Süddeutsche Zeitung

Beihilfe zur Steuerhinterziehung:'s ist halt bei uns so Sitte

Die Beteiligung von Banken an der Steuerhinterziehung sollte stärker geahndet werden. Das Strafrecht könnte dabei helfen.

Heribert Prantl

Wann macht eine Bank, wann machen Bankangestellte sich wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung strafbar? Wer dazu im einschlägigen Schrifttum klare Beiträge sucht, der findet seltsam Windelweiches. So mancher Aufsatz liest sich wie das Libretto zu einer juristischen Operette; so mancher Wirtschaftsjurist schreibt so, wie der Graf Orlofsky in Johann Straußens "Fledermaus" singt.

Der entschuldigt sich bekanntlich für seine merkwürdigen Gepflogenheiten mit dem Refrain: "Und fragen Sie, ich bitte. Warum ich das denn tu'? Warum ich das denn tu'? 's ist mal bei mir so Sitte, Chacun à son goût!"

Die Übersetzung ins Juristische lautet so: Es sei nun einmal "berufstypisch" und ein nicht strafbares "sozialadäquates Verhalten", dass Banken im Sinne ihrer Kunden Geldgeschäfte betrieben - und für Geldtransfers ins Ausland gebe es immer gute Gründe, man dürfe nicht gleich "vorsätzliche Hilfe" zur Steuerhinterziehung vermuten.

Merkwürdig ist es schon

Der Bundesgerichtshof macht zwar bei einer solchen Rechtfertigungsarie nicht mit, aber merkwürdig ist es schon, dass es bisher nicht viele Verurteilungen gibt.

Gilt also die Entschuldigung der Sozialadäquanz, wenn sich Bankangestellte weisungsgemäß so benehmen wie die sprichwörtlichen drei Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen? Gilt die Entschuldigung der allgemeinen Üblichkeit auch dann, wenn Gelder anonymisiert ins Ausland transferiert werden - mit Phantasienamen wie "Schneeweißchen und Rosenrot" oder "Dagobert Duck"?

So war das vor zehn Jahren bei Überweisungen nach Luxemburg. Ganz so einfach geht das heute nicht mehr: Damals wurde nämlich gegen viele Hundert Bankangestellte ermittelt - aber die meisten Verfahren wurden schließlich gegen Zahlung von Geldauflagen eingestellt (über die der Steuergewerkschaftschef Dieter Ondracek sagt, dass sie von den Banken bezahlt worden seien).

Wo beginnt die Beihilfe?

Wo also beginnt die Beihilfe, wann sind Angestellte Hinterziehungsgehilfen? Sicherlich dann, wenn sie aktiv steuervermeidend beraten, sicherlich dann, wenn Gelder, zur Spurenverwischung, über Anderkonten ins Ausland geschleust werden, wenn "Arrangements" und "elegante Wege" in einschlägig bekannte Zwergländer angeboten werden.

Wer "interessante Stiftungen" in Liechtenstein empfiehlt und arrangiert, wird künftig zur Vermeidung strafrechtlicher Risiken ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass der Anleger das via Stiftung in Liechtenstein erzielte Einkommen zu Hause versteuern muss.

Die Fälle liegen ja üblicherweise so, dass man nur eins und eins zusammenzählen muss, um sich darüber klar zu werden, warum das Geld ins Steuerparadies verschoben werden soll.

Das Strafrecht muss nachhelfen

Wenn Banken, obwohl sie ja von Berufs wegen mit Zahlen zu tun haben, eins und eins nicht zusammenzählen können, dann muss eben das Strafrecht nachhelfen. Und weil das Risiko nicht an den Bankangestellten hängenbleiben soll, muss über ein Unternehmensstrafrecht nachgedacht werden.

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SZ vom 22.02.2008/pak
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