Süddeutsche Zeitung

Bezahlmodell in Online-Spielen:Für eine Handvoll Drachengold

Wer für virtuelles Geld in Online-Spielen keine bare Münze ausgeben will, kann neuerdings seine Daten verkaufen. Verbraucherschützer und Suchtforscher sind alarmiert.

Michael König

Es geht um "Mut und Tapferkeit" im Online-Spiel "Metin 2". Um "entschlossene Krieger" und "blutrünstige Bestien". Letztlich geht es aber um eines: Geld.

"Metin 2" ist eines der beliebtesten Online-Spiele Deutschlands. Es ist eigentlich kostenlos - und kann doch richtig teuer werden. Wer Erfolg haben will, muss seine Spielfigur aufrüsten - mit Hilfe virtueller "Drachenmünzen", die mit realer Währung bezahlt werden müssen - 120 Drachenmünzen für zehn Euro. Bislang geschah das per Kreditkarte oder per Anruf bei einer Sondernummer. Jetzt gibt es eine neue Bezahlmethode, die vorgibt, kostenlos und fair zu sein - und Verbraucherschützer und Suchtforscher gegen sich aufbringt.

Newsletter oder Umfragen

Das Prinzip: Statt mit Geld zu bezahlen, abonnieren die Spieler freiwillig einen E-Mail-Newsletter, lassen sich Kataloge per Post zuschicken oder nehmen an einer Meinungsumfrage teil. Im Gegenzug bekommen sie virtuelles Gold auf ihrem Spielekonto gutgeschrieben.

Der Vorteil für die oft minderjährigen Teilnehmer: Sie brauchen weder die Kreditkarte ihrer Eltern, noch müssen sie deren Telefonrechnung strapazieren. Erfahrene Spieler berichten, 50 bis 200 Euro pro Monat seien notwendig - "sonst ist es fast unmöglich, erfolgreich zu spielen". Mit der neuen Bezahlmethode umgehen sie den Ärger mit den Erziehungsberechtigten - indem sie ihre eigene E-Mail-Adresse oder die Postanschrift ihrer Eltern preis geben - für eine Handvoll Drachengold.

Anbieter mit Fairness-Garantie

Es ist ein Angebot, dass sich offenbar wachsender Nachfrage erfreut. Das neue Bezahlmodell werde "von unseren Spielern sehr gut angenommen", heißt es bei Gameforge, der Firma, die hinter "Metin 2" und ähnlichen Onlinespielen steckt. Gemeinsam mit dem Konkurrenten Bigpoint dominiert Gameforge den deutschen Markt. Zehn Millionen Kunden seien hierzulande in den virtuellen Welten unterwegs, teilt Gameforge auf Anfrage mit. Weltweit seien es 85 Millionen Spieler.

Seit August arbeitet Gameforge mit "Sponsorpay" zusammen, einem Berliner Start-up-Unternehmen, dass die neue Bezahlmethode anbietet. "Unsere Sponsoren bezahlen für deine Drachenmünzen" - so wirbt Sponsorpay in "Metin 2" um neue Kunden. Ihnen wird eine "Garantie" versprochen: Versteckte Gebühren oder Abonnements - wie etwa bei Handy-Klingeltönen - seien ausgeschlossen.

Verbraucherschützer halten das für Schönfärberei. Die Online-Spielexpertin Karin Thomas-Martin von der Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg kritisiert, die Nutzer von Sponsorpay würden zu einem Daten-Striptease animiert: "Das ist höchst problematisch. Gerade Kinder und Jugendliche wissen nicht, was sie da tun."

Auf der nächsten Seite: Auch Suchtforscher warten vor dem neuen Bezahlmodell. Online-Spieler klagen über volle Briefkästen, Sponsorpay verweist an die Werbepartner.

Auch Suchtforscher warnen vor den Angeboten von Sponsorpay und Konkurrenzprodukten wie "Gratispay" und "Deal united", die in anderen Spielen zum Einsatz kommen. "Dieses Bezahlmodell bedeutet ein zusätzliches Gefährdungspotenzial", sagt Kai Müller, Spielsucht-Experte von der Universität Mainz.

Wenn ein Spieler kein Geld mehr habe, um seine Figur weiter aufzurüsten, sei das normalerweise ein Antrieb, mit dem Spielen aufzuhören. "Dank Sponsorpay habe ich aber die Möglichkeit, diesen Punkt zu überwinden und meine Daten zu Geld zu machen. So häufe ich weitere Probleme an und verstärke meine Sucht möglicherweise", sagt Müller.

"Meine Eltern beschweren sich"

Was Müller mit "weiteren Problemen" meint, lässt sich in Internetforen nachlesen: "Meine Eltern beschweren sich, weil wir jetzt so viel Werbung in der Post haben", heißt es da. Auch von prallvollen E-Mail-Postfächern dank Werbemails wird berichtet. Andere Nutzer haben Testabonnements von Zeitschriften bestellt, um an Drachengold zu kommen. Bei Problemen, diese Testangebote zu kündigen, ist Sponsorpay nicht behilflich: "Du musst dich direkt an die entsprechenden Partner wenden. Wir vermitteln ausschließlich den Erstkontakt", heißt es unter der Rubrik "Häufige Fragen".

Auch in Sachen Datenschutz verweist Sponsorpay konsequent auf seine Geschäftspartner. Zudem solle jeder Nutzer die jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) prüfen, bevor er einem Angebot zustimme.

"Die gleiche Fairness auch von dir"

Den Kunden wird deutlich gemacht, dass sie nur dann belohnt werden, wenn sie sich an die Regeln halten: "Bei uns dürfen nur faire Sponsoren teilnehmen. Im Gegenzug erwarten wir die gleiche Fairness auch von dir", heißt es da. Wer falsche Angaben macht oder sich so verhält, "dass es den Interessen der Anzeigenkunden widerspricht", muss auf sein Drachengold verzichten.

Für Unmut sorgt auch die vermeintlich geringe Belohnung, die bei Sponsorpay zu erzielen ist: Wer beispielsweise das Angebot annimmt, sich bei dem Umfrage-Portal "meinungsstudie.de" zu registrieren, erhält elf Drachenmünzen - das sind umgerechnet 88 Cent. Dafür werden Name, Postanschrift, Geburtsdatum, Geschlecht und E-Mail-Adresse des Spielers abgefragt.

Kreditkarte für Jugendliche

Gerade einmal zwei Drachenmünzen oder 16 Cent gibt es für denjenigen, der den E-Mail-Newsletter einer bekannten deutschen Billigfluglinie abonniert. Zum Vergleich: Schon ein "Geschwindigkeitstrank", der im virtuellen Kaufmannsladen von "Metin 2" zu haben ist und dessen Wirkung nach 30 Minuten endet, kostet 35 Drachenmünzen. Wer die alleine mit Sponsorpay bestreiten will, muss sich schon an einträchtigere Angebote wagen: Wer eine Prepaid-Kreditkarte bestellt, die Jugendlichen den Einkauf im Internet erleichtern soll, erhält 33 Drachenmünzen.

Lohnenswerter scheint das Geschäftsmodell eher für andere: Werbetreibenden verspricht Sponsorpay ein risikofreies Investment: "Sie vergüten uns ausschließlich, wenn Ihre Zielgruppe eine Aktion durchführt", heißt es auf der Unternehmens-Website. Spieleanbieter wie Gameforge lockt Sponsorpay mit der Aussicht auf "User, die nicht für virtuelle Währungen oder digitale Güter zahlen möchten". Auch sie könnten dank Sponsorpay "monetarisiert" werden.

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