Beratung in der Bank:Das Grundübel der Geldanlage

Sie beraten nicht, sie zocken ab: Spätestens seit der Finanzkrise haben Bankberater einen schlechten Ruf, versteckte Verkaufsprovisionen stehen immer wieder in der Kritik. Die Bundesregierung möchte das Problem jetzt mit einem neuen Gesetz lösen. Doch ist das wirklich effektiv?

Harald Freiberger

Der Kunde kommt freudig erregt zu seinem Bankberater. Er hat von seiner verstorbenen Tante 20.000 Euro geerbt. Was damit anfangen? "Wir hätten da einen neuen Strategiefonds mit guten Kurschancen und geringen Risiken", sagt der Berater, und der Kunde freut sich. Dass von dem Betrag schon einmal fünf Prozent Abschlussprovision weggehen, erfährt er erst im Kleingedruckten. Und dass er die völlig falsche Anlage verkauft bekommen hat, erfährt er gar nicht.

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Wem sollten Bankkunden bei der Beratung vertrauen?

(Foto: ddp)

Der Kunde hat nämlich eine Baufinanzierung laufen, und das Sinnvollste wäre es gewesen, er hätte mit den 20.000 Euro eine Sondertilgung gemacht, um sich auf diesen Betrag 4,5 Prozent Zinsen jährlich zu ersparen. "Aber ein Bankberater, der einen solchen Rat gibt, müsste fast ein Heiliger sein", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Er würde sich zweimal ins eigene Fleisch schneiden: Ihm entgeht die Marge für den Abschluss, außerdem sinken die Zinserträge aus der Baufinanzierung."

Das Beispiel illustriert das Grundübel der Geldanlage in Deutschland: Bankkunden werden häufig über den Tisch gezogen. Die Berater beraten nicht, sie verkaufen. Weil sie von Provisionen leben, raten sie zu Produkten, die ihnen am meisten Geld einbringen - und nicht zu Produkten, die für den Kunden am besten geeignet wären. "Es gibt einen Grundkonflikt zwischen Beratung und Verkauf, der sich nicht lösen lässt, solange für Finanzprodukte Provisionen fließen", sagt Nauhauser.

Hohe Provisionen waren der Grund dafür, dass Banken ihren Kunden massenhaft Zertifikate der US-Investmentbank Lehman Brothers verkauften. Als sie im September 2008 Pleite ging, wurden die Papiere fast wertlos. In der Finanzkrise zeigte sich, dass etwas faul ist im System.

Drei Jahre hat es gedauert, bis die Bundesregierung tätig wurde: Das Verbraucherministerium von Ilse Aigner (CSU) legte nun ein Eckpunktepapier vor, in dem die Grundlagen für die Honorarberatung festgeschrieben werden.

Ein Honorarberater wird für die Beratungszeit bezahlt, im Durchschnitt erhält er 130 Euro in der Stunde. Er kassiert keine Abschlussgebühren, keine Provisionen, verdient also nicht am Verkauf. Das Papier liegt nun beim Wirtschafts- und Justizministerium, diese können Änderungen vorschlagen. Im nächsten Jahr soll es dann in ein Gesetz gegossen werden.

Dem Verbraucher muss im Beratungsgespräch klar sein, ob er es mit einem Vermittler zu tun hat, der vom Verkauf von Finanzprodukten profitiert, oder mit einem unabhängigen Berater, der von der Beratungsleistung lebt", heißt es in dem Papier.

Das Gesetz soll das Berufsbild des Beraters genau definieren: Welche Kenntnisse er braucht, um Finanzprodukte vermitteln zu dürfen, dass er Provisionen grundsätzlich an Kunden weiterreichen muss. "Wenn ein Leitbild des Honorarberaters gesetzlich festgeschrieben wird, wäre das ein erster Meilenstein auf dem Weg zu einer besseren Regulierung der Beratung", sagt Nauhauser.

Rückenwind für die Honorarberater

Die Honorarberater, die es in Deutschland schon gibt, spüren Rückenwind. "Ist das Berufsbild genau geregelt, kann der Verbraucher künftig sicherer sein", sagt Dieter Rauch vom Verbund Deutscher Honorarberater. Noch könne jeder das Wort "Finanzberater" auf seine Visitenkarte drucken, auch wenn er für verkaufte Produkte Provision kassiere.

Rauch bietet Dienstleistungen für rund 1400 der 1500 unabhängigen Finanzberater in Deutschland an. Noch aber herrscht bei vielen Verbrauchern Skepsis. Sie sind es nicht gewohnt, für eine Finanzberatung zu bezahlen; sie meinen, es sei kostenlos, weil sie häufig nicht wissen, dass sie über Provisionen abkassiert werden. "Wenn es gesetzliche Mindeststandards gibt, wird diese Skepsis nachlassen", ist Rauch sicher.

Ein großer Blockade-Faktor sind auch die Banken. Die meisten Institute, gerade Sparkassen und Genossenschaftsbanken, können sich nicht vorstellen, ohne Provisionen zu überleben. Außerdem fürchten sie, dass sie sich künftig nur noch "Vermittler" nennen dürfen und gegen die "Berater" im Wettbewerb zurückfallen. "Die Banken verdienen am jetzigen Zustand prächtig und haben kein Interesse daran, sich auf neue Experimente einzulassen", sagt Nauhauser.

Bisher hat sich nur die Quirin-Bank voll dem Honorarmodell verschrieben. Bei ihr muss ein Kunde 50.000 Euro mitbringen. Er zahlt 75 Euro Pauschalgebühr im Monat und zusätzlich bekommt die Bank eine Gewinnbeteiligung von 20 Prozent. Der Erfolg der 2004 gegründeten Bank ließ lange auf sich warten, doch 2010 machte sie erstmals einen kleinen Gewinn. Sie hat 8000 Kunden, 2014 sollen es 20.000 sein.

Verbraucherschützer Nauhauser erwartet, "dass wir in einigen Jahren ein Provisionsverbot in der Finanzberatung haben werden". Alle Gebühren, die hinter dem Rücken des Verbrauchers fließen, müssten verschwinden. Er sei zuversichtlich, dass der Gesetzgeber das einsehe. Länder wie England, Australien und die Niederlande hätten das längst erkannt. In Großbritannien etwa ist Provisionsberatung ab 2013 verboten.

Dass für Kunden dann goldene Zeiten anbrechen, glaubt Nauhauser jedoch nicht. "Auch ein Honorarberater hat den Anreiz, seinen Gewinn zu maximieren", sagt der Verbraucherschützer. Das könne er, indem er komplexe Beratung anbiete und viele Stunden abrechne oder indem er die Kosten senke und nichts in die eigene Ausbildung investiere.

Und schließlich werde es auch Honorarberater geben, die weiter hintenrum Provision kassierten. Der Verbraucherschützer plädiert deshalb für eine strenge Regulierung. "Die Finanzaufsicht muss die Qualität der Beratung überwachen und die Ergebnisse veröffentlichen", sagt Nauhauser. Anbieter, die negativ auffielen, müssten aus dem Verkehr gezogen werden - "so wie die Dönerbude geschlossen wird, wenn sie Gammelfleisch verkauft".

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