Barroso droht mit Zwangsrettung:Banken brauchen viel mehr Kapital

EU-Kommissionschef Barroso fordert die Banken auf, ihr Eigenkapital zu verdoppeln - es also um 50 bis 300 Milliarden Euro zu erhöhen. Andernfalls sollen die Staaten sie zwangsweise rekapitalisieren. Auch SPD und Grüne ziehen mit. Im Gegensatz zum letzten Mal wollen sie die Banken aber nicht ungeschoren davonkommen lassen.

Harald Freiberger und Cerstin Gammelin

Europas Banken müssen sich darauf einstellen, sich mit deutlich höherem Eigenkapital gegen Risiken aus der Schuldenkrise abzusichern. Sie benötigen dazu 50 bis 300 Milliarden Euro mehr, heißt es aus EU-Kreisen. "Wir müssen die Zweifel an der Stabilität unseres Finanzsystems ausräumen, um wieder normal wirtschaften zu können", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, der im Europaparlament mehr Eigenkapital für die Banken forderte.

Banken Verluste Grafik

Grafik: Forderungen deutscher Banken an Portugal, Irland, Italien, Spanien und Griechenland.

Nach Informationen aus der Brüsseler Behörde zeichnet sich ab, dass die Finanzinstitute ihre Quote an hartem Kernkapital von derzeit 4,5 Prozent auf neun Prozent steigern sollen. Dazu ist eine Frist von neun Monaten vorgesehen. Andernfalls droht die zwangsweise staatliche Re-Kapitalisierung.

Die EU-Kommission liegt damit auf einer Linie mit internen Empfehlungen der Europäischen Bankenaufsicht (Eba) und offiziellen Verlautbarungen aus Paris. Dort hatte Außenminister Alain Juppé am Dienstag vor der Nationalversammlung erklärt, die französischen Banken seien bereit, ihre Kapitalbasis auf neun Prozent zu erweitern. Dem Vernehmen nach sollen die europäischen Finanzminister auf einem Sondertreffen am Freitag nächster Woche endgültig über die neue Quote beschließen.

Die Aussicht auf die Rettung der Banken stimmte die Anleger zuversichtlich. Der Deutsche Aktienindex kletterte erstmals seit Anfang August über die Marke von 6000 Punkten und stand am Nachmittag mit 2,5 Prozent im Plus. Barroso forderte in Brüssel, den erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF nur im allerletzten Notfall zu nutzen, um die Banken zu rekapitalisieren. Zuerst sollten die Banken private Quellen nutzen, die durch staatliche Unterstützung ergänzt werden könnten. Barroso kündigte an, bis 2012 befristete Sonderregeln für Staatshilfe an Banken zu erlassen. Normalerweise verbieten EU-Regeln staatliche Finanzspritzen.

Wie viel Geld Europas Banken nun in ihre Kapitalausstattung investieren müssen, ist bisher noch unklar. Bei einer vorgeschrieben Eigenkapitalquote von neun Prozent müssten sich aber alle großen Deutschen Banken binnen weniger Monate zusätzliche Milliarden besorgen. Der letzte Bankenstresstest weist für die Deutsche Bank eine Quote von 6,5 Prozent, für die Commerzbank von 6,4 und für die Landesbanken von Bayern und Baden-Württemberg je 7,1 Prozent.

Die Bankenaufsicht Eba ermittelt derzeit den genauen Bedarf. Dazu schaut sie sich an, wie viele Anleihen europäischer Krisenstaaten die einzelnen Institute halten. Die höchsten Bestände liegen naturgemäß bei den Banken der Krisenstaaten, aber auch französische Institute sind stark in Anleihen der gefährdeten Länder von Griechenland, Portugal, Irland, Italien und Spanien engagiert. Von den deutschen Banken halten Commerzbank, LBBW und DZ Bank die größten Positionen dieser Anleihen (Grafik).

Sicher ist, dass ein Schuldenschnitt für griechische Anleihen kommt. Selbst Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hielt ihn am Mittwoch für "nicht mehr ausgeschlossen", Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker sprach von "anderen Schritten", die für Griechenland nötig werden könnten.

Neuer Stresstest

Am häufigsten wird ein griechischer Schuldenschnitt von 50 Prozent genannt, aber auch 60 Prozent sind möglich. Das bedeutet, dass die Banken ihre griechischen Anleihen um diesen Wert abschreiben müssen. Die Eba dürfte wegen der Ansteckungsgefahr aber auch für andere Staaten Abschreibungsquoten festsetzen. Michael Rohr, Analyst bei Sylvia Quandt Research, geht in einem Szenario für irische und portugiesische Anleihen von 25 Prozent aus, für italienische von zehn Prozent und für spanische um fünf Prozent.

In einem zweiten Schritt kommt es dann darauf an, wie hoch die Kapitalanforderungen sind, die die Aufseher verlangen. Entscheidend ist dabei die Quote für das harte Kernkapital. Beim letzten Stresstest im Sommer wurde sie nur bei fünf Prozent angesetzt. Analyst Rohr geht davon aus, dass die Finanzmärkte zehn Prozent verlangen. Bei diesem Szenario sieht er bei der Deutschen Bank einen Kapitalbedarf von neun Milliarden Euro, bei der Commerzbank sind es fünf Milliarden Euro. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte zuletzt betont, sein Institut sei ausreichend kapitalisiert, selbst wenn die Anleihen von Schuldenstaat auf den Marktwert abgeschrieben würden. Das bezog sich aber auf eine Kapitalquote von sieben Prozent.

Die SPD und die Grünen verlangen Gegenleistungen für neue Bankenhilfen. "Wir dürfen die Banken nicht zum zweiten Mal retten, ohne sie zurecht zu stutzen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die Sozialdemokraten wollen bei betroffenen Instituten das Investmentbanking, wo die Milliardengewinne liegen, von den normalen Geschäftsbanken mit dem Schaltergeschäft trennen.

Kommissionspräsident Barroso forderte mit Blick auf den kommenden EU-Gipfel am 23. Oktober, einen Fünf-Punkte-Plan für Stabilität und Wachstum umzusetzen. Dieses Paket von Maßnahmen sei die Voraussetzung dafür, dass das Vertrauen in die Euro-Zone und die Europäische Union wiederkehre. Der Plan weise "den Fahrplan aus der Krise", sagte er. Ein bloßes bruchstückhaftes Reagieren auf die unterschiedlichen Krisensymptome reiche "nicht länger aus".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: