BGH-Urteil zu Mieterhöhung:Traue keinem Vertrag

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Auch wenn die Wohnung kleiner ist als im Mietvertrag angegeben, muss man die volle Miete zahlen.

Helmut Kerscher

Ob zehn Prozent einer Summe viel oder wenig sind, hängt von der Situation und vom Betrachter ab. Beim Trinkgeld etwa mögen zehn Prozent vom Geber als schon großzügig, vom Nehmer als noch angemessen bewertet werden. Bei Wohnungen können Abweichungen bis zu zehn Prozent zwischen der tatsächlichen und der vertraglich vereinbarten Fläche sehr schnell die Gerichte beschäftigen.

Ständiger Streitfall Wohnungsgröße: Der BGH hat sich für eine "Zehn-Prozent-Bagatellgrenze" entschieden. (Foto: Foto: dpa)

Damit das nicht zu oft geschieht, hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) für eine "Zehn-Prozent-Bagatellgrenze" entschieden. Innerhalb dieser seien Abweichungen zwischen geschriebener und wirklicher Wohnfläche nicht erheblich, entschied der BGH.

Im konkreten Fall ging das zu Lasten einer Hamburger Mieterin. Sie hatte gegen die saftige Erhöhung ihrer Miete von 360 auf 432 Euro geklagt, weil die Vermieterin dieses Verlangen auf eine falsche Flächenangabe stützte. Statt der im Vertrag angegebenen 55,75 Quadratmeter betrage die tatsächliche Wohnfläche nur 51,03 Quadratmeter.

"Betrügern Tür und Tor geöffnet"

Die Klage blieb jedoch in allen drei Instanzen erfolglos, weil die Abweichung unterhalb von zehn Prozent und damit laut BGH "innerhalb der Toleranzgrenze" lag. Deshalb habe die Vermieterin bei der Berufung auf die ortsübliche Vergleichsmiete die falsche, aber vertraglich vereinbarte größere Wohnfläche zugrundelegen dürfen.

Dieses Ergebnis veranlasste den Deutschen Mieterbund (DMB) zu einer äußerst harschen Richterschelte. Kaum war das Urteil verkündet, da erklärte Mieterbund-Direktor Lukas Siebenkotten schon, es öffne "Betrügern Tür und Tor". In der Konsequenz bezahle die unterlegene Mieterin "ab sofort 36,63 Euro pro Monat oder 439,56 Euro pro Jahr für nichts", rechnete er vor. Es sei unerträglich, dass Vermieter mit barem Geld belohnt würden, die bei der Festlegung der Wohnungsgröße im Mietvertrag zu ihren Gunsten rechneten. Das Ergebnis sei auch deshalb absurd, weil die ortsüblichen Quadratmeterpreise per Mietspiegel und Gutachten "akkurat bis hinter die zweite Kommastelle errechnet werden müssen".

Wie bei Mieturteilen üblich, kam die Gegenseite zu einer völlig anderen Beurteilung. Die vom BGH gezogene Toleranzgrenze sei praxisgerecht, fanden übereinstimmend die Eigentümergemeinschaft Haus & Grund sowie der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Ursache für die unterschiedlichen Flächenangaben seien überwiegend die unterschiedlichen Berechnungsmethoden, hieß es. Deren Folgen sind geradezu dramatisch, wie sich aus einem Gutachten der Dekra Real Estate von Ende 2006 ergibt. In mehr als 80 Prozent der untersuchten Fälle hätten Wohn- und Büroflächen nicht den Angaben in den Mietverträgen entsprochen, hieß es.

Die Erkenntnis, dass trügerische Angaben ein Massenphänomen sind, beeindruckte sichtlich auch den Bundesgerichtshof. Ein Zweck der vor Jahren entwickelten "Zehn-Prozent-Bagatellgrenze" sei es, zahllose Prozesse um kleine Flächenabweichungen zu vermeiden, sagte Richter Wolfgang Ball in der mündlichen Verhandlung Mitte Juni.

Er wies jetzt darauf hin, dass sein Senat die Zehn-Prozent-Regel im Vorjahr zum Nachteil eines Vermieters angenommen habe. In jenem Fall war die tatsächliche Wohnfläche mit 131 Quadratmetern um zehn Quadratmeter größer als die im Vertrag angegebene. Wie jetzt die Mieterin, musste sich damals der Vermieter auf die falsche, aber vereinbarte Fläche verweisen lassen.

© SZ vom 09. 07. 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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