Süddeutsche Zeitung

Banken:Angst vor Lehman II

Droht ein Dominoeffekt? Die Sorge wächst, dass aus der Schuldenkrise der Staaten erneut eine Krise der Banken wird. Vor allem, weil sich die Regierungen nun nicht einig zu sein scheinen.

M. Hesse und C. Hoffmann

Deutsche Banken und Versicherungen stehen unter Artenschutz. Nach dem Willen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sind bestimmte Wetten gegen Aktien der Allianz, der Commerzbank, der Deutschen Bank und der Münchener Rück sowie von sechs weiteren Konzernen verboten.

Das Verbot ungedeckter Leerverkäufe wirft die Frage auf: Sind die Finanzkonzerne in Gefahr, vielleicht sogar vom Aussterben bedroht? An den Märkten mehren sich Anzeichen, dass zumindest die Angst vor einem solchen Szenario wieder zunimmt.

Bei Leerverkäufen veräußert ein Anleger Aktien, in der Hoffnung, sie später zu einem niedrigeren Kurs zurückzukaufen und so einen Gewinn zu erzielen. Bei ungedeckten oder "nackten" Leerverkäufen leiht er sich die Papiere noch nicht einmal.

Mehrere Alarmsignale

Solche Geschäfte stehen unter Verdacht, den Abwärtsdruck bei Aktien zu verschärfen. Zuletzt hatte die deutsche Finanzaufsicht Bafin Mitte September 2008 nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers ein ähnliches Verbot ausgesprochen. Anlass waren die drastischen Kursstürze einiger Bank- und Versicherungsaktien.

Ist es etwa wieder so weit? Kurz nachdem die Bafin den Spekulanten den Kampf angesagt hatte, brachen die Kurse vieler Banken kräftig ein, allen voran die italienische Unicredit und die französische BNP Paribas. Seit Jahresanfang sind die Kurse vieler europäischer Finanzkonzerne um ein Drittel gefallen.

Es ist nicht das einzige Alarmsignal. Für Nervosität sorgt auch, dass der Zinssatz, zu dem sich Banken für drei Monate Dollar leihen, deutlich gestiegen ist. Schwachen Adressen fällt es am Geldmarkt schwer, Kapital aufzunehmen, weil sich die Banken wieder stärker misstrauen.

Neue Liquiditätsspritzen

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich deshalb zu neuen Liquiditätsspritzen entschlossen. "Die Abhängigkeit von Teilen des europäischen Bankensystems von der EZB-Finanzierung ist seit 2008 deutlich gestiegen", sagt Patrick Rioual, Analyst für deutsche Banken bei der Ratingagentur Fitch.

Das gelte allerdings nicht für deutsche Banken, sie hätten schon vor der Krise eine relativ hohe Nutzung von Notenbankrefinanzierungen ausgewiesen.

"Dagegen refinanzieren sich etwa spanische oder irische Banken mittlerweile deutlich mehr über die EZB, weil das gestiegene Misstrauen der Märkte die Kosten alternativer Finanzierungswege in den letzten Monaten deutlich verteuert hat."

"Wenn es einen Staat umhaut, sind auch die Banken dran"

Besorgniserregend ist auch der Trend am Kreditmarkt. Die Prämien für Kreditausfallversicherungen europäischer Banken sind fast so hoch wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise.

In den Prämien spiegelt sich das Risiko, dass eine Bank pleite geht. Europas Banken haben in Griechenland 272 Milliarden Euro im Feuer, sie haben Portugal und Spanien 242 und 852 Milliarden Euro geliehen, das zeigen Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.

Deutsche Institute haben die größten Forderungen gegen die Mittelmeerländer, wobei sie im Falle Griechenlands mit 43 Milliarden Euro hinter ihren französischen Konkurrenten rangieren (79 Milliarden Euro).

Investoren fürchten, dass die Banken, die immer noch unter den Folgen der geplatzten Immobilienblase in den USA leiden, nun mit schmerzvollen Abschreibungen von Staatsanleihen konfrontiert werden - trotz des 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirms. "Wenn es einen Staat umhaut, sind auch die Banken dran", sagt Jochen Felsenheimer von Assenagon.

Ansteckung droht

Die Situation sei mit der Bankenkrise zu vergleichen, wie damals würden die Rettungspakete immer größer und ihre Wirkung immer kleiner: "Möglicherweise haben sich die Retter übernommen." Auch Privatanleger spüren die Unsicherheit. "Wer Bargeld auf der Bank hat, macht sich Gedanken, wo es sicherer als sicher aufgehoben ist", sagt Eugen Keller vom Bankhaus Metzler.

Für wie groß Anleger die Gefahr halten, dass Staaten ihre Schulden nicht mehr bedienen können, zeigen die Zinsaufschläge, die diese Länder bieten müssen. Die Wahrscheinlichkeit einer Pleite Griechenlands wird derzeit an den Märkten bei 45 Prozent gesehen, für Portugal liegt das Risiko bei 22 Prozent, für Spanien bei 15 und für Italien bei 12 Prozent.

"Ein Zahlungsausfall Griechenlands wäre aber für die Banken zu verkraften", sagt Stefan Kolek, Kreditstratege bei Unicredit. "Das Hauptproblem ist, dass dann eine Ansteckung anderer Peripherieländer droht und ein ähnliches systemisches Risiko entstehen könnte, wie nach der Pleite von Lehman Brothers."

Fehlendes Vertrauen in die Stabilität

Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, hatte vergangene Woche erklärt, Staatspleiten würden in Deutschland vor allem jene Banken treffen, die bereits vom Bund gestützt wurden. Das sind vor allem die Hypo Real Estate und die Commerzbank. Diese Einschätzung ist in Bankenkreisen verbreitet, auch der Bankenrettungsfonds Soffin dürfte sich daher mit dem Szenario von Staatspleiten beschäftigen.

Die Angst an den Märkten ist also da, dass Staaten und Banken sich gegenseitig nach unten ziehen. "Weil die Banken und Regierungen so stark untereinander verbunden sind, fehlt es derzeit an Vertrauen in die Stabilität des Systems", sagt Charles Diebel, Strategiechef für Staatsanleihen bei der japanischen Bank Nomura.

Diese Unsicherheit steige durch den Eindruck, "dass die europäischen Regierungen bei der Krisenbekämpfung anders als nach der Lehman-Pleite nicht einig sind".Deshalb sorgte das Verbot von Leerverkäufen für so viel Nervosität.

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SZ vom 21.05.2010/pak
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