Banken in Frankreich:Rache am Geldautomaten

Stresstest reloaded: Der Ex-Fußballer Cantona ruft dazu auf, gleichzeitig die Konten zu plündern - damit das Bankensystem zusammenbricht. Auch hierzulande gibt es Sympathisanten.

Harald Freiberger und Michael Kläsgen

An diesem Dienstag wird es spannend an den Bankschaltern in ganz Europa. Werden die Kunden massenhaft kommen, um ihr Geld abzuheben? Die französische Aktion StopBanque mit ihrem Zugpferd, dem Ex-Fußballer Eric Cantona, hat zur Rache am Geldautomaten aufgerufen. "Wenn 20 Millionen Menschen gleichzeitig ihr Geld von den Banken abzögen, dann würde deren System zusammenbrechen", sagte Cantona vor zwei Monaten in einem Internetaufruf, der mehr als 300.000 Mal angeklickt wurde. Der 7. Dezember soll zum "Bank-Run-Tag" werden.

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Solche Szenen wie vor dieser Northern-Rock-Filiale im September 2007 will Ex-Fußballer Eric Cantona öfter sehen: Bürger sollen in Scharen zu den Banken, um Geld abzuheben - damit das System zusammenbricht.

(Foto: dpa)

Während die Aktion in Frankreich hohe Wellen schlägt, blieb es in Deutschland vergleichsweise ruhig. Auf der Internetseite von Facebook erklärten bis Ende vergangener Woche 32.000 Franzosen, dass sie an der Aktion teilnehmen wollen. In Deutschland gab es nur 3000 solche Zusagen. "Wir sehen keine Gefahr für das deutsche Bankensystem", sagte ein Sprecher des Bundesverbands Deutscher Banken. Gefährlich sei es allenfalls für Bankkunden, wenn sie hohe Bargeldbestände mit sich herumtrügen. Gleichwohl müsse man die Aktion ernst nehmen, weil sie zeige, welchen Vertrauensverlust die Banken erlitten hätten.

Auch Martin Faust, Professor an der Frankfurt School of Finance, sieht in dem Aufruf keine größere Gefahr für die Banken. "Es handelt sich um eine einzelne Attacke, die keine ökonomische Ursache hat", sagt er. Anders als nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers vor gut zwei Jahren bestehe kein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Banken. Deshalb dürfte die Aktion eher begrenzte und symbolische Wirkung haben, nicht aber zu wirklichen Problemen bei einzelnen Banken führen.

Ein echter Banken-Run wäre deshalb so gefährlich, weil dabei ein Dominoeffekt entstünde. Kunden, die Probleme bei einer Bank sehen, misstrauen auch den anderen Instituten und ziehen dort ihr Geld ab. Die Banken haben das Geld aber nicht vorrätig, weil es zum großen Teil langfristig in Form von Krediten verliehen ist. Ein anderes Problem ist, dass nur ein Bruchteil der umlaufenden Geldmenge als Bargeld vorhanden ist. "Wenn die Masse der Kunden Geld ausgezahlt bekommen will, sind die Bestände schnell verbraucht", sagt Faust.

In Frankreich, wo die Aktion ihren Ursprung hat, glaubt zwar niemand so recht, dass es an diesem Dienstag tatsächlich zu einem Bank-Run kommen wird, aber sicher ist sich niemand. Was, wenn doch? Die Nervosität in Politik und Wirtschaft ist deswegen mit Händen zu greifen.

Journalisten zweckentfremdeten kurzerhand Pressekonferenzen, und plötzlich stand Cantona im Raum, im übertragenen Sinn jedenfalls. Zum Beispiel vorige Woche im französischen Wirtschaftsministerium: Vor mehr als 100 Journalisten musste Ministerin Christine Lagarde, sichtlich überrascht, nach einer intelligenten Antwort auf die Frage nach dem angekündigten Bank-Run suchen.

Sympathien bei den Linken

Das Thema war ihr unangenehm, sie wollte lieber über die großartigen Projekte des neuen Handels- und des neuen Industrieministers sprechen. So druckste sie herum und rang sich zu den Worten durch: "Cantona ist ein hervorragender Fußballer. Aber ich bin mir nicht sicher, ob man all seinen Vorschlägen folgen sollte." Schuster Cantona, bleibt bei deinen Leisten, wollte sie sagen. Manche spielen gut Fußball. Sie traue sich das nicht zu. Jeder solle sich um das kümmern, was er am besten könne.

Haushaltsminister François Baroin war weniger jovial, er grätschte Cantona kompromisslos in die Beine. Der Vorschlag sei "grotesk und unverantwortlich", schimpfte er. "Cantona als Finanzberater, das ist wohl nicht ganz ernst gemeint". Und dann noch deutlicher: "Wenn ein Fan seine Lebensversicherung wegen des Aufrufs auflöst, dann ist Cantona verantwortlich für das Leben dieser Menschen."

Selbst die Chefs der französischen Banken starteten einen Gegenangriff. Bankenverbandschef François Pérol versuchte, die Sache herunterzuspielen. So ein Aufruf diene niemandem, beschwichtigte er. Er glaube nicht, dass das Bankensystem dadurch gefährdet sei, fügte Pérol hinzu, aber gewiss war er sich nicht.

Der Chef der größten französischen Bank, BNP Paribas, Baudouin Prot, meinte, Cantonas Vorschlag sei unberechtigt, weil die französischen Banken ihre Anleger in der Krise recht gut beschützt hätten. Dieser Ansicht sind auch die sonst eher rabiaten Gewerkschaften. In einem Kommuniqué teilten zwei gemäßigtere unter ihnen mit, es handele sich um eine "fausse bonne idée": um eine im Prinzip gute Idee, die aber zum falschen Ziel führe, weil sie Hunderttausende Arbeitsplätze gefährden würde, wenn die Menschen mitzögen.

Ähnlich argumentiert die deutsche Partei Die Linke: "Wir finden die Idee sympathisch, aber sie kann keine Lösung in der Eurokrise sein", sagte ein Sprecher. Wenn Banken zusammenbrächen, habe das immer negative Folgen für die Volkswirtschaft und damit für die Bevölkerung.

Die seriöse französische Wirtschaftszeitung La Tribune machte eine Umfrage, um zu testen, wie groß der Zuspruch ist. Die Hälfte der befragten Leser, zeigten sich danach für die Idee von Cantona empfänglich. Ein Drittel der 2000 Teilnehmer erklärte sich sogar bereit, an der Aktion teilzunehmen. Im Internet fanden sich 20-mal mehr potentielle Bank-Runner. Aber 20 Millionen Menschen, wie Cantona hofft, dürften nicht zusammenkommen. Außerdem gilt das, was ein deutscher Blogger zu bedenken gibt: "Ich finde die Aktion super, aber realistisch werden die Leute, die das toll finden, wahrscheinlich gar nicht über die Mittel verfügen, einen Schaden anzurichten."

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