Süddeutsche Zeitung

Barrierefrei umbauen?:Das geht auch als Mieter!

Pflegebedürftige und alte Menschen dürfen Bäder oder Treppen selbst dann sanieren, wenn sie nicht Eigentümer der Wohnung sind. Aber dabei muss einiges beachtet werden, sonst drohen unnötige Kosten.

Von Stephanie Hoenig

Viele Senioren und Behinderte wollen trotz Einschränkung in der Mietwohnung bleiben, in der sie schon seit Langem leben. Doch dazu sind oft bauliche Veränderungen notwendig. "Der Aufwand ist abhängig von der vorhandenen Wohnsituation, den individuellen Anforderungen und den Bedürfnissen der Bewohner", heißt es beim Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz in Bonn. Wichtig sind dabei vor allem ausreichende Bewegungsflächen, breite Durchgänge, barrierefreie Bäder und Küchen, der Verzicht auf Bodenschwellen und ein Treppenlift.

Die umfangreichsten Änderungen fallen nach den Erfahrungen des Bundesverbandes meist im Bad an. In vielen älteren Wohnungen fehlt einfach der Platz, um sich dort wirklich bewegen zu können. Das Bad muss dann komplett umgestaltet und mit neuen Sanitäreinrichtungen ausgestattet werden. Der Einbau einer bodengleichen Duschtasse könne bei älteren Decken- und Bodenkonstruktionen des Hauses schwierig werden, heißt es beim Verband. Wesentlich unproblematischer als gedacht gestalte sich dagegen oft der Einbau eines Aufzugs oder Lifts; hierfür stünden inzwischen die verschiedensten Systeme zur Verfügung, sodass es für fast jede Wohnsituation eine Lösung gebe.

Doch wenn ein großer Umbau erforderlich ist: Was darf eigentlich wer? "Ist der Eigentümer eines Hauses oder einer Wohnung in seiner Mobilität eingeschränkt, kann er selber natürlich ziemlich problemlos seine Immobilie barrierefrei umbauen lassen", erklärt Rechtsanwalt Dietmar Wall vom Deutschen Mieterbund in Berlin. Aber auch pflegebedürftige und alte Mieter haben seit dem Jahr 2001 ein Recht auf einen barrierefreien Umbau, betont der Experte. Mieter benötigten aber vor großen Baumaßnahmen die Einwilligung des Vermieters.

"Die Grundlage für dieses Umbaurecht ist Paragraf 554a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dort ist festgelegt, in welcher Form eine barrierefreie Modernisierungsarbeit innerhalb und außerhalb der Wohnung vorgenommen werden darf", sagt Wibke Werner, stellvertretende Geschäftsführerin vom Berliner Mieterverein. Nach Paragraf 554 BGB könne der Mieter vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Veränderungen oder sonstigen Einrichtungen verlangen, falls dies für eine behindertengerechte Nutzung der Mietsache oder den Zugang zu ihr erforderlich ist. Der Mieter müsse aber ein berechtigtes Interesse daran haben.

Es gibt aber auch körperliche Einschränkungen, für die ein kleinerer Umbau schon ausreicht. "Der Einbau von Haltegriffen oder Toilettensitzerhöhungen, der jederzeit wieder rückgängig gemacht werden kann, ist von der grundsätzlichen Genehmigungspflicht des Vermieters ausgenommen", erläutert Rechtsanwalt Gerold Happ vom Eigentümerverband Haus & Grund in Berlin. Solche Maßnahmen seien kein Eingriff in die Bausubstanz eines Gebäudes. Sie seien vergleichbar mit Maßnahmen wie das Anbringen eines Toilettenpapierhalters oder Spiegelschranks und gehörten zur vertragsgemäßen Nutzung einer Wohnung.

Wenn Baumaßnahmen in die Bausubstanz eines Gebäudes eingreifen, muss der Vermieter allerdings nicht in jedem Fall zustimmen. "Nach geltendem Mietrecht kann der Vermieter erforderliche Umbaumaßnahmen dann verweigern, wenn eigene Interessen dadurch gefährdet sind, etwa wenn durch den geplanten Umbau der Verkaufswert des Hauses sinkt", erklärt Happ. Zudem seien auch die Interessen der anderen Mieter zu berücksichtigen. Beispielsweise wenn durch einen Treppenlift die Sicherheit der anderen Hausbewohner auf der Treppe gefährdet werde - etwa weil dann die Lauffläche der Stufen zu klein wird.

Und es gibt noch etwas zu beachten. "Der Vermieter kann seine Zustimmung von einer Sonderkaution als Sicherheit für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes abhängig machen", sagt Wibke Werner vom Berliner Mieterverein. Ein Verweis auf die beim Einzug bereits gezahlte übliche Kaution für die Mietwohnung reiche da nicht aus, die Sonderkaution müsse angemessen sein - eben so hoch, dass der Vermieter einen Rückbau damit bezahlen könne.

Viele Vermieter ließen sich davon überzeugen, dass eine barrierefreie Umgestaltung der Wohnung zur Werterhaltung oder sogar zur Wertsteigerung beitragen könne. "Liegt das Einverständnis des Vermieters vor, gibt es zwei Möglichkeiten, den Umbau durchzuführen", sagt Happ. Der Mieter könne zum einen mit dem Eigentümer eine "Modernisierungsvereinbarung" treffen. In solchen Fällen lässt der Vermieter die notwendigen Baumaßnahmen machen. Der Mieter muss aber wegen der Modernisierung mit einer Erhöhung der Miete rechnen.

Zum anderen könne der Mieter die Baumaßnahmen selbst in Auftrag geben. In diesem Fall müsse er den altersgerechten Umbau der Wohnung dann auch bezahlen. Der Vermieter habe bei der Umsetzung der Maßnahmen kein Mitspracherecht und dürfe auch keine Bedingungen stellen oder Auflagen machen, etwa beim Material oder zur Gestaltung.

"Beim Auszug kann dann aber der Vermieter auf seinem Recht auf Rückbau bestehen", betont Rechtsanwalt Wall. Das bedeutet: Der Mieter muss beim Auszug den ursprünglichen Zustand der Mietsache wiederherstellen. "Deshalb ist es sinnvoll, wenn Mieter und Vermieter vor den Umbauarbeiten schriftlich alle Punkte in einer Vereinbarung klären", rät Wall.

Von einer Klage gegen den Vermieter raten Experten dringend ab

Und was tun, wenn man sich nicht einig wird? "Hat der Mieter nach dem Gesetz Anspruch auf Zustimmung zu einem barrierefreien Umbau und der Vermieter erteilt die Erlaubnis nicht, kann der Mieter klagen, wenn er seinen Anspruch durchsetzen will", erklärt Wall.

Vom Einklagen des Anspruchs hält Bernhard Reindl vom Verein Stadtteilarbeit in München aber aufgrund seiner Erfahrungen nur wenig. Reindl leitet den Bereich "Wohnen im Alter / bei Behinderung" und macht Wohnberatungen für Senioren und Behinderte. Seine Empfehlung: Sich unbedingt mit dem Vermieter zu einigen und dessen Einverständnis einzuholen. "Wird geklagt, so ist die Sache in der Praxis in der Regel schon gestorben." Werde der Umbau durch Klage erzwungen, werde der Vermieter auch auf seinem Recht auf Rückbau bestehen. Dann fielen für den Mieter die Kosten für Umbau und für den Rückbau an. "Meist ist dann die Maßnahme schon aus finanziellen Gründen gescheitert."

Um den Vermieter mit ins Boot zu bekommen, empfiehlt Reindl, die Dienste eines Wohnberaters in Anspruch zu nehmen. Außerdem informiert dieser darüber, welche unterschiedlichen Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten zur barrierefreien Umgestaltung es zum Beispiel bei der Pflegekasse, Krankenkasse oder der staatlichen Förderbank KfW gibt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3056509
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 01.07.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.