Banken:Das Gesetz ist nicht genug

Wenn die Finanzkrise nicht anständig bewältigt wird, waren die gewaltigen staatlichen Rettungsmaßnahmen vermutlich vergebens. Missmanagement gehört bestraft - notfalls durch öffentliche Ächtung.

Marc Beise

Im Kino läuft "Wall Street II". In der Realität ermitteln Staatsanwälte bundesweit gegen Bankmanager und andere Wirtschaftsführer wegen fragwürdiger Geschäfte. HSH Nordbank, Hypo Real Estate, Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), BayernLB, WestLB sind die bekanntesten Fälle. Die neueste Nachricht lautet, dass die Staatsanwaltschaft München Anklage gegen den früheren BayernLB-Vorstandschef Werner Schmidt und weitere ehemalige Manager der Landesbank erheben will wegen des Milliarden-Desasters beim Kauf der österreichischen Hypo Alpe Adria. Das Verfahren wird für die Staatsanwälte kein Spaziergang werden.

Stresstest für Banken - Frankfurter Bankenskyline

Etliche Banken haben derzeit juristischen Ärger.

(Foto: dpa)

Ähnlich liegt es bei anderen Landesbankenverfahren. Hochriskante und für Institute mit öffentlichem Auftrag atypische Geschäfte haben die Steuerzahler viele Milliarden Euro gekostet. Aber wird man das wirklich bestrafen können? Auf den ersten Blick stehen die Chancen schlecht. Das aber wäre verhängnisvoll. Wenn die Finanzkrise nicht anständig bewältigt wird, waren die gewaltigen staatlichen Rettungsmaßnahmen vermutlich vergebens.

Viele Banker sind ziemlich unverfroren schon wieder zur Tagesordnung übergegangen, als wäre nichts gewesen. Das ist umso gefährlicher, als die juristische Aufarbeitung noch unfertig ist. Dafür hat die Öffentlichkeit ihr Urteil bereits gesprochen. Die Wut über "die Banker" ist groß, und sie trifft alle Finanzmanager - auch jene, die dank Kompetenz und Sicherungssysteme vergleichsweise gut durch die Krise gekommen sind.

Nicht jeder Missgriff ist kriminell, vielleicht nicht einmal kritikwürdig. Fehler kann allenfalls vermeiden, wer kein Risiko eingeht. Ohne Risiko aber kann es keinen Erfolg geben. In der Marktwirtschaft ist der Erfolg einer Handlung nicht sicher vorauszusehen, die Konkurrenz mag besser sein, der Markt sich drehen. Gewissheit gibt es nur auf dem Papier, und hinterher. Anders als früher können sich Fehler heute im ganzen System auswirken. Wer das noch nicht wusste, hat es im Zuge der Finanzkrise erfahren, die zum Weltflächenbrand wurde. Es geht also darum, gutes und schlechtes Risikoverhalten auseinanderzuhalten.

Angst und bange

Vergleichsweise einfach sind noch die Fälle, in denen es um kriminelles Handeln geht. Der frühere Chef der Industriebank IKB in Düsseldorf, die als erstes deutsches Institut in Schieflage geriet, Stefan Ortsiefen, wurde (noch nicht rechtskräftig) zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, vor allem weil er in einer Presseerklärung die Lage seiner Bank "geschönt" hatte; das war ein Gesetzesverstoß. Nicht von ungefähr aber sind weder Ortsiefen noch seine Vorstandskollegen oder die Aufsichtsräte dafür bestraft worden, überhaupt so riskant und verantwortungslos spekuliert zu haben.

Der am ehesten einschlägige Untreue-Paragraph 266 des Strafgesetzbuchs greift häufig nicht, weil ein schuldhaftes Fehlverhalten nicht nachzuweisen ist: Der Bankchef hat meist nicht bewusst und gegen allen Rat das Falsche getan. Schlimmer, aber entlastend: Er wusste womöglich gar nicht, was er tat. Er habe, bekannte kürzlich ein Spitzenbanker, in seiner Branche in den letzten Jahren so viel Unfähigkeit gesehen, dass ihm angst und bange sei. Diesen Amateuren in Nadelstreifen das Handwerk zu legen ist das aktuell drängende Problem.

Unordnung ist ein Zug der Zeit

Dabei kommt das Strafrecht an seine Grenzen. Namentlich die Strafrechtsprofis, die womöglich auch im Nebenjob in einschlägigen Gerichtsverfahren Verteidiger der Wirtschaftsgrößen sind, warnen heftig. Sie verweisen auf die Unschuldsvermutung und den Grundsatz, dass nur bestraft werden kann, wer eindeutig gegen bestehende Gesetze verstößt. Die an Bedeutung gewinnenden privaten Ermittlungen, wie sie Unternehmen alleine oder in Kooperation mit Staatsanwaltschaften betreiben, sehen sie mit Argwohn. Das Verfahren sei zu ungeordnet, lautete eine Klage. Aber Unordnung ist ein Zug der Zeit, darüber zu lamentieren sinnlos.

Dagegen bemüht sich beispielsweise der Frankfurter Strafrechtsprofessor Klaus Lüderssen um eine Weitung des Rechtsbegriffs. Er sieht eine dezentrale Rechtsordnung wachsen, etwa durch freiwillige Vereinbarungen in der Wirtschaft, die allgemein befolgt werden. Diese Regeln gehen am Staat vorbei, und sie sind dennoch verbindlich. Auf den Bankensektor bezogen, kann man das die Demokratisierung des Finanzsystems nennen. Die Juristen werden nicht umhinkommen, in der Praxis, bei der Strafverfolgung näher an dieses neue Phänomen heranzukommen. Falsche Information ist das eine, falsches Handeln ein anderes. Es wird spannend sein zu sehen, wann Staatsanwaltschaften es wagen, den Kern anzuklagen. Auch das Münchner BayernLB-Verfahren könnte eine Chance sein, hier belastbare Kriterien zu entwickeln.

Solange dies nicht geschehen ist, bleibt als - ebenfalls begrenzt wirksamer - Sanktionsmechanismus das Zivilrecht, wo nicht Vorsatz erforderlich ist, sondern Fahrlässigkeit: Hat der Bankchef sich wirklich umfassend informiert und abgesichert? In letzter Linie sanktioniert die öffentliche Meinung. Angesichts der Größe des Problems völlig zu Recht berichten die Medien ausführlich, personalisieren, prangern Missstände an, die offensichtlich sind, aber eben (noch) nicht ins juristische Regelwerk passen. Manager mögen dies nicht und sprechen mitunter von Spießrutenlauf. Die Marktwirtschaft aber braucht Kontrolle, mindestens durch öffentliche Ächtung.

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