Süddeutsche Zeitung

Betrug mit Euromünzen:Wie aus Schrottgeld Millionen wurden

Stewards der Lufthansa brachten geschredderte Münzen mit dem Dienstflug nach China - und düsten mit reparierten Geld wieder zurück ins Reich der Bundesbank. Einblicke in ein bizarres Geschäft.

Markus Zydra und Arndt Krieger

Auch Euromünzen können kaputtgehen. Meistens ist es die jahrelange Abnutzung, die ihnen schadet. Privatpersonen, Firmen und Banken können die schadhaften Ein-Euro- oder Zwei-Euro-Stücke in einer Filiale der Deutschen Bundesbank gegen neues, schönes Geld eintauschen. Kostenlos. Die alten Münzen werden dann von einer Spezialfirma entwertet. Sie verbiegt das Material maschinell, schleift es an der Kante ein und drückt den inneren silberglänzenden Teil aus dem goldfarbenen Rand heraus. Die Münze ist gelocht.

Doch selbst mit diesem Schrottgeld lässt sich ein Millionengeschäft machen, auf Kosten der Bundesbank und damit der ganzen Gesellschaft.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat nun mehrere Büros und Wohnungen im Rhein-Main-Gebiet durchsucht - und nach der Razzia sechs Verdächtige festgenommen. Deren Tat klingt fast zu einfach, um wahr zu sein: Die beiden Teile der kaputten Euromünzen, Pille und Ring, wurden in China wieder maschinell zusammengesetzt - und die größtenteils aus China stammenden mutmaßlichen Täter im Alter von 28 bis 45 Jahren sollen das "reparierte" Geld in einer Filiale der Bundesbank erneut eingetauscht haben. Für diesen Umtausch gibt es besondere Sicherheitstaschen, die so normiert sind, dass genau 1000 Euro an Münzgeld hineinpasst.

Wie gestohlene Pfandflaschen

Aus kaputtem Geld wurde also "richtiges". Das ist, als ob jemand im Hof eines Supermarkts Pfandflaschen stiehlt und sie vorne, an der Kasse, wieder einlöst.

Der kriminelle Re-Import entwerteter Euromünzen läuft schon seit 2007. Insgesamt sollen 29 Tonnen Münzen mit einem Nennwert von sechs Millionen Euro umgetauscht worden sein. Der merkwürdige Geldkreislauf wäre ohne eine Reihe von männlichen Flugbegleitern nicht möglich gewesen. Sie transportierten die geschredderten Münzen mit dem Dienstflug nach China - und düsten mit dem gebügelten Geld wieder zurück ins Reich der Bundesbank. Doch die Stewards, einige sind bei der Lufthansa angestellt, wurden offenkundig durchgewinkt.

Beamte des Hauptzollamts am Frankfurter Flughafen hatten sich Anfang 2010 über einen Fluggast gewundert, der in seinem mehr als 30 Kilo schweren Rollkoffer einen Sack voller offenkundig nicht ganz frischer Euromünzen hatte. Wert: knapp 9000 Euro, also deutlich unter der Grenze von 10.000 Euro, ab der Geldmengen im Flugverkehr zu melden sind. Es handele sich um einen "Gefälligkeitsdienst", sagte der ertappte Südafrikaner. Bei der späteren Überprüfung seines Kontos fiel eine Überweisung über 8716 Euro für "Umwechseln Euro-Münzen" auf. Und bei weiteren Routinekontrollen am Flughafen erspähten die Kontrolleure einige Münz-Säcke im Gepäck, jedesmal zu knapp 10.000 Euro.

Die Staatsanwaltschaft begann ihre Ermittlungen wegen des illegalen Altmetallhandels (AZ 6JS/1031/09/GW).

Offenbar war die kriminelle Organisation sehr leicht an das Schrottgeld gekommen, das sie zu wirklichem Geld machte. Sie liefen einfach die Vebeg in Frankfurt an, ein Verwertungsunternehmen des Bundes. Es versteigert in regelmäßigen Abständen Münzschrott als Altmetall. Meist schlagen Metallhändler zu, aber auch Privatleute kaufen. Wem danach ist, der könne es sich ja selbst mit einem Eimer in den Keller stellen, erzählt ein Prokurist der Vebeg: "Der Schrott ist für alle da." Im vorigen Jahr hat die Firma gut 480 Tonnen Altgeld versteigert. Der Erlös, rund 1,3 Millionen Euro, floss in die Bundeskasse.

Die China-Bande jedenfalls hatte immer Nachschub für ihr verbrecherisches Geschäft. Ihr kam zugute, dass die entwerteten Euromünzen offenbar sehr leicht wieder zu reparieren sind. Schließlich hätte man sie ja auch bis zur Unkenntlichkeit plattpressen oder auch verschmelzen können. Ein klares Versäumnis. "Es darf nicht sein, dass nur Kern und Rand voneinander getrennt und diese an Altmetallhändler weitergegeben werden. Durch Erhitzen sei es dann einfach, beides wieder zusammenzufügen", erklären Bargeldexperten.

Die Staatsanwaltschaft teilt nach ihren Ermittlungen mit, dass gegen Mitarbeiter der Bundesbank kein Tatverdacht bestehe. Dort, bei den Wächtern der Währung, gehört das Vorstandsressort Bargeldversorgung nicht zu den beliebtesten Aufgabengebieten. Entsprechend häufig wechselt die Zuständigkeit. Auch der geschasste Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin war einige Monate dafür verantwortlich. Er ist als Buchautor, der sich für die Rettung Deutschlands einsetzen will, einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden.

Die Bundesbank ist sich keiner Schuld bewusst. Man sei für die Entwertung und Verwertung von Münzen nicht zuständig. Das machen ja andere. Aber vielleicht sollte doch auffallen, wenn immer wieder Personen aus China dicke Tüten mit Münzen eintauschen? Und hätte man den Trick nicht durchschauen können? Man verweist auf Stichproben. Ansonsten sei das Bundesfinanzministerium verantwortlich, das rund um die Entwertung des Geldes verschiedene Spezialfirmen beauftragt. Die unbrauchbar gemachten Münzen würden über die Vebeg "am Markt verkauft", kommentiert das Ministerium lediglich.

"Wenn die Prägeanstalten die Entwertung der Euromünzen vorschriftsmäßig durchgeführt haben, kann ich mir kaum vorstellen, dass sich diese Reste wieder zusammenkloppen lassen", erklärt die Vebeg wiederum. Die Münzen würden dann aussehen "wie eine geriffelte Mohrrübe". Und die Staatsanwaltschaft teilt mit, dass den zusammengesetzten Münzen auch gültige Euromünzen beigemischt wurden, um so den Betrug zu verschleiern. Sicher ist, dass mindestens 20 Personen involviert waren.

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SZ vom 01.04.2011/hgn
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