Banken: Ekkehard Wenger:Selbstbedienung pur

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Die Krise ist nicht ausgestanden: Bankenkritiker Ekkehard Wenger über Drahtzieher der Vergangenheit - und warum mit Schäuble vielleicht einiges besser wird.

Adrienn Sümeg

Professor Ekkehard Wenger ist Bankenexperte und zugleich Kritiker der Zunft. Er leitet den Lehrstuhl für Banken- und Kreditwirtschaft an der Universität Würzburg.

Skyline Frankfurt, ddp

Bankenmetropole Frankfurt am Main: "Die Kontrollprozesse in börsennotierten Aktiengesellschaften funktionieren überhaupt nicht", sagt Ekkehard Wenger.

(Foto: Foto: ddp)

sueddeutsche.de: Herr Wenger, wie macht sich Wolfgang Schäuble Ihrer Meinung nach als neuer Finanzminister?

Ekkehard Wenger: Schlimmer als sein Vorgänger kann er nicht sein. Deswegen kann es mit Schäuble nur aufwärts gehen.

sueddeutsche.de: Was haben Sie gegen Peer Steinbrück? Er galt als kompetenter Minister.

Wenger: Damit ließen sich ganze Bücher füllen. Vor kurzem hat er eine allgemeine Steuer auf Finanztransaktionen propagiert, die auf alle Börsenumsätze erhoben werden soll. Begründung: Diejenigen, die für die Finanzkrise verantwortlich sind, sollen auch dafür bezahlen. Aber an den Börsen ist die Finanzkrise gerade nicht entstanden. Wenn Herr Steinbrück schon eine Steuer haben wollte, bei der die Verursacher der Finanzkrise in die Verantwortung genommen werden, dann hätte er eine Sondersteuer auf seine Ministerpension fordern müssen.

sueddeutsche.de: Warum?

Wenger: Zum einen hatte er als Verwaltungsratsvorsitzender der KfW keinen Schimmer davon, dass bei der KfW-Tochter IKB das Geschäft mit amerikanischen Schrottanleihen aus dem Ruder gelaufen ist. Dabei hatte er seinen Gehilfen, Staatssekretär Jörg Asmussen, sogar im Aufsichtsrat der IKB untergebracht. Die beiden hätten etwas von den Schrottgeschäften der Bank mitbekommen müssen, zumal bereits der IKB-Geschäftsbericht im Frühjahr 2007 genug Hinweise enthielt.

sueddeutsche.de: Was stand in dem Geschäftsbericht?

Wenger: Dass außerhalb der Bilanz Kreditzusagen ausstanden, die etwa das Elffache des bilanzierten Eigenkapitals der IKB ausmachten. Die Risiken aus "Liquiditätsengpässen" und "Kreditausfallereignissen" bei "Spezialgesellschaften" waren mit rund zwölf Milliarden Euro beziffert worden. Hätte Herr Steinbrück oder wenigstens sein Gehilfe das gelesen, dann hätte er bei zumutbarer Intelligenz den IKB-Vorstand dazu anhalten müssen, diese wahnwitzige Risikoposition herunterzufahren. Wer das aus Unachtsamkeit oder Inkompetenz versäumt hat, gehört zu den Mitverursachern dieser Finanzkrise.

sueddeutsche.de: Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem neuen Amtsinhaber Schäuble?

Wenger: Vielleicht schafft er uns die Abgeltungsteuer vom Hals - zumindest in ihrer gegenwärtigen, das Eigenkapital benachteiligenden Form. Im Koalitionsvertrag findet sich eine Formulierung, die in diese Richtung zielt. Konkrete Maßnahmen sind nicht genannt, nur, dass man sich mit dem Irrsinn der Diskriminierung des Eigenkapitals "auseinandersetzen" will. Aber wenn man sich mit offensichtlichem Unfug erst noch ausführlich "auseinandersetzen" muss, dann liegen schlimme Jahre vor uns.

sueddeutsche.de: Ist das nicht eine zu radikale Sicht der Dinge?

Wenger: Eine geradezu umfassende Inkompetenz ist seit Jahrzehnten typisch für das gesamte Finanzministerium. Das liegt auch daran, dass das Finanzministerium von Juristen dominiert wird. Wenn man Juristen die Finanzmärkte und deren Besteuerung überlässt, dann ist die Katastrophe programmiert. Das gilt umso mehr, wenn der ökonomische Sachverstand im Ministerium von Leuten wie Steinbrück und Asmussen repräsentiert wird.

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