Berliner Regierungsviertel:Kultur und Konsum

Sandwüste statt stählerner Glaspalast: Wegen des Streits um den Bau einer "zweiten Museumsinsel" verzögert sich in Berlin das gesamte Entwicklungsprojekt Humboldthafen.

St. Uhlmann

Eigentlich schien von Klaus Wowereit alles schlau arrangiert zu sein. Berlins Regierender Bürgermeister wollte trotz chronisch leerer Kassen der Hauptstadt einen neuen "Kunst- und Kulturstandort von internationalem Rang" bescheren - an prominenter Stelle, unweit des neuen Hauptbahnhofs der Stadt, mitten im Regierungsviertel.

Entwicklungsprojekt Humboldthafen

So soll es eines Tages aussehen, das Entwicklungsprojekt Humboldthafen.

(Foto: Foto: dpa)

Der stählerne Glaspalast der Bahn ist noch mit viel Sandwüste umgeben, die nun Schritt für Schritt erschlossen werden soll. Dazu gehört auch ein fast 35.000 Quadratmeter großes, trichterförmiges Hafenbecken, das Mitte des neunzehnten Jahrhunderts nördlich des Spreebogens angelegt und auf den Namen Humboldthafen getauft worden war. Zur Blüte als Warenumschlageplatz und Verkehrsknotenpunkt aber reifte das Becken nie. So dümpeln Kalksteinufer, Wassertreppen und Granitrampen nun schon seit Jahrzehnten vor sich hin.

Genau dort aber sollen nach Plänen des Senats jetzt zwei jeweils circa 2000 Quadratmeter große Ausstellungsstätten für moderne zeitgenössische Kunst des 21. Jahrhunderts entstehen: zum einen ein privates Museum, zum anderen eine städtische Halle, die im Besitz des Landes Berlin verbleibt. Den Bau der Kunsthäuser, die zusammen mit den angrenzenden Museum für die Kunst des 20.Jahrhunderts im Hamburger Bahnhof und der benachbarten Flick-Collection in der Rieckhalle eine "zweite Berliner Museumsinsel" bilden sollen, wollte der Regierende Bürgermeister ausschließlich privat finanzieren.

Günstige finanzielle Bedingungen

Gesucht wurde daher per EU-Ausschreibung ein Investor, der sich zu diesem kulturellen Engagement verpflichtet und dafür im Gegenzug zu günstigen finanziellen Bedingungen ein 24.000 Quadratmeter großes Quartier zur kommerziellen Nutzung am Humboldthafen erhält. Die Ausschreibung aber geriet für den Senat zum Flop. Ende Januar dieses Jahres musste der Liegenschaftsfonds des Senats eingestehen, dass es keinen "geeigneten Bewerber" für das Projekt Humboldthafen gebe.

Wowereits Vorstoß, den Bau quasi durch den Tausch gegen ein Grundstück zu ermöglichen, ist damit gescheitert. Der Schaden aber ist größer, denn nicht nur der Bau der Kunsthalle steht nun in den Sternen, sondern auch das gesamte Entwicklungsprojekt in bester Citylage ist damit zumindest vorerst gestoppt.

Dabei hatten sich in der Vergangenheit Stadtplaner, Lokalpolitiker oder private Investoren mit ihren Visionen zum Humboldthafen gegenseitig Konkurrenz gemacht. Eine Idylle sollte entstehen, etwa mit Wassertaxis im New Yorker Stil. Dazu ein historisches Hafenbecken, an dessen Kais alte Dreimaster und Dampfschiffe ankerten. Berlins Grüne regten einen riesigen Blumenmarkt an, die Gastronomielobby sah Cafés und Restaurants in bester Wasserlage - Venedig lässt grüßen. Tatsächlich abgesegnet hat der Berliner Senat bisher nur die grobe Planung für 48.000 Quadratmeter Geschossfläche. Für dieses Terrain ist eine Mischnutzung aus Gewerbe, Dienstleistung, Kultur und Wohnen vorgesehen. Mehr als ein Drittel der Geschossfläche seien für das Wohnen in maritimer Umgebung vorgesehen, versichert Ingrid Dähne vom Berliner Liegenschaftsfonds. Freilich werde dieses Areal, das zu den begehrtesten Entwicklungsstandorten Berlins gehört, keineswegs ein "Schnäppchen" für Investoren und spätere Nutzer sein.

Vorbild Liverpool

Trotz des zwischenzeitlichen Rückschlags glauben die Stadtplaner noch immer fest daran, dass das Ensemble aus Hotels, Büros, Gewerbe, Restaurants, Cafés, Kunststätten und Wohnungen von 2013 an Realität sein wird. Der Humboldthafen soll sich dabei an solchen Vorbildern wie den Albert Docks in Liverpool messen lassen, wo die Symbiose aus Kultur und Konsum sowie aus Wohnen und Dienstleistungen das Bild der englischen Großstadt nachhaltig verändert hat.

Indes bleibt offen, ob dieses ehrgeizige Vorhaben in Berlin auch in vollem Umfange und im vorgegebenen Zeitraum verwirklicht werden kann. Für Experten ist das jähe Ende des Ausschreibungsverfahrens nicht zuletzt ein Fingerzeig dafür, dass die Finanzmarktkrise mehr und mehr auch auf die hauptstädtischen Immobilienprojekte durchschlägt. Hinzu komme der fehlende Bedarf an weiteren Wohn-, Dienstleistungs- und Gewerbeimmobilien in der Stadt. So steht derzeit nicht nur am Humboldthafen noch kein Stein auf dem anderen. Auch an anderen Standorten, beispielsweise dem Alexanderplatz oder dem östlichen Spreeraum (Media Spree) dreht sich kaum noch ein Kran.

Den Regierenden Bürgermeister aber ficht das nicht an. "Zur Not bauen wir allein", betont Wowereit allerorts. Damit aber ist freilich nur die städtische Kunsthalle gemeint.

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