Bonuszahlungen:Obama legt sich mit der Wall Street an

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Der US-Präsident droht den Finanzkonzernen mit Staatseingriffen - Experten warnen, dass zu harte Sanktionen den Aufschwung abwürgen.

Moritz Koch

Im Streit um die Boni an der Wall Street hat US-Präsident Barack Obama Finanzkonzernen mit Eingriffen in die Unternehmenspolitik gedroht. Mit Blick auf den Versicherer AIG sagte Obama, die Regierung werde "jede legale Möglichkeit ausschöpfen", um die Gehaltsprämien zu stoppen. Seine Berater sorgen sich aber, dass zu harte Sanktionen die Stabilisierung des Finanzsystems gefährden könnten.

US-Präsident Barack Obama: "jede legale Möglichkeit ausschöpfen", um die Gehaltsprämien zu stoppen. (Foto: Foto: AP)

AIG hatte den Zorn Washingtons auf sich gezogen, als der Konzern am Wochenende Gehaltszuschläge für Mitarbeiter der Finanzsparte bekanntgab - jener Abteilung, deren waghalsige Geschäfte 2008 für einen 100-Milliarden-Dollar-Verlust verantwortlich waren.

Wie inzwischen bekannt ist, hat AIG die Boni in Höhe von 165 Millionen Dollar bereits am Freitag ausgezahlt. 73 Personen habe der Konzern zu Millionären gemacht, darunter elf, die nicht mehr für AIG arbeiteten, sagte New Yorks Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo. Seine Behörde hat die Ermittlungen aufgenommen, obwohl AIG behauptet, rechtlich zu den Zahlungen gezwungen gewesen zu sein. "Irgendetwas an diesem Ergebnis ist zutiefst falsch," sagte Cuomo. "Man könnte argumentieren, dass die Verträge das Papier nicht wert wären, auf dem sie geschrieben wurden, wenn die Steuerzahler AIG nicht gerettet hätten."

Trotz der scharfen Rhetorik sehen Experten der Regierung kaum einen Weg, das Geld von den Angestellten zurückzuholen. Stattdessen will Washington den Betrag von einer Anfang des Monats bewilligten 30-Milliarden-Dollar-Überweisung an AIG abziehen und dem Unternehmen noch strengere Vorschriften machen. Wie diese genau aussehen, ist noch unklar.

Senatoren aus Obamas demokratischer Partei kündigten ein Gesetz an, das die AIG-Boni mit einer 91 Prozent-Steuer belegen würde. Doch es gibt Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Lex-AIG. Außerdem arbeiten einige der Bonusbezieher in London, außerhalb der Reichweite der US-Steuerbehörden. Insgesamt hat der Versicherer von Notenbank und Finanzministerium bereits 170 Milliarden Dollar erhalten, mehr als jeder andere US-Konzern. Deshalb ist die Empörung über die Boni so groß.

Weitere Interventionen

Ungeachtet der Erholung an den Börsen rechnet die Regierung damit, dass sie weiter am Finanzmarkt intervenieren muss. Im Haushaltsplan hat sie noch einmal 250 Milliarden Dollar für die Wall Street reserviert. Ein von der Vorgänger-Administration geschaffener 700-Milliarden-Fonds ist fast ausgeschöpft. Die neuen Vorschriften für AIG könnten später auch bei anderen Finanzunternehmen angewendet werden.

Allerdings befürchten Regierungsexperten, dass die Großkonzerne ihre Spitzenkräfte an kleine Investmenthäuser verlieren würden, wenn der Staat zu tief in die Gehaltsstrukturen eingreift. So rechtfertigt auch AIG die Prämien. Sollten die Eingriffe die Spezialisten vertreiben, drohe das Vorhaben zu scheitern, die komplexen Transaktionen abzuwickeln und die Finanzsparte zu schließen, argumentiert AIG-Chef Edward Liddy.

Die Sorge um Nachteile im Wettbewerb um die besten Köpfe führt dazu, dass das Interesse der Wall Street an Staatshilfen abnimmt. Wenn sich die Institute aber weniger Geld besorgen, schwindet ihre Kapitaldecke, ebenso wie die Bereitschaft, mit Krediten an Unternehmen die Konjunktur anzukurbeln.

Keine weitere Hilfe

Selbst die schwer angeschlagene Bank of America will keine weiteren Hilfen, wie sie letzte Woche klarstellte. Andere, darunter Wells Fargo und Goldman Sachs, haben bereits angekündigt, ihre Schulden bei der Regierung so schnell wie möglich zu begleichen.

Es ist eine Gradwanderung für den neuen Präsidenten. Ökonomen warnen davor, die Stabilisierung des Finanzsystems für eine Wall-Street-Schelte zu opfern. Allerdings befindet sich die Regierung unter enormem Druck. Beamte räumten inzwischen ein, dass sie seit Monaten von den AIG-Boni gewusst hatten. "Schandhaft", "widerwärtig" - das sind noch die eher harmlosen Attribute, die den Kongressmitgliedern zu AIG einfallen. Die Stimmung ist aufgeheizt, erst recht unter den Bürgern, die sich um ihre Arbeitsplätze und ihre Krankenversicherung und Rücklagen sorgen.

Mit welcher Wut die Debatte geführt wird, zeigt eine Äußerung von Senator Charles Grassley aus Iowa. Er empfahl AIG-Managern, "dem japanischen Modell" zu folgen und zurückzutreten oder sich umzubringen. Später ruderte Grassley zurück. Er habe den Harakiri-Vorschlag nur rhetorisch gemeint, sagte eine Sprecherin.

© SZ vom 18.3.09/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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