Besuch beim Nobelpreisträger:Yunus kritisiert Umgang mit Arbeitslosen

Muhammad Yunus

"Eigentlich dachte ich, dass sich durch die Finanzkrise etwas grundsätzlich ändern würde", sagt Wirtschaftsnobelpreisträger Muhammad Yunus (hier auf einem Archivbild von 2011).

(Foto: AFP)

Wie Löwen im Käfig: Der bengalische Nobelpreisträger Muhammad Yunus hält den Umgang mit Arbeitslosen für entwürdigend. Von Frankfurt aus reist der Professor um die Welt und wirbt für eine Abkehr vom Profitdenken.

Von Markus Zydra, Frankfurt

"Nein, nein." Muhammad Yunus, 74, wehrt ab. "Frustriert bin ich nie, ich schöpfe Kraft daraus, wenn die Leute mich verstehen." Man möchte ihm das glauben, aber die Frage nach der Frustration schien zumindest naheliegend, weil Yunus bei seinen öffentlichen Auftritten immerhin eine neue globale Wirtschaftsordnung einfordert: eine, in der "die Obsession Geld" nicht mehr die treibende Kraft darstelle.

Angesichts der Tatsache, dass die Weltwirtschaft immer noch sehr geld- und profitgetrieben daherkommt, mag man sich wundern, woher der sanft wirkende Mann die Kraft zum ständigen Weitermachen schöpft. Zuletzt war er in Rom bei Papst Franziskus zu Gast - auch das Oberhaupt der katholischen Kirche lauschte dem Friedensnobelpreisträger aus Bangladesch, der Unternehmer auffordert, "soziale Probleme zu lösen, anstatt sie zu schaffen".

Von Frankfurt bis Haiti

An diesem Nachmittag sitzt Yunus in den Büroräumen der Frankfurter Yunus-Social-Business-Zentrale im alten Pelzviertel der Stadt unweit des Bahnhofs. Aus der Main-Stadt heraus werden die globalen Aktivitäten auf Haiti, in Tunesien und anderen Ländern gesteuert. Yunus vergibt Kredite an junge Unternehmer in diesen Ländern. Das Geld dafür sammelt er von Investoren ein, die zwar auf den Zinsertrag verzichten - ihr Geld aber zurückerhalten, wenn das Unternehmen erfolgreich ist.

Das ist mehr als eine anonyme Spende, da man erfährt, wohin das Kapital fließt und was damit bewegt wird. Das ist aber auch weniger, als man woanders mit seinem Geld erwirtschaften könnte.

Anfangs verhalf Yunus Frauen zur Unabhängigkeit

Yunus ist ein gern gesehener Gast. Führende Politiker und Wirtschaftsbosse gleichermaßen sonnen sich in der Gegenwart des Wirtschaftsprofessors, der in seiner Heimat in den 1970er- und 1980er-Jahren vor allem Frauen mit kleinen Krediten zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit verholfen hat. Yunus setzt den Gesprächspartnern immer den gleichen Floh ins Ohr.

Warum es denn heutzutage so viele Arbeitslose gebe, zu Zeiten der Höhlenmenschen hingegen nicht? Er geißelt den Sozialstaat, der Arbeitslosen durch die Überweisung von Arbeitslosengeld die Würde nehme. "Die Betroffenen werden wie Löwen im Käfig gehalten, sie können sich nicht entfalten." Man müsse mehr machen, die Talente der Leute fördern, sagt Yunus. Viele Menschen hätten das Zeug zur Selbständigkeit - sie müsse nur finanziert werden.

Knauserig wenn es ums Geld geht

Doch so gern die Eliten Yunus zuhören - wenn es ums Geld geht, grassiert dann auch bald die Knauserigkeit. Die wenigsten Millionäre, Stiftungen, Pensionskassen und Fonds sind bereit, Sozialunternehmen über Yunus zu fördern. Die meisten wollen Profit - genau das aber lehnt Yunus ab. "Eine Firma soll Geld verdienen, doch der Profit muss nach Abzug der Kosten und Gehälter zurück ins Unternehmen fließen - nicht an die Eigentümer", sagt Yunus.

Man müsse da eindeutige Grenzen setzen, es sei wie beim Rauchen. "Wer ausnahmsweise eine Zigarette raucht, der möchte bald auch eine zweite. So ist es mit dem Profit." Yunus schwebt stattdessen eine auf Partnerschaft basierende Wirtschaftsordnung vor: "Eine Ordnung, in der man nicht als Angestellter arbeitet, sondern als Partner."

Mit diesen radikalen Forderungen reist Yunus um die Welt. An diesem Nachmittag in Frankfurt, später am selben Abend an der deutsch-polnischen Grenze beim Festival "Haltestelle Woodstock".

Ärger in der Heimat

Dabei hat der Missionar Ärger im Heimatland. Die dortige Regierung hat ihm den Chefposten bei seiner Grameen-Bank genommen. Yunus klagt gegen den Beschluss, der Streit belastet ihn seit Jahren.

Doch er bleibt hart, auch in seiner Mission. "Eigentlich dachte ich, dass sich durch die Finanzkrise etwas grundsätzlich ändern würde", sagt Yunus. "Aber es ist alles beim Alten geblieben. Wir müssen an den Schulen unseren Kindern beibringen, dass der Mensch mehr braucht als viel Geld."

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