Bankenverbandschef Michael Kemmer:"Wir fürchten keine Testkäufer"

Beraten Banken ihre Kunden schlecht? Diesen Vorwurf will Bankenverbandschef Kemmer keinesfalls stehen lassen. Ein Register für Kundenberater fürchtet er nicht, die Diskriminierung von Beratern hingegen schon.

Daniela Kuhr

Auch drei Jahre nach der Finanzkrise sind viele Kunden noch immer misstrauisch gegenüber Banken. Zu häufig hatten sie erlebt, dass ihnen unsinnige Produkte aufgeschwatzt worden waren. Mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, das am kommenden Mittwoch im Finanzausschuss des Bundestags beschlossen werden soll, will die schwarz-gelbe Koalition für Abhilfe sorgen. Michael Kemmer, Geschäftsführer des Bankenverbands, fürchtet jedoch: "Da droht uns ein gewaltiger bürokratischer Aufwand." Kemmer steht derzeit selbst in der Kritik. Als früherer Finanzvorstand der BayernLB soll er für Milliardenverluste mitverantwortlich sein. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt. Zu den Vorwürfen wollte Kemmer sich im SZ-Interview jedoch nicht äußern.

Michael Kemmer

Michael Kemmer: "Verdeckte Ermittler, das klingt nach organisierter Kriminalität. Damit stehen alle Berater unter Generalverdacht, und das ist diskriminierend."

(Foto: dpa)

SZ: Herr Kemmer, wenn Sie Geld anlegen, von wem lassen Sie sich beraten?

Kemmer: Von dem Kundenberater meiner Bank, wie jeder andere auch. Ich kenne ihn schon lange und vertraue ihm.

SZ: Können Sie trotzdem verstehen, wenn Kunden vor einem Beratungsgespräch Bauchgrimmen haben?

Kemmer: Das kann ich sogar sehr gut. Wir verkaufen teilweise hoch komplizierte Produkte, die gerade für den unerfahrenen Laien nicht ohne weiteres verständlich sind. Da ich vom Fach bin, blicke ich vielleicht etwas leichter durch. Aber mir ist klar, dass sich viele Menschen damit schwer tun. Umso wichtiger ist, dass sich der Berater Zeit nimmt.

SZ: Aber kann er das überhaupt? Man hört viel von dem enormen Verkaufsdruck, unter dem die Berater stehen.

Kemmer: Schon von Gesetzes wegen sind die Berater verpflichtet, stets im Interesse des Kunden zu beraten.

SZ: Der Vorgesetzte ist einem aber deutlich näher als das Gesetz.

Kemmer: Keine Frage, es gibt Fälle, in denen falsch beraten wurde. Und das ist auch für die Zukunft nicht auszuschließen. Aber die allermeisten Berater beraten gut - weil sie genau wissen, dass nur ein zufriedener Kunde wieder kommt.

SZ: Wenn das so ist, warum ist dann so viel schief gelaufen? Allein das Provisionssystem führt doch zwangsläufig dazu, dass dem Kunden nicht das beste Produkt verkauft wird, sondern das, für das die Bank die höchste Provision kassiert.

Kemmer: Der Schluss mag naheliegen, ist aber nicht zwingend. Manche Produkte sind beratungsintensiver, und das muss sich in der Höhe der Provision widerspiegeln. Die Kunst ist, ein Produkt zu vermitteln, mit dem sowohl der Kunde als auch die Bank Geld verdienen.

SZ: Es gibt Juristen, die vergleichen die Provisionen mit Schmiergeld.

Kemmer: Das Wort ist bei einer Anlageberatung genau so unangemessen wie beim Autokauf. Entscheidend ist, dass die Provision für den Kunden transparent ist. Dann kann er zwischen verschiedenen Produkten vergleichen und sich überlegen, ob sie ihm das Geld wert sind.

"Verdeckte Ermittler, das klingt nach organisierter Kriminalität"

SZ: Wenn man Sie hört, könnte man meinen, es gebe keine Probleme. Warum schneiden die Banken dann bei Tests von Verbraucherschützern so verheerend ab?

Kemmer: Das stimmt ja so nicht, Test ist nicht gleich Wirklichkeit, und die sieht so aus, dass über 84 Prozent aller Kunden mit ihrer Hausbank zufrieden sind, das zeigen unsere Befragungen. Wo aber Beratungsfehler durch seriöse Tests aufgedeckt werden, nehmen wir die Ergebnisse sehr ernst.

SZ: Dann haben Sie sicher nichts gegen die verdeckten Ermittler, mit denen die Finanzaufsicht Bafin künftig die Beratungsqualität testen will.

Kemmer: Wir fürchten keine Testkäufer, denn wir haben nichts zu verbergen. Unser Ziel ist es, die Kunden gut zu beraten. An dem Vorschlag stört mich aber die Wortwahl. Verdeckte Ermittler, das klingt nach organisierter Kriminalität. Damit stehen alle Berater unter Generalverdacht, und das ist diskriminierend.

SZ: Die Branche ist selbst schuld. Gerade weil so oft falsch beraten wurde, will die Regierung vorschreiben, dass alle 300.000 Bankberater bei der Bafin in einem Register geführt werden.

Kemmer: Da droht uns ein gewaltiger bürokratischer Aufwand. Mir ist auch nicht klar, wie das zu einer besseren Qualität in der Anlageberatung führen soll. Bereits jetzt sind die Banken verpflichtet, Beschwerden lückenlos zu erfassen. Jeder Fall, in dem sich ein Kunde beschwert, muss systematisch aufgeschrieben werden. Die Bafin kontrolliert das. Statt jetzt noch ein Riesenregister einzuführen, wäre es sinnvoller, die Banken zu verpflichten, dass sie Fälle schwerer Fehlberatung sofort melden müssen.

SZ: Bevor ein Kunde sich beschweren kann, muss er erstmal erkennen, dass er schlecht beraten wurde. Bei Lehman-Zertifikaten hat das viele Jahre gedauert.

Kemmer: Wenn falsch beraten wurde, wäre das durch ein Register auch nicht schneller aufgeflogen. Denn auch da braucht man Kunden, die sich beschweren. Nur dann fällt auf, wenn ein Berater systematisch falsch berät.

SZ: Die Regierung will den Grauen Kapitalmarkt in den Griff bekommen, an dem Milliarden versenkt werden. Künftig sollen freie Vermittler von Graumarktprodukten wie geschlossenen Fonds von der Gewerbeaufsicht überwacht werden. Löst dies das Problem?

Kemmer: Überhaupt nicht. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, warum Banken von der Finanzaufsicht, freie Vermittler aber von der Gewerbeaufsicht überwacht werden sollen. Dort ist nicht die Fachkompetenz vorhanden, die man für solche komplexen Produkte benötigt.

SZ: Angeblich plädiert man für diese Lösung, weil die Bafin andernfalls viel mehr Mitarbeiter bräuchte.

Kemmer: Das bräuchten die Gewerbeaufsichtsämter doch wohl hoffentlich auch. Denn wenn sie es nicht bräuchten, ließe das Schlimmes für die Intensität der Beaufsichtigung ahnen. Entscheidend ist für mich aber die Sicht des Kunden. Für ihn macht es keinen Unterschied, ob er von einem freien Vermittler oder von einem Bankmitarbeiter beraten wird. In jedem Fall will er vernünftig beraten werden. Und er erwartet eine einheitliche staatliche Kontrolle.

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