensiv über die Grenzen der Einsichtnahme belehrt werden. Auch der Zugriff auf die eigenen Daten ist verboten, da die Beamten in das von einem Kollegen bearbeitete Verfahren eingreifen könnten.

"In den meisten Fällen ist als Motiv aber reine Neugier zu vermuten", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. "Die Beamten wollten etwa erfahren, wie weit ihre Steuererklärung bearbeitet ist und wann sie mit dem Geld rechnen können."

Anlass für die flächendeckende Kontrolle der brandenburgischen Finanzbeamten waren Vorfälle in anderen Bundesländern, die im Jahr 2011 aufflogen. Daraufhin wurde zunächst das Finanzamt Strausberg überprüft und bei knapp der Hälfte der 230 Beamten mögliche widerrechtliche Datenzugriffe festgestellt. Gegen die Kontrolle sämtlicher Finanzbeamter auch ohne konkrete Verdachtsmomente hatten sich Steuergewerkschaft und Datenschützer von Anfang an gewehrt. Der Vertreter der Landesdatenschutzes, Thomas Reinke, kritisierte nun erneut das Ausmaß der Überprüfung. Aus Sicht seiner Behörde wäre eine Stichprobe von 20 Prozent ausreichend gewesen, sagte Reinke. Abgeordnete der Regierungskoalition entgegnen, das Steuergeheimnis wiege schwerer als das Recht der Beamten auf Datenschutz.

Angaben zu den ausgespähten Bürgern macht das Finanzministerium aus Datenschutzgründen nicht. Auch die Betroffenen hätten keinen Anspruch darauf, darüber informiert zu werden, sagte Görke. Dennoch will er diese Möglichkeit noch einmal überprüfen lassen.

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SZ.de/dpa/jab
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