Beweismittel im Steuerskandal:Die Früchte des verbotenen Baumes

Wenn der Staat sich im Steuerskandal auf dubiose Beweismittel stützen muss, führt das zu Problemen: Der BND wird seine Arbeit kaum im Prozess erläutern wollen.

Heribert Prantl

Ludwig Uhland hat 1811 ein Gedicht geschrieben, in dem folgender Vers steht: "Mir hat geträumt, ich klopft auf den Busch / Da rauschte der Hirsch heraus, husch, husch."

Beweismittel im Steuerskandal: Ermittler tragen in Köln Akten aus dem Haus von Klaus Zumwinkel.

Ermittler tragen in Köln Akten aus dem Haus von Klaus Zumwinkel.

(Foto: Foto: ddp)

Das sind nicht gerade die stärksten Zeilen des Balladendichters, aber die Staatsanwaltschaft Bochum hat sich wohl bei ihren Ermittlungen gegen die Steuerbetrüger an diesem Sprüchlein orientiert. Sie hat wohl, wie das die Jäger tun, auf den Busch geklopft.

Man konnte sich ein paar Tage lang fragen, warum die Staatsanwälte vorab mit so großem Trara gegen Postchef Zumwinkel vorgegangen sind und warum sie diese Aktion als Auftaktaktion für Hunderte Ermittlungsverfahren und Durchsuchungsaktionen in ganz Deutschland dargestellt haben.

Eine probate Erklärung ist die: Wenn die Hirsche in ganz Deutschland erschreckt von selber aus den Büschen springen, wenn sie also gestehen und ihre Anwälte über einen Deal verhandeln wollen - dann spielt es keine Rolle mehr, dass die Beweismittel gegen sie unter dubiosen Umständen erlangt worden sind.

Das kontaminierte Beweismittel und seine Tauglichkeit im Strafprozess - das gehört zu den schwierigsten Problemen des Strafprozessrechts: Noch ist im Detail unklar, wie und auf welchen Wegen der Bundesnachrichtendienst an die CD mit den Bankdaten aus Liechtenstein gekommen ist, noch ist unklar, wie krumm diese Wege gewesen sind.

Davon hängt es ab, wie hoch das Risiko ist, dass aus dem Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot ein Beweisverwertungsverbot wird. Beweisverwertungsverbot hieße: Die vorhandenen Informationen dürften dann im Strafverfahren nicht verarbeitet werden; die Richter wären gezwungen, das auf den CD vorhandene Wissen auszublenden.

"Das Recht", so erklärt das der Münchner Strafrechtsprofessor Klaus Volk, "arbeitet nicht empirisch rücksichtslos; die Wahrheit wird nicht um jeden Preis erforscht". Beweisverbote sollen die Ermittlungsbehörden an dubiosen Aktionen hindern, die sich später als nutzlos herausstellen, weil ihre Ergebnisse nicht verwertet werden dürfen.

Der klassische Fall: Der Beschuldigte wird von der Polizei psychisch gequält und gesteht dann, wo er die Leiche versteckt hat. Diese Aussage darf, wegen des Verstoßes gegen das Folterverbot, unter keinen Umständen in die Hauptverhandlung eingeführt werden - sehr wohl aber das Projektil, das bei der Obduktion gefunden wird und aus der Waffe des Beschuldigten abgefeuert worden war.

Im US-Recht ginge das nicht. Dort gilt die Doktrin "fruit of the poisonous tree", das heißt: auch die Früchte des verbotenen Baumes dürfen nicht verwertet werden (es sei denn, man hätte sie leicht auch auf legalem Weg erlangen können).

In Deutschland folgt man der Lehre von den vergifteten Früchten nicht: Selbst wenn also die CD mit den Bankdaten aus Liechtenstein auf besonders schändliche Weise erlangt worden sein sollte, wären die Erkenntnisse verwertbar, die sich dann bei Haus- und Bankdurchsuchungen ergeben. Für die Geständnisse, die aufgrund der von den CD ausgehenden Zwangslage abgegeben werden, gilt das auch.

Auf der nächsten Seite: Die brennende Frage - ist die CD im Prozess verwertbar?

Die Früchte des verbotenen Baumes

Ist die CD selbst im Prozess verwertbar? Weil der Kleinstaat bei fiskalischen Delikten keine Rechtshilfe leistet, hat der deutsche Staat sich die Erkenntnisse im Wege der Selbsthilfe besorgt. Selbsthilfeorgan war dabei der Bundesnachrichtendienst, zu dessen Kompetenzen indes die Bekämpfung von Steuerkriminalität nicht gehört.

Der BND lässt deshalb verlauten, es habe sich bei den Steuerdaten um einen "Beifund" gehandelt, also um Erkenntnisse, an die man bei der Wahrnehmung ureigener Geheimdienstaufgaben geraten sei. Aber ein Beweisverbot könnte aus einer Kompetenzüberschreitung kaum folgern.

Schon eher aus der deliktischen Vehemenz, mit der sich der Informant des BND die Daten beschafft hat; womöglich hat der BND diesen regelrecht angestiftet. Aber auch hier ist die Rechtsprechung ziemlich großzügig: Unverwertbar sind solche Beweismittel dann, wenn sie auf menschenrechtswidrige Weise erlangt worden sind. Eine Anstiftung zur Untreue oder zum Ausspähen von Daten dürfte da nicht reichen.

Der Rechtsverletzung wird da gern das überwiegende Interesse der Allgemeinheit an der Strafverfolgung entgegengehalten. Diese Argumentation für den Fall Liechtenstein/Zumwinkel läuft dann so: Der deutsche Staat habe sich, weil Liechtenstein Straftäter deckt, in einer Art rechtfertigendem Notstand befunden - und habe, zur Durchsetzung der Rechtsordnung, zu extralegalen Mitteln greifen müssen.

Gleichwohl werden sich die Verteidiger der Steuerstraftäter in einem Prozess auf die Verwertbarkeits-Problematik stürzen. Dann käme die Anklage deswegen in Bedrängnis, weil sie Details der Arbeit des BND und über die Identität des Informanten nicht aufdecken will.

Am Schutz von V-Leuten sind schon ganz andere Prozesse gescheitert, zum Beispiel das NPD-Verbot beim Bundesverfassungsgericht. Diese Rechts-, Beweis- und Zeugenschutzprobleme spielen aber keine Rolle mehr, wenn die Beschuldigten gestehen. Zumwinkel hat das wohl schon getan. Viele andere werden folgen. Das ist ein Erfolg für die Ermittlungen. Ganz sauber ist der Erfolg nicht.

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