Süddeutsche Zeitung

Berechnungen zu den Hilfen für Autofahrer:Eine höhere Pendlerpauschale ist sozial ungerecht

Angesichts der hohen Kraftstoffpreise setzt sich die FDP für eine erhöhte Pendlerpauschale ein. Wem würde eine Erhöhung nützen? Steuerprofessor Frank Hechtner hat im Auftrag der "Süddeutschen Zeitung" errechnet: Vor allem Gutverdiener und Alleinstehende würden von der Anhebung um zehn Cent profitieren - geringere Einkommen könnten leer ausgehen.

Guido Bohsem, Berlin

Eine höhere Entfernungspauschale würde vielen Autofahrern keinen oder nur einen geringen Vorteil bringen. Das ergibt sich aus Berechnungen des Berliner Steuerprofessors Frank Hechtner für die Süddeutsche Zeitung. Demnach profitierten vor allem gut verdienende Alleinstehende. Wer ein geringes Einkommen hat oder eine Familie ernähren muss, geht unter Umständen sogar leer aus.

Für eine höhere Pauschale setzt sich FDP-Chef Philipp Rösler angesichts der stark gestiegenen Kraftstoff-Preise ein, gegen heftigen Widerstand der Union. Hechtner hat die Auswirkungen einer um zehn auf 40 Cent steigenden Pendlerpauschale für verschiedene Gehaltsgruppen und Entfernungen berechnet. Generell lässt sich anhand der Ergebnisse sagen, dass Geringverdiener deutlich weniger von einer höheren Pendlerpauschale profitieren würden als Spitzenverdiener. Das liegt in der Logik des Einkommensteuertarifs, bei dem besserverdienende Arbeitnehmer auch überproportional höhere Steuern zahlen müssen als Niedriglöhner.

Wer 2500 Euro im Monat verdient und 40 Kilometer von seiner Arbeit entfernt wohnt, würde bei einer höheren Pendlerpauschale eine jährliche Steuererleichterung von 284 Euro erhalten. Verdient er 6000 Euro, müsste er 425 Euro weniger an den Fiskus zahlen, obwohl die Ausgaben für den Liter Benzin oder Diesel gleich hoch wären. Wegen höherer Freibeträge fallen die Erleichterungen für Familien noch niedriger aus: Wer 2500 Euro verdient und 40 Kilometer fährt, spart nach Hechtners Berechnungen im Jahr 188 Euro Steuern. Bei einem Einkommen von 6000 Euro wären es 319 Euro.

Ganz leer gingen Autofahrer aus, deren Arbeitsweg weniger als zehn Kilometer lang ist. Egal, wie viel sie verdienen, sie würden auch bei einer höheren Pendlerpauschale keinen Steuernachlass erhalten. Das liegt daran, dass die Werbungskosten auch mit der höheren Pendlerpauschale unter dem Arbeitnehmer-Freibetrag von 1000 Euro lägen, den alle Steuerzahler angeben können.

Wegen der hohen Spritpreise haben nach Einschätzung des ADAC viele Menschen an den Osterfeiertagen auf einen Ausflug oder eine Reise mit dem Auto verzichtet: "Wir hatten früher zu Ostern immer richtig Verkehr, dieses Jahr aber ist kaum jemand mit dem Auto weggefahren", sagte eine Sprecherin am Montag. Zu Beginn der Osterfeiertage waren die Preise für einen Liter Super-Benzin auf 1,70 Euro und mehr gestiegen.

FDP-Chef Rösler verwies auf die zusätzlichen Einnahmen bei der Mehrwertsteuer, die ein höherer Spritpreis mit sich bringe. Das könne die Grundlage für eine Neuberechnung der Pendlerpauschale sein, sagte der Wirtschaftsminister der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Durch eine Anhebung der Entfernungspauschale um zehn Cent würde der Staat auf Einnahmen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro verzichten. Der derzeitige Satz gilt seit 2004. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies Röslers Forderung scharf zurück. "Steuerlich sehe ich keine Möglichkeit, den Spritpreis zu senken", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) dagegen will bei anhaltend hohen Benzinpreisen die Pauschale erhöhen. Sollten die Preise nicht sinken, "muss man darüber diskutieren, die Pendlerpauschale zu erhöhen", sagte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen der Welt am Sonntag. SPD-Fraktionschef Steinmeier sagte, die Debatte zeige "das Chaos in der Koalition". Diese streite nur und bewege nichts.

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SZ vom 10.04.2012/mkoh
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