Börsenhandel:Hurra, die Kurse fallen

Verdienen mit dem Crash: Auch in der Finanzkrise können Anleger Geld verdienen - mit Wetten auf sinkende Börsenkurse. Doch diese Spekulationen sind riskant.

Catherine Hoffmann

Wirkliche Reichtümer entstehen in der Baisse. In Zeiten fallender Kurse also, wenn alle zittern und den baldigen Zusammenbruch fürchten. Hugo Stinnes beispielsweise hat am Sturz der Reichsmark nach dem Ersten Weltkrieg ein Milliardenvermögen verdient. Und der Bankier Nathan Rothschild machte mit einem schweren Kurseinbruch an der Börse einen Riesengewinn - allerdings hatte er den Börsenkrach vorsätzlich ausgelöst. Auch in der jüngsten Wirtschaftskrise ließ sich mit sinkenden Aktienkursen ein Vermögen machen, wenn man nur rechtzeitig vom Abwärtstrend überzeugt war.

Börsenhandel Hurra, die Kurse fallen

Die Kurse fallen - aber nicht jeder verliert dabei, viele Anleger profitieren auch davon.

(Foto: Foto: ddp)

Mit sogenannten "Short-ETFs" profitieren Anleger vom Kursverfall am Aktienmarkt. "ETF" steht für "Exchange Traded Fund", einen Fonds also, der an der Börse gehandelt wird. Und "Short" spielt auf eine bewährte Strategie von Zockern an, die mit Leerverkäufen (Short-Selling) an rückläufigen Kursen verdienen, indem sie geliehene Aktien teuer verkaufen und später billig zurückkaufen. Mit Erfindung der Short-ETFs ist diese Strategie nicht mehr nur Profis mit tiefen Taschen und profundem Finanzwissen vorbehalten. Jetzt kann jedermann zum Baisse-Spekulanten werden - oder ganz einfach in turbulenten Zeiten sein Depot absichern.

Publikumsrenner Short-Dax

Die Nachfrage ist hoch. "Wir verwalten mehr als eine Milliarde Euro in 14 verschiedenen Short-ETFs", sagt Thorsten Michalik, zuständig für das ETF-Geschäft der Deutschen Bank - db x-trackers. "Das Interesse der Kunden ist außerordentlich groß." Publikumsliebling ist ein Papier auf den Short-Dax, einen Strategieindex, der von der Deutschen Börse berechnet wird.

Seine Wertentwicklung ist an den Leitindex Dax geknüpft, allerdings spiegelverkehrt: Fällt der Dax um fünf Prozent, steigt der Short-Dax um fünf Prozent - und umgekehrt. Anleger, die eine negative Wertentwicklung der 30 Dax-Aktien erwarten, können mit ETFs per Short-Dax auf den Absturz wetten. Während die meisten Sparer in diesem Jahr lange Gesichter machen, weil der Dax bereits 11,4 Prozent verloren hat, freuen sich alle, die auf den Short-Dax gesetzt haben, denn der legte in dieser Zeit um 11,7 Prozent zu.

Dass sich die Wertentwicklung nicht nur durch das Vorzeichen unterscheidet, liegt an der Berechnung des Indexes: Der Short-Dax wird täglich auf Basis der Schlusskurse ermittelt, Veränderungen beziehen sich also immer auf den Kurs des Börsen-Vortags. Sackt der Dax am Montag um drei Prozent ab und fällt er am folgenden Dienstag abermals um drei Prozent, beträgt der Kursverlust also nicht sechs Prozent, sondern weniger, weil der Drei-Prozent-Verlust vom Dienstag bereits auf den geringeren Kurswert vom Montag bezogen wird.

Nicht langfristig geeignet

Eine perfekte Absicherung gegen Kursverluste ist der Short-Dax also nur für einen Tag. Deshalb eignen sich Short-ETFs auch nicht als Langfristinvestment, vielmehr sollten sie kurzfristig eingesetzt werden. Zusätzlich zur umgekehrten Wertentwicklung des Dax erhalten Anleger Zinsen in Höhe des doppelten Tagesgeldsatzes.

Das ändert freilich nichts daran, dass die Wahl des richtigen Zeitpunkts für den Erfolg entscheidend ist - und schwieriger als bei klassischen Aktienkäufen, bei denen Investoren auf steigende Kurse hoffen. Denn die Phasen stark fallender Kurse machen nur einen Bruchteil eines Börsenzyklus' aus. Meist lohnt die Spekulation auf eine Baisse nur für wenige Wochen. Short-ETFs sollte deshalb nur ein Investment auf Zeit sein.

Wenn der Zeitpunkt für den Einstieg nicht glücklich gewählt ist, sollten Anleger recht bald die Reißleine ziehen - und nicht zusehen, wie sich die Verluste türmen. "Short-ETFs sind nur für erfahrene Privatanleger geeignet", sagt deshalb Thorsten Winkler, Fondsmanager der Veritas SG, die auf ETFs spezialisiert ist.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, aus welchem Angebot der pessimistische Anleger wählen kann.

Hurra, die Kurse fallen

Wer allerdings weiß, was er tut, der darf auch schon mal den Rückwärtsgang einlegen - statt auf den Abgrund zuzufahren. Alexander Seibold, Vermögensverwalter aus Gmund am Tegernsee, hat 2008 mit Short-ETFs gezeigt, wie man ein Jahr mit zweistelligen Gewinnen abschließt, in dem viele andere Profiinvestoren Verluste einstecken mussten. Seibold sieht kurzfristig schwarz für den Aktienmarkt.

"Die Aufwärtsbewegung seit Anfang Februar wurde abrupt gestoppt, als US-Präsident Barack Obama und sein Finanzminister Timothy Geithner in der vergangenen Woche mit ihrem komplizierten Rettungsplan die Anleger enttäuschten", sagt Seibold. "Das war der Anfang einer Rutschpartie, die uns 15 bis 20 Prozent nach unten führt." Der Vermögensverwalter ist überzeugt, dass sich mit fallenden Kursen Geld verdienen lässt.

"Wir werden in den kommenden Wochen die Anfänge einer Deflationsspirale sehen, das wird den Aktienkursen nicht gut tun." Skeptisch ist auch Veritas-Experte Winkler: "Die Märkte sehen angeknackst aus, vor allem in den USA. Die Gefahr ist groß, dass die Kurse nach unten wegbrechen." Vor einem Short-Investment würde der Fondsmanager aber ein klares Signal abwarten: Erst wenn der Dax unter die Marke von 4000 Punkten rutscht, sei die Zeit reif für eine Baisse-Spekulation.

Großes Angebot für die pessimistischen Anleger

Wer von schwachen Börsenphasen profitieren will, findet inzwischen ein beachtliches Angebot. Pessimisten können wählen zwischen Short-ETFs auf Aktienindizes wie den Dax, das US- Börsenbarometer S&P 500 und den europäischen Leitindex Euro Stoxx 50 sowie Short ETFs auf zahlreiche Branchen von Ölwerten bis zu Technologieaktien.

Besonderer Favorit der Anleger war im letzten Quartal der Short-ETF auf die Bankaktien im europäischen Aktienindex Stoxx 600: Wer Anfang Oktober investierte, hatte bis zum Jahresende 55,2 Prozent gewonnen, weil die Kurse europäischer Bankaktien im freien Fall waren. Gefragt war das Produkt auch bei konservativen Vermögensverwaltern: Die kauften dann beispielsweise ETFs auf den Euro-Stoxx 50 und erwarben zugleich Short-ETFs auf die Banken. So befreiten sie ihr Portfolio vom Risiko der Finanzwerte.

Mit der Baisse lässt sich also leben und aus der Finanzkrise sogar Kapital schlagen - wenn nur die Kurse weiter fallen. Wem das zu unsicher ist, der darf die Sache eben nicht dem Zufall überlassen. So wie Nathan Rothschild.

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