Banken: Fusion:Die endliche Geschichte

Die Dresdner Bank verschwindet und heißt nun Commerzbank. Szenen eines Abschieds, den die neuen Herren als neuen Anfang verkaufen wollen - und bei dem es zu einem skurrilen Auftritt kommt.

Martin Hesse und Markus Zydra

Bankchef Martin Blessing dreht die Kurbel. Ganz langsam. Commerzbank-Mitarbeiter und Passanten können gut beobachten, wie sich der rechteckige Sichtschutz an der Fassade des Frankfurter Fürstenhof gemächlich absenkt und das neue Logo der Commerzbank sichtbar wird: gelber Schriftzug mit gelbem Band - letzteres das Relikt der Dresdner Bank, die in den siebziger Jahren mit dem "grünen Band der Sympathie" warb.

Commerzbank fuehrt neues Logo ein

Die Commerbank bekommt ein neues Gesicht - das grüne Band der Sympathie ist nun gelb.

(Foto: ddp)

In diesem "historischen Moment", wie Blessing sagt, als das neue Logo der neuen Bank enthüllt und die Dresdner Bank nun endgültig von der Commerzbank geschluckt wird, kommt plötzlich ein Mann angelaufen. Er brüllt Blessing an: "Willst du 20 Euro haben, du armer Banker, der vom Staat gerettet wurde."

Der skurrile Auftritt passt irgendwie ins Bild, denn die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank wird immer mit der globalen Finanzkrise und der Rettung der Commerzbank durch den deutschen Steuerzahler verbunden bleiben. Blessing wirkt auch weniger irritiert angesichts des heranstürmenden Mannes mit dem Geldschein in der Hand, eher ein wenig erschrocken darüber, wie nachhaltig diese Sache bei einigen Bürgern doch noch gärt.

"ich habe es probiert"

Zuvor im Fürstenhof - das ehemalige, vom verurteilten Bau-Unternehmer Jürgen Schneider sanierte Stammhaus der Dresdner Bank - war Blessing noch deutlich entspannter. "Kunden beider Banken können jetzt in jeder der Filialen Überweisungen machen und ihre Kontoauszüge erhalten", sagte Blessing, der bei der Dresdner Bank dereinst seine Banklehre absolviert hat. Und er kokettierte: "Ich habe es vorhin probiert."

Die Commerzbank lancierte ihr neues Gesicht am Dienstag bundesweit in fünf Großstädten, auch in München. Dort hat der Regen kurz aufgehört, als Ulrich Sieber und Martin Zeil die Zeremonie am Promenadeplatz ihrem Höhepunkt entgegenführen. Dennoch haben es der Personalvorstand der Commerzbank und der bayerische Wirtschaftsminister eilig, das neue Logo an der Fassade der Dresdner-Bank-Filiale zu enthüllen. So eilig, dass manch ein Besucher den entscheidenden Moment verpasst. Den Moment, in dem die grüne Marke Dresdner Bank beerdigt wird. "München wird gelber", sagt Sieber. "Ein bisschen dürftig", findet ein Zuschauer das Logo. Wie recht sie beide haben, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.

Von diesem Dienstag an erhalten mehr als 1200 Standorte der Dresdner Bank und der Commerzbank in ganz Deutschland ein gemeinsames Markenzeichen, 56 allein in München. Bis Ende August soll das Mammutprojekt abgeschlossen sein. Mit viel Gelb wird das inszeniert. In den Fenstern am Promenadeplatz stehen Mitarbeiter mit gelben Luftballons, wie bestellt stehen Taxis mit gelben Schildern vor dem Haus und selbst der geladene FDP-Minister Zeil hat heute aus Sicht der Gastgeber die richtige Farbe.

München wird gelber, die Dresdner Bank geht unter. Ein bisschen dürftig ist nicht nur das Logo an der Niederlassung am Promenadeplatz, ein bisschen dürftig steht vor allem die neue Commerzbank da, entstanden "aus zwei stolzen und erfolgreichen Banken", wie Sieber das ausdrückt. Dabei dümpelt der Aktienkurs des Geldhauses vor sich hin.

Bank für etwas besser Verdienende

Was passiert mit der Kontonummer?

Die Geschichte der früher sehr renommierten Dresdner Bank begann am 12. November 1872. Das Institut startete mit einem Aktienkapital von acht Millionen Talern, das entspricht heute zwölf Millionen Euro, und 30 Mitarbeitern in den Räumen des ehemaligen Bankhauses Kaskel in der Wilsdruffer Straße in Dresden. Vom 7. Januar 1873 an notierte die Dresdner-Bank-Aktie an der Berliner Börse. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Teilung Deutschlands zog das Institut nach Frankfurt am Main um.

Die Dresdner, das war nach dem Selbstverständnis der Mitarbeiter lange Zeit eine Bank für etwas besser Verdienende, die deutsche Nummer Zwei. Bis zur Übernahme durch die Allianz im Jahr 2001 war der Anspruch, in einer Liga mit der Deutschen Bank zu spielen. Eine Fusion mit dem Branchenprimus aber scheiterte - nicht nur, aber auch an diesem etwas vermessenen Anspruch.

Unter der Ägide der Allianz litt das Selbstbewusstsein vieler Dresdner-Banker. Filetstücke wie die Fondsgesellschaft DIT und wertvolle Immobilien verleibte sich die Allianz ein, mit dem Rest der Bank wusste sie jedoch so recht nichts anzufangen. Zu einer konsequenten Integration in den Versicherungskonzern konnte man sich nicht durchringen, die Kontrolle an der langen Leine misslang. Als die Investmentbank Dresdner Kleinwort Milliardenverluste anhäufte, entschloss sich die Allianz schließlich zum Verkauf an die Commerzbank.

Die Zeiten für den Zusammenschluss von Commerzbank und Dresdner im Herbst 2008 hätten nicht schwieriger sein können. Zwei Wochen vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers verkündete Martin Blessing den Kauf der Dresdner Bank. Die deutsche Nummer Eins wolle man werden. Zehn Tage später konterte die Deutsche Bank mit dem Einstieg bei der Postbank. Noch einmal drei Tage später fiel Lehman. Einer der Dominosteine, die dahinter standen, waren die Fusionspartner Commerzbank und Dresdner. Gut 18 Milliarden Euro steckte die Bundesregierung in die Bank, um den Zusammenbruch zu verhindern und die Fusion zu retten, die mit dem gemeinsamen Logo nun vollzogen ist.

Aber Blessing, Sieber und die anderen Vorstände beschwören nun die Vorteile der Fusion. "Es gibt mehr Verbindendes als Trennendes", sagt Sieber, der auch für die Integration der Banken zuständig ist. Doch bis die Commerzbank auch im Bewusstsein der Mitarbeiter eine Bank ist, dürfte es noch eine Weile dauern. "Natürlich ist das kulturell und emotional nicht einfach für die Mitarbeiter", sagt ein Banker, der selbst mal bei der Dresdner gearbeitet hat. "Die Leute in den Dresdner-Filialen verlieren mit dem Verschwinden ihrer Bank auch ein Stück ihrer Identität."

Hohes Tempo

Commerzbankchef Blessing macht dennoch Druck. Vielleicht auch, weil er aus den Fehlern der Allianz gelernt hat, muss die Dresdner Bank untergehen. In hohem Tempo treibt der lange Blessing, der frühere McKinsey-Manager, die Integration der Dresdner Bank seit 22 Monaten voran. Die Umstellung der Marke ist nur ein weiterer Meilenstein. Schon vor dem Stichtag sind die Selbstbedienungsterminals, Bankautomaten und Kontoauszugsdrucker umgestellt worden. Berater und Sachbearbeiter wurden in unzähligen Schulungen auf den Tag X vorbereitet. "Vor dem Vorhang gibt es jetzt nur noch eine Bank", erklärt Sieber.

Hinter dem Vorhang aber sind die Banken noch getrennt, erst 2011 sollen die IT-Systeme zusammengeschlossen werden. Da läuft noch nicht alles rund, heißt es in Branchenkreisen. Damit trotzdem auch ein Dresdner-Mitarbeiter einen Commerzbank-Kunden bedienen kann, sollen die Banker überkreuz auch auf die Daten des jeweils anderen Kreditinstituts zugreifen können. Wer als Commerzbank-Kunde in einer ehemaligen Dresdner-Filiale direkt am Schalter Geld abheben will, der muss aber Geduld aufbringen. "Da muss der Berater doch noch einen Telefonanruf zur Sicherheit machen", räumte Blessing ein. Die Kunden soll all das aber nicht verunsichern. Vom Tag der Übernahme an beteuerte Blessing, für sie werde sich nichts ändern.

"Die Kunden wollen vor allem wissen, ob sie ihre Kontonummer behalten, ob sie weiter vom gleichen Berater betreut werden oder ob sich an ihren Gebühren etwas ändert", sagt Simone Bock, eine von 40 Mitgliedern des Kundenbeirates, den die Commerzbank Anfang 2009 gegründet hat. Das Gremium soll Kritik und Anregungen der Kunden aufnehmen und in das Management einbringen. Ein bisschen Demokratie versucht die Commerzbank da. Allerdings wählen die Kunden ihre Vertreter nicht selbst, die Beiräte bewarben sich bei der Bank, die mit Hilfe einer Personalberatung auswählte. Der Beirat soll ein Spiegel der Kundenstruktur der Bank sein.

Auch Helga Budde gehört dem Gremium an. Sie findet, dass die Kunden bisher wenig gemerkt haben von dem Zusammenschluss der beiden Banken. "Zu unser aller Erstaunen." Es habe aber bei den meisten Kunden auch keine negative Grundeinstellung zu der Übernahme gegeben. Bei den Mitarbeitern war das zumindest zu Beginn zum Teil anders. Vor allem dort, wo Filialen wie am Frankfurter Opernplatz unmittelbar nebeneinander liegen. Bis 2015 sollen etwa 300 von 1500 Niederlassungen verschwinden. Die Dresdner Bank ist dann schon Geschichte.

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