Börsengang der Deutschen Telekom im Jahre 1996:Der Kult um das T

Wie es dem damaligen Vorstandschef Ron Sommer gelang, Millionen Bundesbürger erstmals zum Aktienkauf zu bewegen

Gerhard Hennemann

Eine gigantische Werbekampagne animierte Millionen Bundesbürger vor zehn Jahren, Aktien der Deutschen Telekom zu zeichnen. Am 18. November 1996 wurde das Papier erstmals gehandelt. Es war der größte Börsengang, der bis dahin weltweit stattgefunden hatte. Teil eins der SZ-Serie zeigt, wie es dazu kam.

Börsengang der Deutschen Telekom im Jahre 1996: 3,6 Milliarden Bestellungen für die Aktie

3,6 Milliarden Bestellungen für die Aktie

(Foto: Foto: AP)

Kaum ein Anleger, der sich damals zum Kauf von Telekom-Aktien verführen ließ, dürfte jene turbulenten Wochen und Monate bereits vergessen haben, die dem Börsendebüt vorausgingen. Die Werbekampagne im Vorfeld lief zäh an. Was vorübergehend sogar nach einem Flop aussah, steigerte sich im Spätherbst 1996 zu einem Aktienfieber - mit dem Rotton Magenta als Leitfarbe. Es ergriff Millionen Deutsche und machte sie zumindest vorübergehend blind dafür, dass das Geschäft mit Aktien in kurzer Zeit zwar exorbitant hohe Gewinne, aber auch dramatisch hohe Verluste bescheren kann.

Vertrauen in die Banken

Im Mittelpunkt des Börsentrubels stand jener Mann, den gut ein Jahr zuvor nur wenige Insider kannten: Ron Sommer, bis März 1995 noch Deutschland-Chef des japanischen Elektronikkonzerns Sony. Obwohl Sommer ein gutes halbes Jahr nach seinem Amtsantritt beinahe an einer folgenschweren Gebührenpanne zum Jahreswechsel 1995/96 gescheitert wäre, avancierte er danach binnen weniger Monate zu einem Superstar unter Deutschlands Managern, nachdem es ihm gelungen war, ein ganzes Volk auf das Börsenparkett zu locken.

Im Vorfeld des Börsengangs hatte Sommer mit Superlativen nicht gespart. Die Platzierung sei die größte Aktienemission, die die internationale Finanzwelt je gesehen habe, betonte er. Sowohl er als auch sein damaliger Finanzchef Joachim Kröske zeigten sich bei jeder Gelegenheit davon überzeugt, dass die Telekom-Aktie als zukunftsorientiertes Wachstumspapier die schon traditionelle Abneigung deutscher Privatanleger gegenüber Aktien überwinden werde.

Die Telekom könne sich zum einen Kapital in großem Stil beschaffen, zum anderen die Aktienkultur in Deutschland nachhaltig fördern, sagte Sommer wiederholt - und stets unter Beifall aus allen größeren deutschen Bankhäusern, die an dem Deal schätzungsweise umgerechnet über 350 Millionen Euro verdienten. Der angenehme Nebeneffekt dieses Einbindens der Banken bestand für die Telekom darin, dass es kaum warnende Analysten-Statements zum Börsengang gab. Solch skeptische Stimmen kamen erst wesentlich später, als die Risiken der Anlage auch für ein breites Publikum nicht mehr zu übersehen waren.

Bei allem Vertrauen, das damals Konzernchef Sommer in das hochkarätige Bankenkonsortium und in seine PR- und Werbeberater setzen konnte, war ihm doch klar, dass die Telekom-Privatisierung kein Selbstläufer werden würde. Erfolgreich konnte das Mammutprojekt nur dann beendet werden, wenn man sich nicht allein auf die Kaufkraft und die Kauflust von Börsenprofis und institutionellen Anlegern verließ.

Sommer gab deshalb die Parole aus: "Die T-Aktie soll eine echte Volksaktie werden." Dieses Stichwort zog, auch wenn die Kleinanleger - anders als bei der Privatisierung der ehemaligen Staatsfirmen Volkswagen und Veba in früheren Jahrzehnten - keine Sozialrabatte erhielten. Vorzugsangebote waren ausschließlich den Mitarbeitern der Telekom vorbehalten. Lediglich denjenigen Kleinanlegern, die ihre Papiere bis mindestens September 1999 behielten, winkten Treueaktien aus dem Bestand des Bundes.

Ausgabepreis: 28,50 Mark

Rekordträchtig war vieles an dieser Erstemission. Obwohl die Telekom das Aktienvolumen noch wenige Tage vor dem Börsenstart um 20 Prozent erhöhte, konnte bei weitem nicht jeder Käuferwunsch erfüllt werden. Für die 690 Millionen T-Aktien lagen nicht weniger als 3,6 Milliarden Bestellungen vor.

Denjenigen aber, denen es gelungen war, die Höchstmenge von 300 Aktien zum Ausgabepreis von 28,50 Mark (14,57 Euro) zu bekommen, bot gleich der erste Handelstag Grund genug, die Sektkorken knallen zu lassen, denn der Kurs kletterte am ersten Handelstag auf 33,90 Mark.

Der erfolgreiche Start lockte in der Folgezeit immer mehr Bundesbürger aus der Reserve, die hofften, dass es jenseits von Sparbuch und Immobilien noch lukrativere Möglichkeiten der Geldvermehrung gab. Was in den Folgejahren passierte, als die T-Aktie auf dem Höhepunkt des Börsenbooms kurzzeitig über mehr als 100 Euro notierte und dann abstürzte, steht auf einem anderen Blatt.

Ein erster schwerer Schock erfasste das Unternehmen knapp fünf Jahre nach dem Börsengang, als der Kurs erstmals unter den Ausgabepreis rutschte. Dies war eines jener dramatischen Ereignisse, deren Aneinanderreihung schließlich den Bund dazu veranlasste, Mitte 2002 Ron Sommer die Gefolgschaft aufzukündigen.

Ihm folgte der jetzige Vorstandschef Kai-Uwe Ricke nach. Zurück blieben Millionen Anleger, die sich geprellt fühlten. Viele hatten einst Sommers Versprechen geglaubt, die Telekom-Aktie werde so sicher wie eine vererbbare Zusatzrente sein.

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