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Banken und soziale Netzwerke:Klick mich!

Facebook, Twitter, StudiVZ - viele Banken werben junge Kunden in sozialen Netzwerken. Ein Drathseilakt: Die Nutzer wollen keine plumpe Produktwerbung, sondern Unterhaltung. Doch die Banken könnten ihr seriöses Image verlieren.

Daniela Winderl

Man muss schon etwas bieten, um in der virtuellen Welt aufzufallen. Die Volksbank Bühl etwa wollte von ihrer jungen Online-Gemeinde auf Facebook wissen, wie zufrieden die mit dem Kontoangebot für Berufsanfänger ist - natürlich nicht ohne Hintergedanken. Als Gegenleistung für eine Kontoeröffnung spendierte die Volksbank einen iPod von Apple. Das Ergebnis: Nur 17Nutzer machten bei der Umfrage mit.

Über Finanzthemen spricht die Online-Gemeinde der Volksbank Bühl nämlich nicht gerne. 600 Mitglieder zählt sie insgesamt und es sind andere Themen, die sie bewegen: Das Fußballspiel des Karlsruher SC gegen den FC Lichtenau zum Beispiel. Über Themen wie diese wird online ausführlich diskutiert. Viele Mitglieder haben sich wegen der Möglichkeit der regionalen Kommunikation überhaupt erst bei der Seite angemeldet. Volksbank-Produkte interessieren da eher wenig.

Es ist ein Problem, mit dem viele Banken zu kämpfen haben. Immer mehr Finanzinstitute investieren in eigene Auftritte bei sozialen Netzwerken im Internet. Sie haben die Chance erkannt: Wo sonst lässt sich eine so große Zielgruppe von Jugendlichen direkt erreichen? Abgesehen von den Vereinigten Staaten und China besuchen nirgendwo auf der Welt so viele Menschen die Seiten von Facebook, Twitter, StudiVZ oder Youtube wie in Deutschland. Die Banken versprechen sich über die Online-Netzwerke nicht nur Verkaufserfolge, sondern wollen gleichzeitig mehr über ihre junge Zielgruppe und deren Interessen erfahren. Häufig scheitert das allerdings schon an der Umsetzung, denn die Banken finden oft nicht den Zugang zur jungen Zielgruppe.

"Banken haben die Regeln noch nicht verinnerlicht, nach denen das sogenannte Social Web tickt", sagt Berater Stephan Fink. Wer dort ernst genommen werden will, müsse kritische Kommentare aushalten können und schnell und konsequent auf Nutzerfragen reagieren. Finks Agentur Fink & Fuchs hat gemeinsam mit der Universität Leipzig die Aktivitäten deutscher Firmen in sozialen Netzwerken untersucht. Das Ergebnis: Zwar ist über die Hälfte der Unternehmen dort aktiv, meist aber noch in einem Experimentierstadium.

Welche Ansätze funktionieren?

Das gilt insbesondere für die Finanzbranche. Probiert wird viel, um die jungen Nutzer auf die eigenen Seiten zu locken: Gewinnspiele, Nachrichtendienste, Expertenratgeber oder Stelleninserate zum Beispiel. Eine Strategie steckt selten dahinter.

Besonders aktiv beim Thema Social Media sind seit rund einem Jahr - neben den Volks- und Raiffeisenbanken - die Sparkassen. Beide wittern wegen ihrer breiten Präsenz einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der privaten Konkurrenz. "Aber wir stehen vor zwei Problemen", räumt Lothar Weissenberger, Markenverantwortlicher der Sparkassen beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV), ein. "Die junge Zielgruppe ist praktisch nur mehr digital zu erreichen und zudem kritischer geworden, was Werbung angeht." Mit plumpen Produkthinweisen à la 'Schließ doch mal das Konto XY bei uns ab', ist im Netz wenig zu gewinnen. Dafür hagelt es eher böse Kommentare. Gefragt sind außergewöhnliche Ansätze." Aber nur welche?

Bei den Sparkassen kann jede Filiale selbst entscheiden, wie aktiv sie im Internet ist. Vor kurzem sind die ostdeutschen Sparkassen mit einer "S-Lounge" in das Schüler- und StudiVZ-Netzwerk eingestiegen. Als Musterbeispiel im Verbund aber gilt die Berliner Sparkasse. Sie hat mit der Aktion "Giro Challenge" dieses Jahr in kurzer Zeit mehr als 1000 Facebook-Anhänger gesammelt. Vier Kunden durften ausgestattet mit Computer und 5000 Euro Taschengeld durch vier Länder reisen, mussten dort Aufgaben lösen und auf Facebook Tagebuch führen. Mit dem Projekt hat die Berliner Sparkasse ihr Girokonto beworben.

Es sind vor allem die populären Themen, an denen viele Banken in der virtuellen Welt scheitern. "Bunte Inhalte funktionieren noch am besten", sagt Boris Janek, der beim Dienstleister VR-Networld an der Social-Media-Taktik der Volks- und Raiffeisenbanken arbeitet. Das bedeutet für die Banken ein Dilemma. Einerseits müssen sie beliebte Themen wie Sportereignisse und örtliche Veranstaltungen aufgreifen, um Internetnutzer auf die eigenen Seiten zu holen. Andererseits kann eine Bank auch sehr schnell an Seriosität und Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie nur auf seichte Unterhaltung setzt.

Soziale Netzwerke sind die Zukunft der Kundenkommunikation

Privatbanken wagen sich noch aus einem anderen Grund vorsichtig in Online-Netzwerke: Es ist nicht klar, wie viel Produktkommunikation überhaupt erlaubt ist. Der rechtliche Rahmen ist noch nicht vollständig abgesteckt. Deswegen ist etwa die Deutsche Bank zwar auf allen Kanälen vertreten, nutzt die sozialen Medien aber vornehmlich, um Unternehmensnachrichten weiterzuverbreiten.

Auch bei den Volks- und Raiffeisenbanken dürfen die Filialen ihre Auftritte selbst bestimmen. Hier zählt die Volksbank Bühl als Vorreiter; trotz des bisweilen mäßigen Erfolgs wie bei der Umfrage zu den Berufsanfänger-Konten. Die Bühler unterhalten einen eignenen Kanal beim Kurznachrichtendienst Twitter, stellen beim Videoportal Youtube Filme ins Netz und treten mit ihren Kunden über die eigene Facebook-Gruppe in Kontakt.

Social-Media-Plattformen sind die Zukunft, wenn es um die Ansprache von jungen Kunden geht. Immerhin, soweit ist sich die Branche trotz unterschiedlicher Konzepte einig. Die Banken haben mittlerweile selbst erkannt, dass sie sich mehr auf die junge Kundschaft im Internet einstellen müssen. Sowohl der DSGV wie auch der Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken arbeiten an einer übergreifenden Strategie zur Kundenansprache in sozialen Netzwerken. Die Filialen selbst holen sich derweil Unterstützung direkt im Netz. Die Berliner Sparkasse etwa will ihren Facebook-Auftritt noch einmal überarbeiten und hat bei der Gruppe nachgefragt, welche Inhalte die sich auf der Seite wünscht. So etwas kommt an. Mehr als 700 Nutzer haben mitgemacht. "Ausgefallene Tipps und spezielle Angebote rund um Berlin" stehen bei der Umfrage hoch im Kurs.

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Quelle:
SZ vom 29.09.2010/bbr
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