Süddeutsche Zeitung

Barrierefreiheit:Rampe, Aufzug, Treppenlift

Mieter dürfen ihre Wohnung barrierefrei umbauen, wenn das nötig ist. Kompliziert ist die rechtliche Lage in Eigentümergemeinschaften.

Von Andrea Nasemann

Die Mieterin war erbost. Im Sommer erhielt sie von der Hausverwaltung die Mitteilung, dass das Haus für zwei Monate eingerüstet werden sollte. Auf die besondere Lebenssituation der Bewohnerin wurde in dem Schreiben nicht eingegangen - die Mieterin ist auf einen Elektrorollstuhl angewiesen. Für diesen aber war nun wegen des Gerüstes der Zugang zu ihrer Wohnung zu schmal. Weder lässt sich ihre Wohnungstüre elektrisch öffnen, noch ist die Türschwelle barrierefrei. Verletzungen und Sachbeschädigungen sind deshalb programmiert.

Ein Beispiel, das typisch ist für viele andere: Oft bekommen Mieter und Wohnungseigentümer in und außerhalb ihrer Wohnungen Probleme, weil diese nicht behindertengerecht gebaut sind. Allerdings hat der Gesetzgeber dem Mieter einen Anspruch auf Barrierefreiheit gegeben. Der Vermieter muss demnach baulichen Veränderungen zustimmen, wenn diese für eine behindertengerechte Nutzung der Mietwohnung oder den Zugang zu ihr erforderlich sind. Aber ganz so einfach ist es nicht. "Es muss dann eine Interessenabwägung stattfinden", sagt Julia Wagner von Haus & Grund Deutschland. Dabei seien neben den Interessen des Vermieters am unveränderten Erhalt der Wohnung oder des Gebäudes auch die Interessen der anderen Mieter im Haus zu berücksichtigen. In jedem Fall muss der Mieter den Vermieter fragen, bevor er die Wohnung oder den Zugang barrierefrei gestaltet. "Andernfalls kann der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen", warnt Wagner.

Bei der geplanten Gesetzesreform sollte die Kostenfrage geklärt werden

Mieter müssen vor Abschluss des Mietvertrags nicht auf ihre Behinderung hinweisen. "Die Behinderung darf nicht zu einer Benachteiligung des Mietinteressenten führen", erläutert Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund.

Einen Anspruch auf Barrierefreiheit haben nicht nur Mieter, sondern auch andere Personen, die der Mieter berechtigterweise in seiner Wohnung aufgenommen hat wie zum Beispiel der Lebensgefährte, entschied das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 28. 3. 2000, 1 BvR 1460/99). Das Gericht erklärte, dass auch dem Lebenspartner der Zugang zur Wohnung gewährt werden müsse. Im entschiedenen Fall wollte der Mieter für seine querschnittsgelähmte Lebensgefährtin auf eigene Kosten einen Treppenlift einbauen und diesen bei seinem Auszug aus der Wohnung wieder ausbauen. Der Vermieter hatte den Einbau abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht sah darin eine Verletzung der Abwägung der Interessen beider Seiten und hob die Entscheidung auf. Der Vermieter muss allerdings nicht jedes Angebot akzeptieren, zum Beispiel nicht das Angebot einer Treppenliftfirma, die den kostenlosen Rückbau anbietet. Dem Vermieter sei es nicht zuzumuten, das Insolvenzrisiko eines Dritten zu übernehmen, den er sich nicht selbst als Vertragspartner ausgesucht habe, entschied das Amtsgericht Pankow/Weißensee (Urteil vom 11. Oktober 2012, 3 C 181/12).

In einer Eigentümergemeinschaft müssen alle zustimmen

Anders liegt der Fall, wenn es um Wohnungseigentum geht. Da hier das Gemeinschaftseigentum betroffen ist, müssen alle Eigentümer ihre Zustimmung zum Einbau einer Rampe oder eines Treppenlifts geben. Der vermietende Eigentümer muss dies zum Tagesordnungspunkt auf der Eigentümerversammlung machen und versuchen, so den Rechten seines Mieters Gehör zu verschaffen. In einem Fall wollte ein Wohnungseigentümer auf eigene Kosten einen Personenaufzug einbauen. Er machte geltend, dass er wegen seiner behinderten Enkelin auf den Aufzug angewiesen sei. Der BGH entschied gegen den Bau des Aufzugs, da die anderen Wohnungseigentümer dem nicht zugestimmt hätten. Ein Teil des Treppenhauses, das ja Gemeinschaftseigentum sei, werde dann nur wenigen Wohnungseigentümern zur Nutzung überlassen, hieß es zur Begründung. Dafür sei aber eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer erforderlich (Urteil vom 13. Januar 2017, V ZR 96/16).

Für Gabriele Heinrich vom Verbraucherschutzverband Wohnen-im-Eigentum e.V. sollte wegen solcher Schwierigkeiten im Rahmen der anstehenden Reform des Wohnungseigentumsrechts die Barrierefreiheit gleich mitgeregelt werden. "Eigentümer, die für einen barrierefreien Zugang und die barrierefreie Nutzung ihrer Wohnung auf bauliche Maßnahmen im Gemeinschaftseigentum angewiesen sind, sollten dafür die Zustimmung zu diesen Maßnahmen von den anderen Eigentümern verlangen können", führt Heinrich aus. Zudem sollte das Gesetz vorsehen, dass der Eigentümer zum Rückbau auf seine Kosten verpflichtet ist, meint die Verbraucherschützerin. Dies sollte dann auch rechtlich abgesichert werden, mit einer Eintragung im Grundbuch oder durch Hinterlegung einer Sicherheit für den späteren Rückbau.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2018
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