Betriebskrankenkassen:Versicherer vor der Zerschlagung

Zwei gesetzliche Krankenkassen melden die drohende Insolvenz an. Ist das der Anfang einer Pleitewelle?

Thomas Öchsner

Erstmals seit Einführung des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 steht eine Krankenkasse vor der Schließung. Die City BKK hat gemeinsam mit einer weiteren Betriebskrankenkasse (BKK) eine drohende Insolvenz beim zuständigen Bundesversicherungsamt angemeldet. Dies bestätigte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums am Wochenende. Bei der zweiten Kasse soll es sich nach einem Bericht des Spiegel um die BKK Heilberufe handeln. Den Versicherten entstünden durch die mögliche Zerschlagung der Kassen keine Nachteile, sagte die Ministeriumssprecherin. Experten warnten aber vor einem Dominoeffekt. Sie fürchten bei den Kassen wegen des prognostizierten Defizits von elf Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung 2011 eine Pleitewelle.

125 Jahre GKV - Versicherungskärtchen von Krankenkassen

Zwei gesetzliche Versicherer melden die drohende Insolvenz an.

(Foto: ag.dpa)

Auf der Homepage der City BKK ist die Welt noch in Ordnung: Dort verkündet die Kasse, man sei auf "Wachstumskurs" und habe im ersten Quartal 2010 etwa 1500 Versicherte als neue Mitglieder hinzugewonnen. Tatsächlich hat der Versicherer große Probleme: Die City BKK hat 2009 und 2010 etwa 50 Millionen Schulden angehäuft. Unter den mehr als 200.000 Versicherten sind viele alte und kranke Menschen mit hohen Behandlungskosten. Dies bestätigte ein Sprecher der City BKK, die seit 1. April einen Zusatzbeitrag von acht Euro pro Monat erhebt, am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Die BKK Heilberufe, die der Spiegel ebenfalls als "klamm" beschreibt, hatte bereits zum 1. Januar den maximal möglichen Zusatzbeitrag von einem Prozent des Einkommens verlangt. Trotzdem teilte die Versicherung noch Anfang Februar mit, die BKK Heilberufe sei "eine leistungsstarke Krankenkasse".

Wegen der drohenden Schließung der Kassen brauchen sich die Mitglieder keine großen Sorgen zu machen. Ihr Schutz bleibt erhalten, Behandlungen werden bezahlt. Sie müssen sich nur eine andere Krankenversicherung suchen, wenn ihre Kasse abgewickelt wird. Dabei dürfen andere Versicherer niemanden ablehnen, dessen vorherige Kasse geschlossen wurde. Dies gilt auch für Patienten, die eine chronische Krankheit haben oder teure Medikamente benötigen.

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums hat das Bundesversicherungsamt (BVA) noch bis Mitte Juli Zeit, über die Zukunft der City BKK zu entscheiden. Angeblich sollen sich das Ministerium und das BVA aber bereits auf eine Schließung zum 1. September verständigt haben. Diese Darstellung bezeichnete der Sprecher der Kasse jedoch als "die unwahrscheinlichste Lösung". Dies würde etwa 150 Millionen Euro kosten, was einige andere Versicherer selbst in Bedrängnis bringen könnte, sagte er. Für die Insolvenz einer BKK haften die übrigen Betriebskrankenkassen. Sie haben für solche Notfälle keine Rücklagen gebildet und müssen deshalb das Geld von den laufenden Ausgaben abzweigen. Der City-BKK-Sprecher hofft, dass sich jetzt mehrere Betriebskrankenkassen zu einer Fusion zusammenfinden, um eine Schließung der City BKK zu verhindern.

Hartz-IV-Empfänger "machen rüber"

Die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) hatte erst kürzlich Berichte über ein erhebliches Finanzdefizit und eine drohende Insolvenz zurückgewiesen. Die DAK verlangt von ihren knapp fünf Millionen Mitgliedern ebenfalls einen Zusatzbeitrag. Nach Einschätzung aus Branchenkreisen sollen deshalb 140.000 bis 200.000 Mitglieder die DAK verlassen haben. Neuerdings wechseln viele Hartz-IV-Empfänger die Kasse, weil sie den Zusatzbeitrag selbst zahlen müssen.

Die schwarz-gelbe Koalition hat bislang kein Konzept, wie sie 2011 die hochgerechnete Finanzlücke von elf Milliarden Euro in der Krankenversicherung stopfen will. Die Kassen selbst können bei ihrem Verwaltungsapparat sparen, ansonsten sind ihre Handlungsspielräume durch den Gesundheitsfonds begrenzt. Mit Hilfe des Fonds wollte die Regierung die Beiträge der Versicherten unter den Kassen gerechter verteilen. Je nach Alter und Gesundheitszustand der Mitglieder erhalten die Kassen aus dem Fonds Zuweisungen. Er gilt jedoch bereits in diesem Jahr als unterfinanziert.

Zwar können die Kassen zu dem von der Bundesregierung festgesetzten Standard-Beitragssatz von 14,9 Prozent einen Zusatzbeitrag erheben. Ihre Versicherten um Extra-Geld bitten sie jedoch sehr ungern, weil dies in der Regel einen Wechsel der Mitglieder nach sich zieht. Dies führt zu einem fragwürdigen Wettbewerb unter den Kassen. Jeder versucht, so lange wie möglich keine Schwäche zu zeigen - in der Hoffnung, dass die Konkurrenz früher einknickt und so Mitglieder verliert. Diese wandern dann zu den Kassen, die es länger ohne Zusatzbeitrag durchgehalten haben.

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