Boardinghäuser:Unterwegs und doch daheim

Boardinghäuser sind in Deutschland ein wachsendes Segment auf dem Markt der Hotelimmobilien. Viele Jobnomaden zíehen sie klassischen Hotels vor.

Roswitha Loibl

Jobnomaden finden sich in vielen Berufsgruppen. Ob sie nun als Unternehmensberater, Projektingenieure oder Schauspieler arbeiten, eines verbindet sie: Hotels sind zeitweise ihre Heimat. Doch die Kombination aus Bett, Bad und kleinem Schreibtisch kann auf Dauer zu Überdruss führen.

Boardinghäuser: Ein Apartmenthotel von "Pierre & Vacances" in Paris

Ein Apartmenthotel von "Pierre & Vacances" in Paris

(Foto: Foto: imago)

Deshalb profitieren diese mehr oder weniger freiwillig mobilen Menschen vom wachsenden Angebot an Boardinghäusern in Deutschland. Ihre Zahl ist in den vergangenen drei Jahren von 10.000 auf 13.000 Einheiten angestiegen. Diese Werte sind Schätzungen von Marktbeobachtern.

Auch die Reise-Abteilungen von Unternehmen buchen diese Wohnform gerne, denn sie eröffnet Sparmöglichkeiten. "Die Preise liegen 20 bis 50 Prozent unter denen eines vergleichbaren Hotelzimmers", rechnet die Berliner Beraterin und Vermittlerin Anett Gregorius vor. Mit der Dauer des Aufenthaltes sinkt der Preis, der für einen Monat zwischen 1000 und 8000 Euro liegen kann, je nach Größe und Ausstattung des Apartments. Die Gäste stammen vor allem aus der IT-Branche, Beratungsunternehmen, Film und Medien sowie Banken und Versicherungen.

Drei Jahre lang in Boardinghäusern

Das Wohnen auf Zeit ist ein Großstadt-Phänomen. Die meisten Häuser gibt es in Berlin (rund 50), Düsseldorf, Köln (jeweils etwa 25), Hamburg und München (jeweils rund 20). Vorbild sind die USA. "Dort gibt es Menschen, die drei Jahre lang in Boardinghäusern leben", berichtet Andreas Erben, Leiter des Bereichs Hotel beim Maklerunternehmen Dr. Lübke.

In Deutschland dauert das Gros der Aufenthalte maximal einen Monat, hat Anett Gregorius festgestellt: "Zwei Drittel der Apartments werden für maximal einen Monat gebucht, ein Drittel sind Langzeitaufenthalte." Im Vergleich zu den USA liege Deutschland zehn Jahren zurück, meint Erben. Weil Deutschland in diesem Marktsegment noch nicht viel zu bieten hat, sehen internationale Hotelentwickler hier eine Lücke und beginnen sich zu engagieren.

Mit der Bezeichnung "Boardinghouse" können diese Investoren allerdings wenig anfangen. Im Englischen hat sie einen negativen Touch und steht für einfache Wohnheime und Studenten-Unterkünfte. Dort heißen die bequemen Zeit-Quartiere ,,Serviced Apartments''. Internationale Anbieter schätzen den deutschen Hotelmarkt für die nächsten zehn Jahre generell als expansiv ein, sagt Andreas Erben.

Unterwegs und doch daheim

In Deutschland noch weitgehend unbekannt sind Ketten wie die Toga Hospitality Group aus Australien, die ihr erstes deutsches Apartment-Hotel der Marke Adina mit 125 Einheiten im Dezember in Berlin eröffnet. 2009 folgt ein Haus in Frankfurt. Die Ascott-Gruppe aus Singapur hat ein erstes Citadines Apart´hotel in Berlin eröffnet und plant für den Münchner Arnulfpark ein weiteres Haus im Jahr 2009. Anderen internationalen Betreibern ist Deutschland noch nicht lukrativ genug, denn die Preise für ein Nachtquartier liegen hier wesentlich niedriger als in London oder Asien.

Die französische Kette Accor ist in Deutschland mit der Marke Suite Hotels vertreten. Sie bietet geräumige Doppelzimmer mit Schiebetür zur Trennung von Wohn- und Schlafbereich, aber keine Küche. Das Unternehmen möchte sein Profil auf diesem Feld allerdings schärfen und hat sich mit der TUI-Tochter Pierre&Vacances zusammengetan, um europäischer Marktführer bei Apartment-Hotels zu werden. Die Expansion auf 50 Häuser in den kommenden fünf Jahren soll zunächst auf die französischsprachigen Länder, Italien und Österreich beschränkt bleiben.

Hohe Auslastungsquoten

Als Marktführer in Deutschland im Bereich Wohnen auf Zeit sieht sich Derag Hotel and Living mit 14 Standorten in Deutschland. "Der Markt ist stark mittelständisch strukturiert", sagt Anett Gregorius. Viele Betreiber führen nur ein Haus, so dass Anbieter mit fünf oder sechs Häusern wie die Clipper Hotels&Boardinghouses und die Lindner Boardinghouses schon als Kette gelten.

Hotelbetreiber schätzen an Serviced Apartments, dass sie bei Auslastungsquoten von 70 bis 90 Prozent eine stabile Einnahmequelle bieten, auch wenn die Rendite nicht übermäßig hoch ist. "Sie liegt unter der von typische Hotels, andererseits sind die Kosten auch niedriger", sagt Andreas Erben und meint damit Verwaltung, Material, Provisionen und Werbung. Schließlich muss nicht durchschnittlich alle 1,5 Tage ein neuer Nutzer gefunden werden wie bei Hotels.

"Sehr oft sind Boardinghäuser in Deutschland aus der Not geboren", relativiert Ursula Kriegl von Jones Lang LaSalle Hotels, den Optimismus ihrer Kollegen. Wenn etwa die Baubehörde vorschreibt, dass ein Gebäude nicht komplett gewerblich genutzt werden darf, sondern auch einen Anteil Wohnen haben muss, so hilft die Hotel-Mischform aus diesem Dilemma. In Städten wie Berlin akzeptieren die Verwaltungen das Wohnen auf Zeit, in anderen, wie München, werden die Genehmigungen restriktiver gehandhabt. Gerade dort, wo Hotels auch Apartments bieten, dürfen die Gäste in flauen Phasen nächteweise buchen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: