Banken: Unverständliches Deutsch:"Das versteht doch kein Mensch"

Taktische Verschleierung durch Sprache: Der Kommunikationsforscher Frank Brettschneider erklärt, warum die Sprache der Banken oft schwammig und unverständlich ist.

Harald Freiberger, Frankfurt

Bekanntgeworden ist der Hohenheimer Kommunikationsforscher Frank Brettschneider, 45, mit Studien über die Botschaften von Parteien in Wahlkämpfen und ihre Wirkung. Im vergangenen Jahr arbeitete er sich in ein ganz neues Thema ein: die typischen Texte von Banken in der Finanzkrise und ihre Wirkung.

Banken: Unverständliches Deutsch: Nicht alle Geldhäuser machen ihre Kommunikationsarbeit gut. Für ein kleines Glossar von typischen Bankbegriffen und eine Auflistung der (un)verständlichsten Institute bitte auf das Bild klicken.

Nicht alle Geldhäuser machen ihre Kommunikationsarbeit gut. Für ein kleines Glossar von typischen Bankbegriffen und eine Auflistung der (un)verständlichsten Institute bitte auf das Bild klicken.

SZ: Herr Brettschneider, Sie haben untersucht, wie verständlich die Sprache der Banken ist. Wie macht man das?

Frank Brettschneider: Wir haben uns typische Texte von Banken angesehen, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Newsletter oder Pressemitteilungen, 295 Dokumente von 39 Banken. Es gibt nach 60 Jahren Forschung gute Kriterien für die Verständlichkeit von Sprache.

SZ: Und was sind die Ergebnisse?

Brettschneider: Die Bandbreite ist groß. Einige Banken machen ihre Kommunikationsarbeit gut, viele könnten sie besser machen. Auch war kein Institut in allen Bereichen gleich stark. Einige fielen durch gute Geschäftsbedingungen auf, hatten aber schlechte Pressemitteilungen. Daraus schließen wir, dass die Kommunikation oft noch nicht aus einem Guss ist.

SZ: Was sind die größten Fehler?

Brettschneider: Zu viele Schachtelsätze, zu viele Fremdwörter, zu viele Passivkonstruktionen.

SZ: Was ist am Passiv so schlimm?

Brettschneider: Es ist umständlich und kundenfeindlich, weil man nicht erfährt, wer eigentlich der Handelnde ist. Ein Beispiel: "Dabei wird Ihnen von uns jeweils der Zweck angegeben, zu dem die Daten im Falle Ihrer Einwilligung erhoben und verarbeitet werden."

SZ: Wie wäre es besser?

Brettschneider: "Wir erläutern Ihnen jeweils den Zweck, weshalb wir Ihre Daten erheben und verarbeiten."

SZ: Vielleicht wollen Banken manchmal gar nicht so verständlich sein.

Brettschneider: Das Mittel der taktischen Verschleierung durch Sprache ist durchaus bekannt. Ex-Kanzler Schröder konnte sehr klar sprechen, wenn es um Populäres ging: Subjekt, Prädikat, Objekt. Aber in seiner Rede zur Agenda 2010, die viel Unpopuläres enthielt, fanden sich viele Schachtelsätze. Und da hatten Redenschreiber wochenlang drübergesessen. Unangenehmes lässt sich durch unklare Sprache verwischen.

"Zeitdruck, Gedankenlosigkeit, Bequemlichkeit"

SZ: Welches Interesse haben Banken daran, Informationen zu verschleiern?

Banken: Unverständliches Deutsch: Kommunikationsforscher Frank Brettschneider: "Banken brauchen eine Instanz, die die zentrale Bedeutung der Verständlichkeit verstanden hat."

Kommunikationsforscher Frank Brettschneider: "Banken brauchen eine Instanz, die die zentrale Bedeutung der Verständlichkeit verstanden hat."

Brettschneider: Es gibt ja Vorwürfe von Verbraucherschützern, dass Banken in Produktinformationen zwar juristisch wasserdicht über alles aufklären, aber nicht so, dass es die Kunden auch verstehen - möglicherweise, weil sie die Produkte dann nicht mehr kaufen würden.

SZ: Haben Sie solche Produktinformationen auch untersucht?

Brettschneider: Noch nicht, weil man dazu inhaltliches Know-how über Bankprodukte braucht. Vorerst haben wir uns auf die formalen Punkte der Verständlichkeit beschränkt. Wir planen aber eine Kooperation mit einem Banken-Lehrstuhl, um künftig auch die Produktseite abzudecken.

SZ: Ist unverständliche Sprache bei den Banken immer böser Wille?

Brettschneider: Es gibt auch andere Motive: Zeitdruck, Gedankenlosigkeit, Bequemlichkeit führen dazu, dass auch PR-Leute in die Routine ihrer Fachsprache zurückfallen. Da werden Vokabeln wie "Bonität" nicht übersetzt oder erklärt, wie man es bei Texten, die sich an Kunden wenden, eigentlich tun müsste.

SZ: Brauchen Banken Übersetzer?

Brettschneider: Das war ein wichtiger Teil der Schlichtung von Heiner Geißler im Streit um Stuttgart 21. Er hat den Experten häufig vorgeworfen: "Das versteht doch kein Mensch!" Ein Bauingenieur sprach von "Überwerfungsbauwerken", und Geißler fragte nach, ob das Brücken seien. Es waren Brücken.

SZ: Also wären auch Schlichter gut?

Brettschneider: Banken brauchen eine Instanz, die die zentrale Bedeutung der Verständlichkeit verstanden hat. Im Idealfall ist das ein Chef, der zwischen den Abteilungen schlichtet. Oft haben Juristen oder Betriebswirtschafter das letzte Wort. Es ist noch nicht überall angekommen, dass die Fachleute für Verständlichkeit genauso wichtig sind.

SZ: Sagen Sie jetzt als Kommunikationswissenschaftsprofessor...

Brettschneider: Ein Juraprofessor sieht es vielleicht anders, aber er hat unrecht. Wenn man möchte, dass man mit seinen Botschaften ankommt, ist es nötig, sich verständlich auszudrücken.

SZ: Manchmal hat man den Eindruck, dass die Banken nicht zu wenig informieren, sondern zu viel, wenn man 30 Seiten Produktprospekt bekommt.

Brettschneider: Die Banken gewichten die Informationen nicht nach dem für Kunden Relevanten. Man kann wunde Punkte wie das hohe Risiko eines Produkts, in viel Text auch gut verstecken. Das Ergebnis ist, dass die Kunden oft gar nicht zu lesen anfangen. Ein Maximum an Information erzeugt ein Minimum an Informiertheit.

SZ: Vielleicht wollen manche einfach im Schatten ihre Geschäfte machen.

Brettschneider: Das wird künftig nicht mehr gehen. Die Institute haben in der Finanzkrise einen gewaltigen Vertrauensverlust erlitten, der sich nur Transparenz gutmachen lässt. Und dazu gehört verständliche Sprache. Es gibt ja Ansätze aus dem Verbraucherschutzministerium, Banken zu kurzen und verständlichen Produktinformationen anzuhalten. Wenn sie das nicht selbst machen, wird die Politik sie dazu zwingen.

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