Banker nach der Lehman-Pleite:Einst Übeltäter, jetzt Gewinner

Was wurde eigentlich aus Richard Fuld, Angelo Mozilo oder Maurice Greenberg? Die Gesichter der Krise ritten Finanzkonzerne in den Abgrund - geschadet hat es ihnen nicht.

Nikolaus Piper

Er hatte das Gesicht der Krise: Grob, bullig, heruntergezogene Mundwinkel. Richard Fuld, Chef der untergegangenen Investmentbank Lehman Brothers, war der berühmteste der Skandalbanker des Katastrophenjahres 2008.

Stur und unbeherrscht wollte Fuld bis fast zum bitteren Ende die wahre Lage seiner Bank nicht erkennen. Er weigerte sich, Kapital aufzunehmen, als dazu noch Zeit gewesen wäre, und verbreitete Illusionen unter den Mitarbeitern. Als alles vorbei war und Fuld im Januar vor dem Kongress in Washington aussagen musste, begrüßten ihn Besucher mit rosafarbenen Schildern: "Schande".

Seither ist es still geworden um ihn und die anderen Banker, die die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit achtzig Jahren zu verantworten hatten. Er lebt mit seiner Frau zurückgezogen in einer Villa in Greenwich (Connecticut). Jetzt gelang es einer Reporterin der Agentur Reuters, Fuld in seinem Ferienhaus in Ketchum (Bundesstaat Idaho) aufzustöbern.

Stur wie eh und je

Dabei äußerte er sich stur wie eh und je, etwas selbstmitleidig und kein bisschen selbstkritisch zum ersten Jahrestag der Lehman-Pleite am kommenden Dienstag. "Man hat auf mich eingeprügelt, man hat mich mit Schmutz beworfen, und alles wird sich wiederholen", sagte er. Dann fügte der 62-Jährige hinzu: "Wissen Sie, die Leute reden jede Menge Unfug. Es ist eine Schande, dass sie die Wahrheit nicht wissen, aber von mir werden sie sie nicht erfahren."

Auf jeden Fall ist Fuld auch nach der Pleite kein armer Mann. Im August verkaufte er seine Eigentumswohnung in Manhattan für 25,87 Millionen Dollar. Das Geschäft war profitabel, die Fulds hatten die Wohnung 2007 für 21 Millionen gekauft. Unmittelbar nach der Lehman-Pleite, im November 2008, hatte Fuld erstmals mit einem Immobilienverkauf für Aufsehen gesorgt: Er veräußerte sein Anwesen auf Jupiter Island in Florida (Wert: 13 Millionen Dollar) für zehn Dollar - an seine Frau. Er wollte so wohl vorsorgen für den Fall von Schadensersatzklagen, zu denen es aber nie kam.

Die Hybris der Krise

Lehman-Konkursverwalter Bryan Marsal äußerte sich zuletzt positiv über Fuld. Der Ex-Chef habe ihn unterstützt. Er spreche Fuld auch heute noch an, um Rat bei komplizierten Geschäften einzuholen. Fuld bekomme dafür kein Gehalt, habe aber noch ein Büro im Lehman-Gebäude am Times Square, das heute der britischen Barclays Bank gehört.

Immerhin hat Richard Fuld keine Probleme mit der Justiz, ganz anders als Angelo Mozilo. Die Börsenaufsicht SEC beschuldigt den Gründer und Ex-Chef der US-Hypothekenbank Countrywide zusammen mit zwei seiner Manager des Wertpapierbetrugs und des Insiderhandels.

Das Zivilverfahren soll demnächst beginnen. Kern der Vorwürfe: Mozilo habe nach außen beständig die hohe Qualität der Hypotheken im Bestand von Countrywide gepriesen, und zwar als er sich zu Mitarbeitern bereits sehr besorgt über Zahlungsausfälle geäußert hatte. Countrywide wurde im Januar 2008 von der Bank of America übernommen.

Mehr noch als Fuld symbolisiert Mozilo, heute 70, die Hybris, die in die Finanzkrise führte. Countrywide drehte in den Jahren des Immobilienbooms ein großes Rad mit Hypotheken, die die Hauskäufer sich eigentlich nicht leisten konnten.

Wo die Banker geblieben sind

Mozilo, der in bescheidenen Verhältnissen in der Bronx aufwuchs, wurde dabei steinreich. Nach US-Medienberichten verdiente er zwischen 2001 und 2006 insgesamt 470 Millionen Dollar.

Mehrere Politiker in Washington versorgte er mit günstigen Krediten - sie gehörten zu einem informellen Kreis, der "Friends of Angelo" genannt wurde. Das Magazin Time nannte Mozilo den "wichtigsten Übeltäter" der Krise. Aber auch er findet noch Verteidiger: Seine Schwester Lori Mozilo schrieb noch im Herbst, ihr Bruder habe es als seine Lebensaufgabe aufgefasst, "den amerikanischen Traum allen Amerikanern möglich zu machen".

Auch James Cayne, 75, war bis zum Schluss davon überzeugt, richtig gehandelt zu haben, und ist es wohl auch heute noch. Der langjährige Chef der Investmentbank Bear Stearns zeichnete sich unter anderem dadurch aus, dass er im März 2008, als seine Bank am Rande des Zusammenbruchs stand, auf einem Bridge-Turnier in Nashville war und dort weder per Telefon noch per E-Mail erreichbar war.

Bear Stearns wurde in einer Notaktion verkauft. Nach dem Untergang der Bank erzählte Cayne dem Magazin Fortune, er sei kurz vor Ausbruch der Krise mit einer Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden und danach angeschlagen gewesen.

Bemerkenswert ist auch die Karriere von Stan O'Neal, 57, dem früheren Chef von Merrill Lynch. O'Neal geriet im Herbst 2007 unter massiven Druck, nachdem die Investmentbank in den Strudel der Hypothekenkrise geraten war. Als sich die Milliardenverluste anhäuften, versuchte er, ohne Wissen des Verwaltungsrats eine Fusion mit der Wachovia-Bank einzufädeln und wurde daraufhin entlassen.

Gut versorgte Banker

Dabei erhielt er eine der höchsten Abfindungen in der Geschichte der Wall Street: 161 Millionen Dollar. O'Neals Nachfolger verkaufte die Bank später an die Bank of America. Heute macht O'Neal, was viele Ex-Manager machen: Er sitzt in Verwaltungsräten, unter anderem dem des Aluminium-Konzerns Alcoa und eines Finanzunternehmens.

Ungewöhnlich schließlich die Personalentwicklung bei AIG. Kurz nach dem Fall von Lehman stand auch der einst größte Versicherer der Welt vor dem Zusammenbruch und musste von der US-Regierung gerettet werden. Heute ist AIG faktisch ein Staatsbetrieb.

Der Manager, der AIG groß gemacht, der aber die Versicherung auch in das desaströse Geschäft mit hochriskanten Anleiheversicherungen getrieben hat, war Maurice "Hank" Greenberg. Der hatte jedoch bereits 2005 wegen des Verdachts auf Bilanzbetrug gehen müssen. Allerdings blieb er einer der wichtigsten AIG-Aktionäre und focht in dieser Funktion einen langen Rechtsstreit mit AIG aus.

Auf Greenberg folgten zwei Kurzzeit-Manager, der gegenwärtige Chef heißt Robert Benmosche; er teilte kürzlich mit, dass er Greenberg gebeten habe, ihm bei der Abwicklung von AIG zu helfen. Greenberg selbst zahlte 15 Millionen Dollar, um den Rechtsstreit mit AIG beizulegen. Als bekannt wurde, dass Greenberg und AIG wieder zusammenarbeiten, schoss der Kurs der Aktie in die Höhe.

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