Bargeld:Geschäfte am Limit

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Gerade viele Gebrauchtwagen-Händler wickeln ihre Geschäfte am liebsten bar ab - das ist unkompliziert und sofort verbindlich. (Foto: picture-alliance/ dpa)
  • Die Bundesregierung will ein Limit von 5000 Euro auf Barzahlungen einführen und damit Verbrechen, Terrorismus und Geldwäsche erschweren.
  • Einige Länder, darunter Frankreich und Italie
  • Einige Branchen fürchten allerdings Probleme, wenn nicht mehr unbegrenzt mit Scheinen bezahlt werden darf.

Von Sophie Burfeind, Harald Freiberger und Cerstin Gammelin, Berlin, Berlin/München

Wenn Silvio Robesch zu einem Kunden fährt, um ihm einen Gebrauchtwagen abzukaufen, soll es schnell und unbürokratisch gehen. Der Vorstoß der Bundesregierung, Bargeldgeschäfte auf 5000 Euro zu begrenzen, entsetzt den Autohändler. "Für mich wäre ein solches Verbot eine Katastrophe", sagt Robesch, der in der Nähe Münchens einen Fahrzeughandel betreibt. Sein Geschäft beruhe ausschließlich auf Barzahlung. "Ich kann den Kauf nur mit Bargeld niet- und nagelfest machen", sagt er. Viele Kunden würden einer Bezahlung per Karte gar nicht trauen, und eine Überweisung dauere zu lange, möglicherweise überlege es sich der Kunde dann anders. "Umgekehrt möchte ich beim Weiterverkauf auch Bargeld bekommen, Kartenzahlungen würde ich nicht trauen, die Käufer kommen oft aus dem Ausland", sagt er. Ein Verbot würde massiv in sein Geschäft eingreifen. "Ich würde dann nur noch Autos kaufen und verkaufen, die weniger als 5000 Euro kosten."

Eingriff in den Alltag der Bürger

5000 Euro: Auf diese Höhe will die Bundesregierung Bargeldgeschäfte begrenzen. Zuwiderhandlungen sollen sanktioniert werden. Das Verbot wird den Alltag der Bürger spürbar verändern. Eine große Hürde für die Umsetzung sind die Limits, die Banken beim Zahlen großer Beträge per Karte setzen. Da die Institute im Betrugsfall selbst für den Schaden aufkommen müssen, erlauben sie die Überweisung und das Bezahlen hoher Summe per Karte häufig gar nicht. Die Obergrenze liegt oft bei 1000 Euro. Wer höhere Beträge transferieren will, muss seinen Bankberater verständigen, damit er das Limit erhöht - ein umständlicher Weg. "Banken und Sparkassen gehen immer noch sehr restriktiv mit den Limits um", sagt Oliver Hommel, Zahlungsverkehrs-Experte beim Beratungsunternehmen Accenture. Wenn ein Verbot für hohe Beträge kommt, müsste es bei einem großen Teil der Kreditinstitute "ein massives Umdenken geben". Der Vorstoß betrifft nicht nur Banken und Gebrauchtwagenhändler. Auch andere Branchen setzen auf Bares, etwa Möbelhändler, Juweliere, Handwerker und Kunsthändler. "Wenn die Bargeldzahlung von großen Beträgen etwa im Handwerk verboten wäre, hätte das für den Staat den positiven Nebeneffekt, dass damit Steuerbetrug erschwert wird", sagt Zahlungs-Experte Hommel. Schwarzarbeit und Umsatzsteuerbetrug könne durch einen Steuerprüfer bei einer elektronischen Zahlung leichter entdeckt werden.

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Im Kunsthandel wird seit einigen Jahren zwar zunehmend mit Karte bezahlt oder überwiesen. Ein Händler aus München berichtet, dass nur sehr selten ein Kunde einen großen Geldbetrag in bar zahlen wolle - meist seien es Ausländer auf der Durchreise. "Allgemein ist es in Europa so, dass mehr mit Karte gezahlt wird, seit ein bis zwei Jahren ist das auch bei uns so", sagt er. Schließlich gebe es in vielen Nachbarländern schon Obergrenzen für Barzahlungen, etwa in Frankreich oder in Italien. Dort wurde die Grenze zunächst auf 1000 Euro festgelegt, doch das erwies sich als wenig praktikabel. Inzwischen liegt sie bei 3000 Euro. Eine Obergrenze wäre für den Münchner Kunsthändler eine zusätzliche Einschränkung, sagt er. "Da fällt einfach eine Zahlungsmöglichkeit weg, das ist ein Handicap."

Industrienationen locken Geldwäscher

Die Bundesregierung ist offenbar gewillt, solche Kollateralschäden in Kauf zu nehmen, um das zuvorderst angestrebte Ziel zu erreichen. Sie will organisierte Kriminalität und Terrorismusfinanzierung bekämpfen, am liebsten gemeinsam mit allen anderen Staaten in Europa und weltweit - notfalls aber auch allein. Finanzstaatssekretär Michael Meister ließ keinen Zweifel an der Absicht, die Obergrenze von 5000 Euro notfalls auch national einzuführen. Rein rechtlich muss dazu das nationale Geldwäschegesetz geändert werden, das derzeit ohnehin überarbeitet wird, weil Deutschland die 4. EU-Geldwäscherichtlinie umsetzen muss.

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Industrienationen wie Deutschland zögen geradezu magisch Geldwäsche aus dem Ausland an, heißt es in einer Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Im Auftrag des Bundesfinanzministeriums in Berlin untersuchten die Wissenschaftler, in welchen Wirtschaftszweigen die höchsten Risiken für Geldwäsche bestehen. Einbezogen wurden rechtsberatende und vermögensverwaltende Berufe, Versicherungsmakler, Immobilienmakler und Güterhändler, die Autos, Perlen, Schmuck, Edelmetalle, Kunst, Antiquitäten sowie Boote und Yachten an- und verkaufen. Die repräsentativen Befragungen und Interviews zeigen, dass die Dunkelziffer auf mindestens 18 000 bis 25 000 Verdachtsfälle im Nicht-Finanzsektor zu schätzen ist. Damit ist es mindestens so groß wie die registrierten Verdachtsfälle im Finanzsektor. Das gesamte Geldwäschevolumen in Deutschland beziffern die Autoren der Studie auf 100 Milliarden Euro jährlich. Am attraktivsten seien Immobilien, Kunstobjekte, Antiquitäten sowie Boote und Yachten. Ein "hohes Risiko" macht die Studie auch bei "Treuhand- und Anderkonten der rechtsberatenden und vermögensverwaltenden" Berufen aus, also bei Notaren und Anwälten sowie bei bargeldintensiven Hotel- und Gastronomiebetrieben.

Die Bundesregierung will nun auf Anwaltskammern zugehen, um sie für die Risiken zu sensibilisieren. Zudem sollen die Aufsicht verstärkt und Verdachtsfälle schneller und unbürokratischer abgearbeitet werden. Anwälte müssen sich also wohl nicht nur beim Autokauf umgewöhnen.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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