Süddeutsche Zeitung

BGH-Urteil: Gaspreise:Nur eine Schneise im Vertragsdickicht

Im Streit um die Gaspreise stärkt der Bundesgerichtshof die Verbraucher. Aber das reicht noch lange nicht.

Wolfgang Janisch

Seit fast drei Jahren befasst sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der richterlichen Kontrolle der Gaspreise, zahlreiche seiner Urteile fielen zugunsten der Verbraucher aus.

Kein Wunder, dass Millionen deutscher Gaskunden nach jedem neuerlichen Spruch aus Karlsruhe wissen wollen: Sinken endlich die Preise? Und bekommen wir Geld zurück? Am Mittwoch hat der BGH den Versorgern wieder einmal ein Instrument aus der Hand geschlagen, das es ihnen ermöglichte, aus dem ständigen Auf und - seltener - Ab der Preise einen Profit zu schlagen, der die Kunden übervorteilt.

Die Kopplung des Gaspreises an den Ölpreis per Vertragsklausel ist unzulässig, weil ein solcher Automatismus keineswegs ein Beleg für gestiegene Kosten des Versorgers ist - schon gar nicht angesichts eines Weltmarkts, der es eher mit Überkapazitäten beim Gas zu tun hat.

Im laufenden Vertragsverhältnis erlaubt der BGH Preiserhöhungen nur, wenn der Versorger seinerseits Kostensteigerungen nachweisen kann.

Doch auch diesmal lautet die Botschaft an die Verbraucher: Nein, die Preise sinken nicht, jedenfalls nicht gleich - und schon gar nicht als unmittelbare Konsequenz aus dem Karlsruher Urteil. Und Geld zurück gibt es vielleicht für manche, aber gewiss nicht für alle.

Der BGH ist nicht die einzige Institution, die sich mit steigenden Gaspreisen befasst, und wohl nicht die wichtigste - die Missbrauchskontrolle durch das Bundeskartellamt wie auch die Bundesnetzagentur mit ihren Aktivitäten zur Verbesserung der Marktbedingungen dürften mehr dazu beigetragen haben, dass der Gasmarkt langsam in Schwung kommt.

Dennoch kann die Entscheidung den Verbrauchern zumindest langfristig helfen. Der BGH setzt mit seinen Urteilen dort an, wo er ein Ungleichgewicht ausmacht - eine unangemessene Benachteiligung der Kunden, die aus einer Übermacht des Versorgers resultiert. Einen juristischen Ansatz sieht der BGH vor allem bei jenen Paragrafen, die den Verbraucher vor den Fallstricken des Kleingedruckten in Schutz nehmen: Klauseln, die einerseits zwar Preiserhöhungen, aber keine Absenkungen vorsehen, haben die Richter gekippt, auch intransparente Vertragsbestimmungen, die kein Normalkunde durchblicken kann.

Der Schlussstein in der Karlsruher Rechtsprechung fehlt allerdings noch: Wer profitiert eigentlich davon, wenn der Bundesgerichtshof den Versorgern eine Vorschrift aus den Musterverträgen streicht? Die Unternehmen zahlen den Klägern das überhöhte Entgelt zurück, doch all die anderen Kunden müssen häufig selbst vor Gericht ziehen, um Rückforderungen wegen überhöhter Preise durchzusetzen.

Vor den unteren Instanzen sind Hunderte von Prozessen anhängig, ein Grundsatzurteil aus Karlsruhe steht noch aus. Dabei könnte ein solcher Spruch die Sorgfalt der Energieversorger beim Formulieren der Verträge deutlich erhöhen - weil es dann richtig teuer werden könnte, die Verbraucher zu übervorteilen.

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SZ vom 25.03.2010/hgn
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