Süddeutsche Zeitung

Teures Wohnen:Stolperfalle Indexmiete

So hebeln Vermieter den Mietspiegel aus: In Großstädten bekommen Mieter fast nur noch Neuverträge, die sich an den Lebenshaltungskosten orientieren. Das erscheint fair, kann aber teuer werden - vor allem in bestimmten Wohnlagen.

Von Berrit Gräber

Blumen für den Makler, handgeschriebene Schwärmereien an den Hausbesitzer - im Zweifel auch parfümiert. Gerade in Großstädten wie München oder Hamburg ist Wohnraum knapp, die Schlange der Interessenten lang und die Verzweiflung mitunter groß. Wer dann endlich etwas mehr oder minder Passendes ergattert hat, wird auch eilig die Konditionen abnicken. Vielleicht ohne sich der Folgen bewusst zu sein. Bestes Beispiel ist die Indexmiete. Gerade in den Ballungsräumen gibt es kaum noch Vermieter, die nicht darauf bestehen, den Mietzins an den amtlichen Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes zu koppeln.

Mit einem Indexvertrag sind Bewohner aber oft schlechter dran, als mit einem normalen Mietvertrag, sagt der Sprecher des Deutschen Mieterbundes, Ulrich Ropertz. In Zeiten, in denen Energiepreise von einer Rekordmarke zur nächsten jagen, ist eine indexierte Miete nicht die beste Wahl.

Betroffene müssen nicht nur die ständig steigenden Kosten für Heizung und Strom schultern, die Teuerungswellen bei Benzin, Gas, Heizöl und Strom beeinflussen auch ihre Grundmiete. Denn die Indexmiete hängt von der Entwicklung der Verbraucherpreise ab, die für alle privaten Haushalte jährlich amtlich ermittelt wird. Posten wie Sprit und Strom spielen bei den Lebenshaltungskosten eine starke Rolle. Hohe Wohnnebenkosten schlagen dann doppelt zu Buche. Das sei der Nachteil von Indexmieten, sagt Ropertz.

So, wie sich der Index entwickelt, kann der Vermieter dann Jahr für Jahr die Miete anpassen - ohne zusätzliche Zustimmung des Mieters. Geht die Inflation nach oben, wird auch die Wohnung teurer. Sinkt sie nach unten, würde die Miete billiger. Das klingt gut, ist aber unwahrscheinlich: In den vergangenen 20 Jahren stiegen die Lebenshaltungskosten kontinuierlich. Zusätzlich zur Verteuerung der Energiekosten im zweistelligen Prozentbereich müssen neue Bewohner mit Indexvertrag regelmäßige Mieterhöhungen von etwa zwei Prozent pro Jahr einkalkulieren. "Die meisten Vermieter erhöhen aber weniger oft", versichert Rudolf Stürzer, der Vorsitzende der Eigentümergemeinschaft Haus & Grund München.

Wer einen klassischen Mietvertrag hat, bei dem die Wohnkosten von der ortsüblichen Vergleichsmiete abhängen, ist in der Regel besser dran. Im bundesweiten Schnitt stiegen die Nettokaltmieten in den vergangenen Jahren spürbar langsamer als die Verbraucherpreise. Sie zogen laut Statistischem Bundesamt von 2005 bis 2013 um 9,8 Prozent nach oben, während sich die Lebenshaltungskosten um 14,3 Prozent erhöhten. Vor allem in weniger gefragten Wohnlagen Deutschlands kann die Indexmiete rasch zum Preisbeschleuniger werden. "Das passiert da, wo die Vergleichsmieten nicht so schnell nach oben gehen", erklärt Mieterbund-Experte Ropertz.

In gefragten Städten wie Berlin oder München dagegen galoppieren die normalen Mieten viel stärker davon als die Inflation. Während die Verbraucherpreise momentan eher schleichend steigen, etwa um bis zu sechs Prozent in drei Jahren, dürfen die Mieten um 15 Prozent klettern. So viel lässt die 2013 in München wie Berlin eingeführte Kappungsgrenze innerhalb von drei Jahren zu. In anderen Städten sind gar Mieterhöhungen um bis zu 20 Prozent in diesem Zeitraum erlaubt. Aber warum bevorzugen Vermieter in Ballungsräumen trotzdem den Indexmietvertrag?

Ganz einfach: Weil die Mieten in heiß begehrten Regionen ohnehin schon sehr teuer sind. Vermieter müssen sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren, wollen sie mehr Geld. Bei einer Neuvermietung auf hohem Niveau kann der Vermieter den Mietspiegel aber locker ausdribbeln. Wählt er den Indexvertrag, kann er sich ganz legal von jeder Deckelung abkoppeln, auch mal gleich 30 oder 40 Prozent mehr verlangen als üblich - und darf Jahr für Jahr mit der Inflationsrate weiter erhöhen. "Die teure Ausgangsmiete wird quasi zementiert", erklärt Mieterbund-Sprecher Ropertz. Oder anders formuliert: Die Indexmiete hebelt einen Mietspiegel schlichtweg aus. Eine Preisbremse bei Neuvermietung gibt es bisher noch nicht.

Der einzige Trost für Mieter: Mieterhöhungen sind bei Indexverträgen transparent, an eine offizielle Statistik gebunden, wenig streitanfällig und derzeit eher moderat. Dazu kommt: Modernisiert der Vermieter die Fenster oder die Heizung auf freiwilliger Basis, darf er die Kosten nicht umlegen. Auch wenn die Indexmiete für viele Mieter mehr Nachteile als Vorteile hat, bleibt ihnen wegen des knappen Wohnungsangebots in Großstädten oft keine andere Wahl.

Wie viele Bürger schon einen Indexmietvertrag haben, kann niemand genau beziffern. "Solche Verträge sind aber klar auf dem Vormarsch", sagt Inka-Marie Storm, Juristin beim Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland. Allein in München seien etwa 80 Prozent der neuen Mietverträge inzwischen indexiert, betont Stürzer. "Das boomt." Und seit der Mietrechtsreform 2001 sind Indexverträge auch außerhalb von Gewerbeimmobilien erlaubt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1912102
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.03.2014/fie
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.