Bauzinsen:Ruhe bewahren

Bauzinsen: Weil die Zinsen extrem niedrig sind, fließt viel Geld in die Immobilienmärkte. Kredite sind zwar in den vergangenen Monaten etwas teurer geworden - aber immer noch sehr günstig.

Weil die Zinsen extrem niedrig sind, fließt viel Geld in die Immobilienmärkte. Kredite sind zwar in den vergangenen Monaten etwas teurer geworden - aber immer noch sehr günstig.

(Foto: Imago)

Nach der US-Wahl sind Immobilienkredite auch in Deutschland etwas teurer geworden. Experten raten Wohnungskäufern dennoch zu Gelassenheit.

Von Simone Gröneweg

Immobilienpreise auf Rekordniveau, große Nachfrage, kleines Angebot: Seit einigen Jahren schon müssen sich Immobilienkäufer in vielen Städten mit heiß gelaufenen Märkten arrangieren. Das dauerhaft historisch niedrige Zinsniveau treibt die Nachfrage sowohl von Selbstnutzern als auch von Kapitalanlegern. Die Finanzierung einer Immobilie ist so einfach und günstig wie selten zuvor. Irgendwann, mahnen die Experten, wird aber auch dieser Zyklus zu Ende gehen.

Die Finanzierung ist für viele Immobilienkäufer eine der wichtigsten Fragen. Ein privater Kassensturz ist unerlässlich. Das Ersparte wird zusammengekratzt. Die potenziellen Käufer müssen überlegen, wie viel Geld sie pro Monat benötigen und worauf sie aus finanziellen Gründen verzichten. Ganz anders sieht es beim allgemeinen Zinsniveau aus - da kann der Einzelne viel planen und suchen, an der jeweiligen Zinsphase lässt sich nichts ändern. "Man bewegt sich in einem politischen Umfeld und befindet sich nicht allein auf einer Insel", sagt Hartmut Schwarz, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen.

Wer derzeit einen Immobilienkauf oder einen Bau plant, möchte wissen, wie sich die Zinsen in den kommenden Monaten entwickeln. Doch Prognosen sind derzeit besonders schwierig. Banken und Finanzexperten loten zu Beginn jedes Jahres Chancen und Risiken für sämtliche Anlagesegmente aus. Ihre Kommentare machen deutlich: Das Jahr 2017 bringt zahlreiche politische und wirtschaftliche Unwägbarkeiten mit sich. Dazu gehören die neue US-Regierung, der Brexit sowie die Wahlen in Frankreich und in Deutschland. Alles Ereignisse, die das Potenzial haben, die Finanzmärkte durcheinanderzuwirbeln. Einig sind sich viele Fachleute darin, dass die Europäische Zentralbank (EZB) vorerst wohl keine Zinswende herbeiführt. "Die guten Wirtschaftsdaten Deutschlands und die leicht ansteigende Inflation reichen nicht für einen vorzeitigen Kurswechsel der EZB", sagt Professor Klaus Fleischer von der Hochschule München. Ähnlich äußert sich Professor Tobias Just, wissenschaftlicher Leiter der Irebs-Immobilienakademie: "Die EZB wird mit Sicherheit keinen Zinsschritt machen."

"Die Korrekturen wurden überbewertet. Sie waren längst erwartet worden."

Das Zinsniveau hängt allerdings von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel auch von den Anleihemärkten. "Banken, die Baugeld verleihen, finanzieren sich in der Regel über sogenannte Pfandbriefe. Das sind besonders gesicherte Wertpapiere", erklärt Schwarz die Vorgehensweise der Institute. Deren Verzinsung orientiert sich an den Renditen der Bundesanleihen - also festverzinslichen Wertpapieren, die der Staat herausgibt. Natürlich spielen dabei noch weitere Marktfaktoren eine Rolle. Welche Konsequenzen das komplexe Zusammenspiel haben kann, zeigte sich kurz nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Der Republikaner hatte Investitionen in die US-Infrastruktur und niedrigere Steuern angekündigt. In den USA setzte nach seiner Wahl ein Ausverkauf am Anleihemarkt ein - mit entsprechend sinkenden Kursen und dazu spiegelbildlich steigenden Renditen. Die Märkte in Europa gerieten in den Sog der amerikanischen Märkte, die Verzinsung für Bundesanleihen zog an. "In der Folge gingen die Renditen für die Pfandbriefe nach oben", beschreibt Schwarz die Reaktion. Daraufhin hoben etliche Banken hierzulande die Zinsen für Immobilienkredite an. So lag der Baufinanzierungsindex des Verbraucherportals Biallo für zehnjährige Baudarlehen Anfang November bei etwa einem Prozent, Ende Dezember notierte er über 1,3 Prozent. Das war immer noch sehr günstig, dennoch stellte der kleine Zinssprung vermutlich für potenzielle Käufer und Bauherren eine unangenehme Überraschung dar. Schon wurde sogar über eine mögliche Zinswende spekuliert, was Professor Klaus Fleischer von der Hochschule München für übertrieben hält: "Die Korrekturen wurden überbewertet. Sie waren längst erwartet und durch den überraschenden Wahlausgang in den Vereinigten Staaten bekräftigt worden", urteilt er.

Wer den Kauf einer Immobilie in Erwägung zieht, sollte angesichts der weltpolitischen Unsicherheiten wachsam sein und die Märkte beobachten. "Wir wissen zum Beispiel nicht genau, was die neue Regierung in den Vereinigten Staat plant", sagt Just. Aber vieles deute auf höhere Schulden hin, was die Inflation treibe, meint er. So kommen auch neue Staatsanleihen mit höheren Zinsen auf den Markt. "Das könnte dazu führen, dass die Anleger ihr Geld wieder stärker in den USA investieren und Kapital aus den europäischen Anleihemärkten abziehen, was höhere Bauzinsen begünstigen würde", erklärt der Wissenschaftler. Die Zinsen für Baudarlehen, die sich recht eng an den Kapitalmarktzinsen orientieren, könnten 2017 also etwas anziehen. Aber es besteht kein Grund zur Panik. "Ruhe bewahren", rät Schwarz allen potenziellen Immobilienkäufern und betont: "Wir kommen aus einem extremen Tief. Selbst wenn es noch etwas nach oben gehen sollte, ist Baugeld immer noch sehr günstig."

Ein viel größeres Problem dürften für Käufer ohnehin die hohen Immobilienpreise sein, vor allem in den Ballungszentren. Hinzu kommen höhere Nebenkosten. So haben viele Bundesländer in den vergangenen Jahren die Grunderwerbsteuer erhöht, lediglich Bayern und Sachsen liegen noch bei 3,5 Prozent. Die bisher extrem niedrigen Zinsen, die hohen Nebenkosten und teuren Immobilien stellen eine brisante Ausgangslage dar: Leiht sich jemand zu viel Geld für sein eigenes Heim, sitzt er in zehn oder 15 Jahren unter Umständen immer noch auf einem gigantischen Schuldenberg. Wer eine solide Finanzierung anstrebt, sollte 20 bis 30 Prozent des Kaufpreises aus eigenen Mitteln bezahlen können. Anfallende Nebenkosten wie die Grunderwerbsteuer und Notargebühren sollte man ebenfalls mit dem eigenem Geld bezahlen können.

"Wer in dieser extremen Niedrigzinsphase einen Kredit abschließt, sollte darauf achten, dass er von Beginn an möglichst viel tilgt", hebt Verbraucherschützer Schwarz hervor. Verbraucher sollten sich möglichst für eine Anfangstilgung in Höhe von mindestens drei Prozent entscheiden. Eine Darlehensrate setzt sich zusammen aus der anfänglichen Tilgungsrate und den fälligen Kreditzinsen. Während der Vertragslaufzeit tilgt der Schuldner Stück für Stück, die Rate bleibt jedoch gleich. "Sind die Zinsen sehr niedrig, steigt der Tilgungsanteil im Laufe der Jahre langsamer an. Der Schuldner braucht also deutlich länger, um den Kredit zurückzuzahlen", erklärt Schwarz. Daran würden Kreditnehmer zunächst nicht unbedingt denken, sagt Schwarz und ergänzt: "Aber wenn man den Effekt vorrechnet, entscheiden sie sich schnell für eine höhere Anfangstilgung."

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