Süddeutsche Zeitung

Japan: Atomkatastrophe:Die Börsen sacken ab - weltweit

Die Furcht vor der Verstrahlung größerer Teile Japans lässt die Märkte zittern. In Tokio gab es einen der schlimmsten Kurseinbrüche der Geschichte, in Frankfurt verliert der Dax ebenfalls drastisch.

Die Finanzmärkte kennen keinen Halt mehr: Nach einem heftigen Kurseinbruch in Japan - der Nikkei-225 sackte zeitweise um rund 15 Prozent ab - fliehen nun auch die Anleger in Frankfurt aus Aktien. Zusammen mit dem Einbruch am Vortag war es der größte Kursverlust seit dem Börsencrash 1987.

In Deutschland verlor der Dax mehr als vier Prozent, die Wall Street in den Vereinigten Staaten im frühen Geschäft rund zwei Prozent.

Die Sorge, dass Japan nun doch stärker verstrahlt werden könnte als bislang befürchtet, trifft die Anleger mit großer Wucht. Bislang hatten viele angenommen, dass zumindest die großen Industrieregionen des Landes nicht unmittelbar betroffen seien. Doch der neuerliche Brand im Atomkraftwerk Fukushima-1 und der Austritt großer Mengen radioaktiver Partikel machten diese Hoffnung zunichte. Die von der Bank of Japan eilends zur Verfügung gestellte Liquidität in Höhe von 98 Milliarden Dollar zeigte am Dienstag keine Wirkung mehr.

Nicht geht mehr

In vielen Fabriken Japans geht derzeit gar nichts mehr - das trifft vor allem die Autoindustrie: Bei Toyota, Nissan, Honda, Suzuki, Subaru, Mazda und Mitsubishi stehen derzeit die Bänder still. Toyota, weltgrößter Autohersteller, hat die Produktion zunächst bis Mittwoch eingestellt. Bei Nissan soll der Betrieb in einigen Werken ebenfalls bis Mittwoch, an anderen Standorten bis Freitag ruhen.

Die Nissan-Werke sollen direkt von Schäden betroffen sein. Genannt werden die Werke in Oppama und Tochigi, wo die Modelle der Luxustochter Infinity und das Elektroauto Leaf vom Stapel laufen, sowie Produktionsstätten in Yokohama und Iwaki, wo Antriebsstränge für Nissans Oberklassemodelle gefertigt werden. Die Deutschlandzentrale des Konzerns wollte konkrete Schäden noch nicht bestätigen. Man sei derzeit noch mit der Bestandsaufnahme beschäftigt, hieß es dazu.

Auch Hondas Produktionsstätten liegen zum Teil in der vom Erdbeben gebeutelten Region. Bei dem Beben am Freitag sei ein Mitarbeiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung in der Präfektur Tochigi getötet wurden und 34 weitere wurden verletzt, meldet die Offenbacher Nordeuropazentrale des japanischen Autobauers.

Zunächst soll der Betrieb in sämtlichen Honda-Anlagen in der Präfektur Tochigi, in denen es zu größeren Schäden gekommen ist, bis kommenden Sonntag ruhen. Neben der Forschungsanlage ist dort auch ein Montagewerk von der Zwangspause betroffen.I

An der Frankfurter Börse trennten sich die Anleger vor allem von Papieren deutscher Autohersteller, die teils mehr als sieben Prozent verloren. Daimler & Co. verkaufen in Japan vor allem Fahrzeuge der Luxusklasse in der Größenordnung von einigen zehntausend Stück.

Einen mächtigen Kurseinbruch gab es auch bei den Infineon-Papieren - wohl weniger wegen der Ereignisse in Japan, sondern weil die Ergebnisse des US-Konkurrenten Texas Instruments enttäuschend ausfielen. Der Dax-Konzern hat unterdessen seinen circa 95 Mitarbeitern in Tokio Hilfe angeboten: Sie könnten in einem der anderen beiden Standorte im Süden des Landes unterkommen, sagte ein Infineon-Sprecher. Nur 20 Beschäftigte seien allerdings bisher darauf eingegangen. Primär beschäftigt Infineon in Japan Vertriebs- und Marketingspezialisten.

Leichte Verluste nur gab es hingegen bei den Versicherern, die schon am Vortag kräftig eingebüßt hatten. Die möglichen Kosten für die Versicherungsbranche werden derzeit auf rund 50 Milliarden Dollar geschätzt. Allerdings sind viele Schäden im Nordosten Japans gar nicht versichert. In diesem Fall könnten größere Verluste auf die dort ansässigen Banken zukommen, da viele Immobilien auf Kredit finanziert wurden.

Insgesamt mehren sich am Finanzmarkt die Zweifel, dass Japan die Krise schultern kann: Die Prämien für eine Absicherung japanischer Staatspapiere schnellten enorm in die Höhe.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1072080
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/dpa/Reuters/juwe/hai/gba
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.