Bankkarten außer Betrieb:Klebeband auf dem Chip

Das Chaos mit den EC-Karten ist weit größer, als Banken zunächst zugegeben haben. Mancher hilft sich mit einem einfachen Trick.

Harald Freiberger, Frankfurt

Die Probleme mit EC- und Kreditkarten in Deutschland sind weit größer als zunächst angenommen. Insgesamt sind 26,5 Millionen EC-Karten und fünf Millionen Kreditkarten von einem Programmierfehler auf dem Sicherheitschip betroffen. Dieser führt dazu, dass Geldautomaten und Bezahlterminals die Jahreszahl 2010 nicht erkennen und die Karte mit dem Hinweis "Kartenlesefehler" zurückweisen. Tausende Bankkunden kamen deshalb nach Neujahr nicht an Bargeld heran oder konnten im Laden nicht per Karte bezahlen.

Bankkarten, dpa

Wenn der Chip auf der Bankkarte streikt, hilft manchmal ein billiger Trick - einfach abkleben.

(Foto: Foto: dpa)

Der Zentrale Kreditausschuss, in dem die alle Bankengruppen organisiert sind, hatte zunächst mitgeteilt, es sei nur "stellenweise" zu Problemen gekommen. Kurz darauf erklärte der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV), dass allein bei ihm 20 der insgesamt 45 Millionen EC-Karten betroffen sind. Die Probleme mit den Geldautomaten im Inland sind inzwischen bei allen Banken behoben. Bei den Händlerterminals kann es immer noch zu Problemen kommen; diese sollen bis Anfang kommender Woche beseitigt sein.

Besser auf Reiseschecks zurückgreifen

Größere Schwierigkeiten bereiten die Geldautomaten im Ausland, wo die Umstellung länger dauert. Banken rieten Kunden, die eine Reise planen, auf Reiseschecks zurückzugreifen. Im Notfall gibt es bei ausländischen Banken auch Bargeld, wenn Kunden am Schalter Kreditkarte und Personalausweis vorlegen.

Manfred Westphal vom Bundesverband Verbraucherzentrale kritisierte die Aufklärungsarbeit der Banken. "Sie informieren die Öffentlichkeit nur scheibchenweise, und kein Verbraucher weiß, was wirklich das Problem mit den Karten ist", sagte er. Nur die Sparkassen teilten bisher mit, welche Karten betroffen sein können: EC-Karten, die vor dem 1. Juli 2009 ausgegeben wurden, und Kreditkarten, die vor dem März 2009 ausgegeben wurden. Verbraucherschützer Westphal forderte die Institute auf, entstandene Schäden, etwa Gebühren durch Abheben bei fremden Instituten, großzügig zu ersetzen. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner drängte die Banken, die Panne schneller zu beheben, als es bisher den Anschein habe.

Inzwischen ist bekannt, welcher Chiphersteller für das Chaos verantwortlich ist: Es handelt sich um die niederländische Firma Gemalto. Deren Chef Olivier Piou sagte: "Wir sind darauf bedacht, die Unannehmlichkeiten für die Kartenbesitzer möglichst klein zu halten." In der deutschen Bankenbranche will man den Hersteller für die Schäden haftbar machen. "Wenn wir die Probleme behoben haben, werden wir uns sicher die Verträge genau anschauen", sagte ein Beteiligter der SZ.

Die Banken wollen die Panne beseitigen, ohne dass die Karten umgetauscht werden müssen. Ein Umtausch kostet bis zu zehn Euro pro Karte, insgesamt würde das also einen dreistelligen Millionenbetrag verschlingen. "Möglicherweise lässt sich das Problem durch eine Umprogrammierung der Software beheben", sagte ein Sparkassen-Sprecher. Die Karte erhielte dann beim Abheben am Geldautomaten ein Update, für die Kunden bedeute das keinen zusätzlichen Aufwand. Werden die Karten ausgetauscht, müssten sich die Kunden dagegen auch eine neue PIN-Nummer merken.

Ein billiger Trick

Die Einzelhändler wollen indes Schadenersatz von den Banken. "Wir haben verärgerte Kunden und verloren gegangene Einnahmen, wofür wir schlicht nichts können", sagte Stefan Genth vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels. Jeder fünfte der eine Million Terminals sei betroffen. Nicht jeder Kunde habe genügend Bargeld in der Tasche, einige ließen die Ware dann im Laden.

Findige Einzelhändler und Bankkunden behalfen sich mit einem Trick: Sie klebten Isolierband auf den Chip der Karte und machten ihn damit für das Lesegerät unsichtbar. Dieses greift daraufhin auf den herkömmlichen Magnetstreifen zu, und das Bezahlen ist wieder möglich. Der Zentrale Kreditausschuss rät aber dringend davon ab, Karten zu manipulieren. Es stelle sich zum Beispiel die Frage der Haftung, wenn Lesegeräte dadurch beschäftigt würden.

Im Grunde aber haben auch die Banken selbst nichts anderes gemacht: Sie haben eine Software installiert, die dem Geldautomaten sagt, er solle nicht auf den Chip achten, sondern auf den Magnetstreifen zugreifen. Eine Dauerlösung ist das nicht. Der Chip wurde eigentlich eingeführt, um die Sicherheit der Karten zu erhöhen, bis Ende 2010 sollen alle Karten damit ausgerüstet sein. Vorher aber müssen sie erst funktionieren.

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