Bespitzelung:Gerling ließ Mitarbeiter überwachen

Unliebsamer Informant gesucht: Der Versicherer Gerling hat Telefon- und E-Mail-Daten von Mitarbeitern ausspioniert - nun distanziert sich Konzernchef Haas.

Obwohl der heutige Mutterkonzern Talanx das Vorgehen als "juristisch zulässig" bewertet, distanzierte sich Konzernchef Herbert K. Haas am Montag von dem Vorgehen.

Bespitzelung: Der in Köln ansässige Versicherer Gerling hat seine Mitarbeiter ausspionieren lassen.

Der in Köln ansässige Versicherer Gerling hat seine Mitarbeiter ausspionieren lassen.

(Foto: Foto: ddp)

Talanx bestätigte in Hannover, dass Gerling im Jahr 2004 über einen Zeitraum von zehn Tagen Verbindungsdaten dienstlicher Telefone und E-Mail-Accounts mehrerer Mitarbeiter ausgewertet hatte. Dabei sei es jedoch nicht um die Inhalte der Anrufe und Mails gegangen, sondern nur um Nummern und Adressen, teilte Talanx mit.

Auf der Suche nach undichter Stelle

Gerling habe herausfinden wollen, welcher Mitarbeiter Interna an die Zeitschrift Capital verraten hatte, sagte ein Sprecher. Der Mitarbeiter sei aber nicht gefunden worden. Nach Informationen der Financial Times Deutschland ging es um einen Artikel vom Februar 2004, in dem Capital über gekürzte Betriebsrenten bei Gerling berichtet hatte. 2006 wurde Gerling von Talanx übernommen.

"Sofort nach dem Hinweis der FTD hat Talanx Nachforschungen angestellt, um den Sachverhalt auszuklären", teilte die drittgrößte deutsche Versicherungsgruppe mit. Eine juristische Prüfung habe ergeben, dass der Zugriff auf die Verbindungsdaten der Mitarbeiter im konkreten Fall zulässig gewesen sei, "weil der begründete Verdacht bestand, dass Geschäftsgeheimnisse von Gerling über dienstliche Kommunikationseinrichtungen an die Presse weitergegeben worden waren".

Juristisch zulässig, aber kein geeignetes Mittel

Talanx-Chef Haas stellte in einer Pressemitteilung klar: "Auch wenn wir die Weitergabe von Betriebsinterna verurteilen und die Nachforschungen des damaligen Gerling-Managements juristisch zulässig waren, halten wir solche Untersuchungen für kein geeignetes Mittel." Über den vorliegenden Fall hinaus lägen Talanx keine Erkenntnisse über weitere Fälle vor.

In den vergangenen Monaten hatte eine Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom Schlagzeilen gemacht. Das Unternehmen räumte ein, dass im Jahr 2005 und wohl auch 2006 widerrechtlich Verbindungsdaten ausgewertet worden waren. Ziel war nach Angaben aus Konzernkreisen, herauszufinden, wer die Medien mit vertraulichen Informationen versorgte.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem gegen den damaligen Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke und den ehemaligen Vorsitzenden des Telekom-Aufsichtsrates, Klaus Zumwinkel. Ein Talanx-Sprecher wollte sich am Montag nicht zu der Frage äußern, warum die Auswertung der Mitarbeiterdaten bei Gerling zulässig gewesen sein soll, während sie bei der Telekom Ermittlungen nach sich zog.

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