Bernard Madoff: 150 Jahre Gefängnis:Lebenslanger Ruin

Der Finanzbetrüger Bernard Madoff hat weltweit Tausende Anleger um Milliarden Dollar gebracht - nun geht er in den Knast. Bis an sein Lebensende.

Moritz Koch, New York

Immer wieder nennen sie ihn ein Monster, das niemals freigelassen werden dürfe. 113 Opfer des Milliardenschwindlers Bernard Madoff haben dem Richter Denny Chin in Briefen von ihrem Leid berichtet. Es sind Zeilen voller Wut und Verzweiflung. Da ist zum Beispiel Natalie Erger, deren Ehemann sein gesamtes Vermögen verloren und jetzt mit 75 Jahren einen Job in einem Bagel-Laden angenommen hat. Erger schreibt, Bernard Madoff habe sie zu lebenslangem Ruin und emotionaler Ruhelosigkeit verurteilt. Am Montag, mehr als ein halbes Jahr nach seiner Festnahme, erhielt der Betrüger nun sein Urteil.

Madoff, AFP

150 Jahre Gefängnis: Bernard Madoff.

(Foto: Foto: AFP)

Das New Yorker Gericht verurteilte Madoff, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, zu 150 Jahren Haft. Die Verteidigung hatte angesichts des Alters von Madoff, er ist 71 Jahre alt, auf höchstens zwölf Jahre plädiert. Prozessbeobachter hatten 20 bis 25 Jahre erwartet. Mit der Verurteilung ist der Fall aus Sicht der Opfer aber nicht abgeschlossen. Sie hegen den Verdacht, dass der Finanzier nicht allein gehandelt hat. Madoffs Frau Ruth, die beiden Söhne Andrew und Mark und sein Bruder Peter könnten Komplizen gewesen sein. Dafür spricht, dass sie in Bernard Madoffs Firma arbeiteten. Doch die Staatsanwaltschaft wirft den Angehörigen nichts vor. Zumindest bisher.

Gewaltiges Schneeballsystem

Bernard Madoff, der mutmaßlich größte Betrüger der Finanzgeschichte, will ein Einzeltäter gewesen sein. So sagte er es bei seinem Geständnis im Dezember, und so wiederholte er es im März vor Gericht, als er sich in allen Anklagepunkten schuldig bekannte, darunter der Geldwäsche, des Diebstahls und der Urkundenfälschung. Er betrieb ein Schneeballsystem gewaltigen Ausmaßes. Der Staatsanwaltschaft zufolge jonglierte er über die Jahre hinweg mit mehr als 170 Milliarden Dollar. Im November, wenige Wochen vor seiner Verhaftung, standen in den Büchern seiner Investmentfirma noch etwa 65 Milliarden Dollar. Nur ein Bruchteil davon ist übrig geblieben.

Anstatt das Geld zu investieren, das er bei Anlegern einsammelte, parkte er es auf Tarnkonten. Forderten Investoren ihr Kapital zurück, bediente sie Madoff aus dem Pool der Einlagen der anderen Anleger. Das System beruhte damit auf seiner Fähigkeit, ständig neue Sparer aufzutreiben. Lange Zeit schaffte Madoff das, nach seiner eigenen Darstellung waren es etwa 20 Jahre. Doch als nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im vergangenen Herbst die Amerikaner das Vertrauen in die Finanzmärkte verloren, fanden sich keine Investoren mehr. Gleichzeitig forderten immer mehr Sparer ihr Geld zurück. Der Schwindel flog auf.

Zu Madoffs Opfern zählen Banken, Investmentfirmen, Universitäten, Stiftungen und Privatleute rund um den Globus. Ein Hedgefonds-Manager, der Madoff mehr als eine Milliarde Dollar überlassen hatte, nahm sich sogar das Leben. Die meisten Betrogenen sind Juden, etwa der Holocaust-Überlebende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel. Madoff war ein engagiertes Mitglied der jüdischen Gemeinde, sowohl in New York, als auch in seinem Feriendomizil Palm Beach. Er galt als Philanthrop, zurückhaltend und kultiviert. Madoff bewegte sich im Kreis der Superreichen, war selbst Multimillionär, trug die Insignien des Wohlstands jedoch nicht vor sich her. Seine Ferienhäuser in Palm Beach und auf Long Island waren eher unauffällig, seine Motorboote relativ bescheiden.

Wenn nichts geschieht

Trotz aller Tarnung: Es gab Hinweise auf Madoffs Betrug, spätestens Ende der neunziger Jahre, als der Fondsverwalter Harry Markopolos die Börsenaufsicht SEC wegen bilanzieller Ungereimtheiten bei Madoff alarmierte. Doch nichts geschah. Als Jahre später doch ein Verfahren eingeleitet wurde, stellten es die Ermittler schnell wieder ein. Madoff umgab eine fast magische Aura, von der sich offenbar auch die Aufseher blenden ließen. Seine Kunden verehrten ihn, sahen in ihm einen Hochbegabten, der auf wundersame Weise dem Auf und Ab der Märkte trotzte. Seinen Erfolg nahmen sie als Ausweis seiner Seriosität.

Es gibt kein Zurück

Madoff stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Er ist im New Yorker Stadtteil Queens aufgewachsen. Mit 5000 Dollar, die er sich als Rettungsschwimmer zusammengespart hatte, trieb es ihn an die Wall Street. Seine Spekulationsgewinne nutzte er zum Aufbau seiner Firma. Als Mitbegründer und Verwaltungsratschef der Technologie-Börse Nasdaq verfügte Madoff über ein hochangesehenes Amt. So sicher fühlten sich seine Kunden bei ihm, dass sie ihm den Spitznamen Jewish T-Bill gaben, jüdische Staatsanleihe. Madoff war ihre Altersvorsorge. Jetzt stehen sie vor dem Nichts.

Renditen - auch im Abschwung

Bei der Verhandlung im März sprach Madoff von Reue und Scham. Seine Kunden hätten, wie alle Investoren, unerfüllbare Erwartungen gehabt, sagte Madoff: Sie wollten beständige Renditen, auch in Zeiten des Abschwungs. Diesem Wunsch habe er entsprechen wollen, "koste es, was es wolle". Die Konstruktion seines Schneeballsystems war die logische Konsequenz aus seinem fehlgeleiteten Ehrgeiz. Anfangs habe er geglaubt, sich nur kurzfristig mit illegalen Mitteln behelfen zu müssen, so Madoff. Dann sei ihm klar geworden: Es gibt kein Zurück mehr.

Inzwischen hat die SEC die Ermittlungen ausgeweitet. Sie verdächtigt Finanzberater, in Madoffs Betrug verwickelt zu sein. Sie sollen ihm gegen Kommission neue Klienten zugeführt haben. Einer der Verdächtigen ist Robert Jaffe aus Palm Beach. Der Fall ist besonders brisant. Jaffes Schwiegervater Carl Shapiro hat 400 Millionen Dollar in dem Schneeballsystem verloren.

Gegen Madoffs Familie wird weiterhin nicht ermittelt. Gestraft sind sie bereits, könnte man sagen, insbesondere seine Frau Ruth. Sie wird in New York als Ausgestoßene behandelt. Selbst ihr Friseur weigert sich, sie zu bedienen. Ihre Wohnung in Manhattan muss sie verkaufen, ebenso die Ferienhäuser, die Kunstsammlung und die Boote. Aus den erwarteten Erlösen von 80 Millionen Dollar sollen die Ansprüche der Opfer bedient werden. 2,5 Millionen Dollar darf Ruth Madoff behalten. Darauf einigte sie sich am Wochenende mit dem Gericht. Aus Sicht der Betrogenen ist das zu viel. Sie wollen, dass ihr nichts bleibt. So wie ihnen.

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