Süddeutsche Zeitung

Berichte aus der Praxis:Prüfen, zuhören, argumentieren, vermitteln

Verwaltungsbeiräte müssen verschiedene Interessen zusammenführen. Drei Vorsitzende, die Krisen unterschiedlicher Art gemeistert haben, erzählen von den Besonderheiten ihrer WEGs.

Vom Verwalter betrogen

Wie viele andere Beiräte auch hatte Dieter Michaelis nie vor, dieses Ehrenamt zu übernehmen. Schon gar nicht 1969, als er Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft in der Nähe des Wannsees wurde. Inzwischen engagiert er sich - mit Unterbrechung - seit 36 Jahren als Beirat dieser WEG: "Ich bin voller Begeisterung für dieses Amt." Mit seiner Eigentümergemeinschaft hat er schon schwere Krisen durchlebt und gemeistert. Für eine von der Verwaltung empfohlene Sanierung von Balkonen und Vordächern der Hauseingänge "sind wir 1990 unsere gesamten Rücklagen losgeworden", berichtet Michaelis. "Die WEG hat damals einer Betonsanierung zugestimmt, die laut Kostenvoranschlag knapp 100 000 Mark kosten sollte. Letztlich mussten wir mehr als 200 000 Mark bezahlen." Der Beirat, dem Michaelis zu dieser Zeit nicht angehörte, habe leichtfertig die zusätzlichen und angeblich notwendigen Forderungen der Sanierungsfirma genehmigt. Der Verwalter, der offenbar eine Vorliebe für diese Firma hegte, habe die WEG nicht über die gestiegenen Kosten informiert. "Da habe ich mir geschworen: So etwas darf nie wieder passieren."

Künftig schaute er bei finanziellen Angelegenheiten mit Argusaugen hin. Michaelis hilft bei seinem Ehrenamt, "dass ich mal Bilanzbuchhaltung gelernt habe". Außerdem hat er verschiedene Fortbildungen für Beiräte absolviert.

Da er sich von der damaligen Verwaltung betrogen fühlte, sorgte Michaelis dafür, dass in den Verwaltervertrag eine spezielle Passage eingeflochten wurde. Sie legt fest, dass der Verwalter bestehende Verträge nie mehr ändern oder verlängern darf, ohne sich mit dem Beirat abzustimmen. "Doch unsere damalige Verwaltung, die Gagfah, hat den Vertrag mit einem Energieversorger einfach verändert, ohne die WEG und den Beirat zu fragen. Das bedeutet, dass wir für die vergangenen zwei Abrechnungsperioden etwa 80 000 Mark an Heizkosten zusätzlich zahlen mussten." Die WEG drohte daraufhin mit einer Klage und verwies auf den neuen Passus im Verwaltervertrag. Das Geld bekam sie zwar zurück, aber von ihrer Verwaltung hatte sie genug. "Wegen dieses Vertrauensbruchs haben wir den Verwaltervertrag fristlos gekündigt", erinnert sich Michaelis.

Inzwischen hat seine WEG festgelegt, dass der Verwalter keine Rechnung mehr bezahlen darf, ohne dass der Beirat diese genehmigt. "Erst muss der Beirat prüfen, ob Reparaturarbeiten ordentlich erledigt wurden", sagt er. Wenn die Verwaltung Unternehmen für bestimmte Arbeiten vorschlage, sei Skepsis angebracht. "In unserer WEG sucht heute der Beirat die Handwerksfirmen und die Architekten. Häufig verhält es sich so, dass die Angebote, die der Verwalter eingeholt hat, teurer sind als diejenigen, die der Beirat besorgt hat."

Erst vor wenigen Wochen ist Michaelis als Beiratsvorsitzender bestätigt worden - für einen Zeitraum von fünf Jahren. Das motiviert ihn sehr. Doch da er ein vorausschauender Mensch ist, sieht er sich schon seit einiger Zeit nach potenziellen Nachfolgern um: "Leider hat keiner Interesse."

Frauenpower für die WEG

Veronika Klinke kann ein Lied davon singen, dass einen der eigene Besitz irgendwie auch besitzt. Als Verwaltungsbeirätin kümmert sie sich um ein 45 Jahre altes Zehnparteienhaus und deren Bewohner. "Ein Problem mit der Feuchtigkeit in Mauerwerk und Decken gab es bei diesem Mehrfamilienhaus mit Flachdächern schon immer", berichtet sie. In der Wohnung, in der Klinke seit 20 Jahren lebt, "war wegen der Feuchtigkeit die Decke in der Speisekammer runtergebrochen".

Seit 2007 ist Klinke mit Unterbrechung Verwaltungsbeirätin und wendet mal vier Stunden pro Monat, mal 30 Stunden für ihr Ehrenamt auf, "das kommt darauf an, was gerade so passiert. Vor Kurzem war viel los, weil ich Handwerker beaufsichtigen musste. Jetzt hoffen wir, die Feuchtigkeit endlich aus dem Haus zu haben". Als Krankenschwester, die 20 Jahre lang ein Altenheim leitete, habe sie "ein bisschen Ahnung von Betriebswirtschaft und von Umbauten in größeren Objekten". Diese Kenntnisse nützen ihr auch als Beirätin.

Als nächstes größeres Projekt in der WEG sei die Renovierung des "vergammelten Hauseingangs" dran. "Davor hatten wir seit Jahren Sanierungsstau, weil der Verwalter die Beschlüsse nicht umgesetzt hatte." Sie sieht es als "Problem, dass jeder Hausverwaltung machen kann. Es gibt in Deutschland keine allgemein gültigen Qualifikationsnachweise". Allerdings sei auch der einstige Verwaltungsbeirat phlegmatisch gewesen, erinnert sich Klinke.

Der frühere Verwalter hatte sich verbeten, dass die Beiratsmitglieder selbst Handwerkerangebote einholen. Klinke ist bekannt als Mensch, der sich traut, anderen die Stirn zu bieten, und hielt dagegen: "Aber es ist unser Haus. Sie sind Dienstleister der WEG." Für Männer "in diesem Metier" sei es "noch immer ein Problem, mit Frauen zu verhandeln. Heute wie damals sind wir drei Frauen im Beirat". Sie ist froh, dass der frühere Verwalter seinen Vertrag nicht verlängern wollte; die Kooperation mit der neuen Verwalterin sei "vertrauensvoll". Für Klinke ist der Werterhalt des Hauses wichtig, dafür will sie selbst aktiv etwas tun. Der Vorzug des Engagements für eine kleine WEG bestehe darin, "dass es relativ wenige Leute sind, mit denen man sich kurzschließen muss. Wir kennen uns alle".

Konflikte gibt es trotzdem. "Nicht nur der Verwalter kann nerven, sondern auch Eigentümer." Klinke hat es erst vor Kurzem erlebt, dass die WEG einhellig einen Beschluss fasste, von dem ein einzelner Eigner dann wieder abrückte. "So jemand ruft dann immer wieder an und schreibt E-Mails, weil er Zweifel an seiner Entscheidung hat, und verlangt nach einem Gutachter. Das ist aussichtslos", sagt sie, "es war ja ein einstimmiger Beschluss."

Selbstnutzer contra Vermieter

Auch als eine Art von Schule im Fach Diplomatie betrachtet Ronny dos Santos seine Tätigkeit als Verwaltungsbeirat, denn seine WEG ist konzipiert wie ein kleines Stadtviertel, mit Wohnungen, Büros, Kiosk, Apotheke, Gastronomie. "Da stoßen viele unterschiedliche Interessen aufeinander. Ich höre mir die einzelnen Standpunkte an und versuche, einen Kompromiss zu finden." Vor Kurzem gab es zum Beispiel eine Diskussion wegen eines Restaurants mit Bewirtung im Freien, zusätzliche Stellplätze sollen entstehen. Die Anwohner befürchten eine größere Lärmbelästigung und mehr Publikumsverkehr, das Anliegen des Gewerbeeigentümers ist dagegen eine gute Auslastung des Restaurants. "Wir haben die Stellplätze genehmigt - vorläufig", berichtet dos Santos.

Häufig gebe es auch Konflikte zwischen Selbstnutzern und Eigentümern, die ihre Immobilie vermieten. "Gerade bei Renovierungen - die sind sowieso ein großes Thema", sagt dos Santos. "Da unser Objekt Anfang der Siebzigerjahre entstand, fällt auf diesem Gebiet einiges an." Solange die jeweilige Wohnung vermietet ist, haben viele Eigentümer wenig Interesse an einer Sanierung, hat der 38-Jährige beobachtet. Ein besonderes Interesse am Werterhalt ihrer Wohnung hätten vor allem jüngere Selbstnutzer, ältere Selbstnutzer würden sich hingegen oft querstellen. "Manche sagen, ich hab' ja nur eine geringe Rente und lebe vielleicht nur noch ein paar Jahre, warum soll ich da renovieren", beschreibt der Beirat deren Standpunkt.

So anstrengend das Ehrenamt, dem er sich seit zwei Jahren intensiv widmet, auch ist - ihm gefällt sehr, "dass ich daher top informiert bin, was in der WEG so los ist, und dass ich selber etwas voranbringen kann". Unlängst war er im Quartier unterwegs und entdeckte, dass Eigentümer in Tiefgaragen Elektronikschrott oder große Bilderrahmen gelagert hatten. "Das geht schon allein aus Sicherheitsgründen nicht", sagt er. Solche Themen trägt dos Santos direkt an die Verwaltung heran, damit sie dafür sorgt, dass der Krempel verschwindet.

Ein Thema, über das hingegen die Eigentümerversammlung abstimmen muss, ist die Sanierung von Fenstern, denn sie gehören zum Gemeinschaftseigentum. "Bei diesem Thema konnten sich die Eigentümer einfach nicht einigen", erzählt dos Santos. "Bei einer so großen WEG kriegen Sie ohnehin nie einen einstimmigen Beschluss hin, allenfalls Mehrheitsbeschlüsse", ergänzt er. Und wie ging es in diesem Fall weiter? Die einen renovierten in Eigenregie, die anderen nicht. "Jetzt haben wir alle möglichen Arten von Fenstern hier, vom alten einfach verglasten Holzfenster bis hin zur supermodernen dreifach verglasten Scheibe."

Mehr als "dieser Riesen-Flickenteppich", wie er sagt, stört den Beiratsvorsitzenden allerdings das geltende Wohnungseigentumsgesetz. "Das WEG-Gesetz ist uralt, es stammt von 1951, und seitdem gab es nur ein paar kleinere Novellen. Das Gesetz müsste dringend mal reformiert werden, zum Beispiel im Hinblick auf die Unterschiede zwischen großen und kleinen WEGs. Man müsste auch spezielle Regeln für Gemeinschaften mit einer Mischung von Wohn- und Gewerbeeigentümern festlegen", findet er.

Dieser Mix führe in seiner WEG zu "besonders komplizierten Jahresabrechnungen". Obwohl dos Santos im Finanzsektor eines großen Bestattungsunternehmens tätig ist, steht er da manchmal auf dem Schlauch. Idealerweise habe man im Verwaltungsbeirat auch jemanden mit technischen und juristischen Fachkenntnissen - "das ist bei uns leider nicht der Fall". Doch dos Santos versucht, sich so viel Wissen wie möglich anzueignen und nimmt regelmäßig an Fortbildungen teil. "Unsere WEG übernimmt nun auch die Fortbildungskosten für den Verwaltungsbeirat. Ich bin stolz darauf, dass ich das erreicht habe."

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Quelle:
SZ vom 22.09.2017
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