Baufinanzierung:Voll auf Pump, voll auf Risiko

Experten warnen vor gefährlichen Sitten: Vor allem ausländische Banken bieten neuerdings an, eine Immobilie ohne jedes Eigenkapital zu finanzieren.

Helga Einecke

Der Kauf einer Immobilie steht bei vielen Bundesbürgern ganz oben auf der Wunschliste. Einige Banken machen die Erfüllung dieses Wunsches scheinbar leichter. Sie bieten an, den Kaufpreis in vollem Umfang zu finanzieren. Sie locken mit dem - noch - relativ niedrigen Zinsniveau, das den Erwerb so preiswert machen soll wie das Mieten.

Baufinanzierung: Voll auf Pump, voll auf Risiko
(Foto: Foto: ddp)

Dem Verband der Privaten Bausparkassen stößt diese Werbung sauer auf. Das mag zum einen daran liegen, dass die Bausparkassen selbst nur zu 80 Prozent finanzieren dürfen und von der Ansparphase der Immobilienkäufer leben. Verbandschef Andreas Zehnder sieht die Quelle des Übels in den Vereinigten Staaten. Nicht alles, was aus Amerika komme, sei aber gut. Derzeit versuchten US-Anbieter, Finanzierungen in Europa salonfähig zu machen, die zur Krise der Hypotheken in den USA geführt hätten.

In einer vom Verband in Auftrag gegebenen Studie werden eine Menge Ungereimtheiten bei der Förderung des deutschen Wohneigentums kritisiert.

Abenteuerliche Volumina

Nach den Erkenntnissen der Bauspar-Lobby schließen geschäftstüchtige Banken bisher die Finanzierung des vollen Kaufpreises nur mit gut ausgestatteten Haushalten ab, etwa Doppelverdienern mit hohem Einkommen. Bei den unteren Einkommensschichten, also der Klientel der Bausparer, sei dieses Modell noch nicht verbreitet.

Aber in den Vereinigten Staaten habe es vor einigen Jahren auch einmal klein angefangen, und die Lawine, mit der aktuell die kleineren und mittleren Haushalte zu kämpfen hätten, sei erst später losgetreten worden.

Das sieht Jörg Sahr von der Stiftung Warentest anders. Nach seinen Beobachtungen nehmen die Angebote von Finanzierungen von 100 Prozent und mehr sehr stark zu. Sie machten nicht bei den Besserverdienern Halt, sondern träfen auch untere Einkommensgruppen. "Da werden abenteuerliche Kreditvolumina angeboten", fasst Sahr zusammen.

Kreditvermittler wie Creditweb, Interhyp oder Planethome würden sogar Baukredite bis zu 130 Prozent des Kaufpreises versprechen. Die Angebote der Vermittler stammten häufig von ausländischen Banken wie der GMAC-RFC, die zum Finanzinvestor Cerberus gehört, oder NIBC, hinter der der Finanzinvestor Flowers steht, oder der niederländischen ABN Amro. Inzwischen hätten auch die deutschen Großbanken, Volksbanken und Sparkassen die Marktlücke entdeckt und würden Vollfinanzierungen anbieten.

Verbraucherschützer empfehlen den Immobilienkauf voll auf Pump tatsächlich nur bei sicheren Jobs und hohen Einkommen. Nach ihren Angaben sagt eine alte Faustregel, 20 Prozent bis 30 Prozent Eigenkapital sei die richtige Grundlage. Auch aus dieser Erkenntnis heraus dürfen die Bausparkassen nur 80 Prozent und Hypothekenbanken nur 60 Prozent finanzieren.

Die Vollfinanzierung ist nicht nur riskant, sondern auch teuer. Häufig werden Aufschläge von 0,2 bis 0,4 Prozentpunkten verlangt. Mehr wird es noch, wenn die Kreditsumme den Kaufpreis übersteigt. Die Stiftung Warentest rechnet Aufschläge bis zu 50 Prozent vor - im Vergleich zur klassischen Finanzierung, bei der der Immobilienkäufer ein Fünftel Eigenkapital hat und auch die Nebenkosten wie Grunderwerbsteuer, Notar oder Makler aus eigener Tasche bezahlt.

Der Studie des Bausparverbandes zufolge wurden in den Vereinigten Staaten in der Boomzeit zwischen 2001 und 2006 die Standards für die Vergabe von Darlehen im Wohnungsbau besonders großzügig ausgelegt. Mit der starken Senkung der Finanzierungskosten erhielten die Immobilienpreise einen rasanten Auftrieb. Finanzierungen mit niedrigen Anfangszahlungen, ohne Tilgung oder variable Angebote folgten.

Bei hohen Immobilienpreisen sei die Nachfrage nach nachrangigen Krediten gestiegen, auch um Kosten für Hypothekenversicherungen zu umgehen, die nicht steuerwirksam sind. 46 Prozent der amerikanischen Immobilieninvestoren verfügten nach dieser Studie Anfang dieses Jahres über ein Eigenkapital von weniger als fünf Prozent. Der deutsche Markt müsse aus dem amerikanischen Dilemma lernen. Es fehle an Informationen über Kreditrisiken, neue Lösungen für das Bausparen und den Pfandbrief. Der Staat versäume es, seine Wohnungen an die Mieter zu verkaufen.

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