Bankenkrise in Europa:Wer kommt als Nächstes dran?

Die belgisch-französische Dexia-Finanzgruppe hatte den Stresstest besser absolviert als alle Großbanken Frankreichs. Nach der Rettungsaktion für das Institut ist klar: Die Aussagekraft der Tests ist beschränkt, es kann schnell bergab gehen. Doch welche Banken könnten ebenfalls gefährdet sein?

Harald Freiberger, Michael Kläsgen und Andreas Oldag

Die taumelnde Dexia-Bank ist gerettet, die Krise geht weiter. Belgien und Frankreich wollen die Finanzgruppe aufspalten und zum Teil verstaatlichen. Doch die Ursache der Malaise ist damit nicht behoben. Dexia kam deshalb ins Taumeln, weil die Bank stark in den europäischen Peripherieländern engagiert ist. Je näher ein Schuldenschnitt in Griechenland rückt, umso größer die Gefahr, dass die Bank klamm wird. Die Folge: Dexia wurde zum Opfer einer grassierenden Vertrauenskrise. Weil Banken bei anderen Banken Probleme vermuten, leihen sie sich untereinander nur noch zögerlich Geld. Dexia fehlte es daher an Bargeldmitteln, das Geldhaus scheiterte an mangelnder Liquidität.

Bankenkrise in Europa: Wie ein Schuldenerlass für Griechenland Europas Banken treffen würde.

Wie ein Schuldenerlass für Griechenland Europas Banken treffen würde.

Mit diesem Problem haben auch andere Banken zu kämpfen. Deshalb stellen sich die Finanzmärkte die bange Frage: Wer ist der nächste? Die Investoren schauen bei Banken auf die möglichen Risiken aus Engagements in europäischen Staaten, zuallererst in Griechenland. Beim Stresstest im Sommer meldeten alle teilnehmenden 91 europäischen Banken, wie hoch ihr Engagement in den Schuldenstaaten ist. Da ein Ausfall von Anleihen im Stresstest selbst aber nicht berücksichtigt wurde, kamen die meisten Banken durch den Test. Inzwischen aber ist klar, dass es ohne einen Schuldenschnitt in Griechenland kaum mehr geht. Im Gespräch sind 50 bis 60 Prozent.

Angst vor der Ansteckung

Deshalb werden die Daten, die von Ende 2010 stammen, nun wieder hervorgeholt. Sie geben Aufschluss darüber, wie groß die Probleme der einzelnen Banken sind. Dabei haben die meisten Institute ihr Griechenland-Engagement inzwischen zum Teil abgeschrieben. Auf dem Euro-Gipfel Ende Juli erklärte sich die Finanzbranche bereit, sich mindestens mit 21 Prozent zu beteiligen. Einige Banken gingen sogar darüber hinaus, so die Deutsche Bank, die ihr Engagement von 1,7 Milliarden auf 900 Millionen Euro heruntergefahren hat. Die Commerzbank senkte es um 760 Millionen auf 2,2 Milliarden Euro. Bei anderen deutschen Instituten sind die Engagements geringer. Nur die Abwicklungsbank der Hypo Real Estate hat noch eine größere Position, aber diese ist ohnehin verstaatlicht.

Einen Schuldenschnitt griechischer Anleihen würden deutsche Banken wahrscheinlich verkraften. Die Aufseher sorgen sich mehr um mögliche Ansteckungseffekte: Wenn auch noch irische, portugiesische und am Ende sogar italienische und spanische Anleihen abgeschrieben werden müssen, kommen viele Institute in Bedrängnis.

Sorge um die Royal Bank of Scotland

Noch kritischer sieht es bei den führenden französischen Geldhäusern BNP Paribas, Société Générale und Crédit Agricole aus. Sie haben allein in Griechenland mehr risikobehaftete Anleihen als alle anderen außer den griechischen Instituten selbst. Zweifel sind angebracht, und zwar umso stärker, je lauter Frankreich betont, dass es keinerlei Ansteckungsgefahr für seine Großbanken gebe, so wie es Finanzminister François Baroin erst am Montag wieder tat. In Wahrheit hat in Frankreich längst das große Zähneklappern begonnen. Das Land stehe wie das Kaninchen vor der Schlange, heißt es in Diplomatenkreisen.

Baroin spricht von einem "Sonderfall" Dexia. In der Tat ist Dexia kaum zu vergleichen mit anderen Banken. Sie war einer der größten kommunalen Kreditfinanzierer in Europa. Aber das hätte sie eher vor den Verwerfungen der Schuldenkrise im Euroraum schützen müssen. Den Stresstest absolvierte sie besser als alle französischen Großbanken. Die Lehre daraus: Die Aussagekraft der Tests ist beschränkt, es kann schnell bergab gehen. Verschwinden wird Dexia zwar nicht, ihr Name bleibt erhalten, aber sie wird zerschlagen. Der eine Teil, die Geschäftsbank Dexia Belgien DBB, wird von der Regierung in Brüssel, der andere Teil, der kommunale Kreditfinanzierer, faktisch von Paris verstaatlicht: Ein Konsortium aus französischen Staatsbanken rund um die Caisse des Dépôts et Consignations (CDC) und der Postbank, Banque Postale, soll ihn übernehmen.

Auch in der britischen Regierung wachsen die Sorgen vor einer neuen teuren Rettungsaktion für die angeschlagene Royal Bank of Scotland (RBS). Sie hat Milliardensummen in Staatspapieren von Euro-Schuldenländern angelegt, beim Stresstest waren 6,8 Milliarden Euro im Feuer. Allerdings ist es RBS im ersten Halbjahr gelungen, den Wert ihrer griechischen Staatsanleihen von 1,2 Milliarden Euro nach unten zu korrigieren. Die größte Gefahr geht vom Italien-Engagement der RBS aus, wo noch etwa vier Milliarden Euro angelegt sind.

Die RBS musste bereits während der Finanzkrise 2008 gerettet werden. Das Institut hat 2008 bis 2010 einen Verlust von etwa 29 Milliarden Pfund angehäuft. Die Kosten für die Rettung der Bank, die zu 84 Prozent dem britischen Staat gehört, belaufen sich bislang auf 45 Milliarden Pfund (52 Milliarden Euro). Ein RBS-Sprecher wies Berichte zurück, man benötige neue Staatshilfen. Es sei "pure Spekulation", in welchem Ausmaß Banken von einem Ausfall von Staatspapieren getroffen werden könnten.

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