Süddeutsche Zeitung

Balkone:Blumen, Kompost, Sonnenschutz

In der Corona-Krise haben viele den Balkon schätzen gelernt. Im Sommer ist er wie ein Zimmer im Freien. Aber Vorsicht, nicht alles ist erlaubt.

Von Jochen Bettzieche

Nicht immer muss es eine Reise sein. Urlaub daheim, auf "Balkonien", kann auch schön sein. Vor allem, wenn die Urlauber sich den Balkon angenehm gestalten. Dabei müssen sie aber einiges beachten - Gesetze, behördliche Vorgaben, Teilungserklärung und auch die Statik.

Das fängt schon bei der Belastung an. Bei Neubauten schreibt die Norm eine Belastbarkeit von mindestens 400 Kilogramm pro Quadratmeter vor, erklärt Ulrich Scholz, Mitglied im Vorstand bei der Bayerischen Ingenieurekammer Bau in München: "Wenn mehrere Menschen dicht gedrängt auf dem Balkon stehen, kann das erreicht werden."

Noch heikler wird es bei Altbauten. Für diese sind oft keine Unterlagen vorhanden. In solchen Fällen rät Scholz zur Vorsicht: "Schon ein Stapel von vier oder fünf Getränkekisten kann dann schwierig werden." Poolbecken und Aquarien seien ebenfalls vergleichsweise schwer. Möbel und Kaninchenställe hingegen bereiteten in der Regel keine Probleme. Gleiches gilt für Pflanzen. "Es sei denn, der Wind kann seitlich angreifen, dann wirken wie bei einem Sonnenschutz Horizontalkräfte", warnt der Ingenieur.

''Die wichtigste Frage ist, ob es sich um eine bauliche Einrichtung handelt, oder ob der Sonnenschutz nur vorübergehend mit dem Gebäude verbunden ist.''

Balkonpflanzen sorgen für ein gutes Klima auf der Freifläche, Kräuter und Blumen duften, Tomaten und Gurken landen im Salat. Fast alles ist erlaubt, aber eben nur fast. "In die Bausubstanz darf nicht eingegriffen werden", sagt Inka-Marie Storm, Chefjustiziarin bei der Eigentümerschutzgemeinschaft Haus & Grund in Berlin. Beispielsweise von Efeu sollten Balkongärtner daher eher Abstand nehmen.

Für Ärger sorgen immer wieder Blumenkästen. "Sobald diese nach außen hängen, gehört das nicht mehr zur zweckbestimmten Nutzung des Balkons", sagt Storm. Wer Ärger vermeiden will, hängt sie daher von innen an die Balustrade.

Wichtig ist auch, geeignete Pflanzen zu wählen. Tiefwurzler gedeihen auf wenigen Zentimetern Erdschicht kaum. Prinzipiell gut eignen sich Kräuter, Salate, Tomaten, Erdbeeren und ähnliches Obst oder Gemüse, wenn es ein vertikaler Nutzgarten werden soll.

Einige Blumen dazwischen locken Bestäuber wie Bienen an. Für Mieter gelten die gleichen Regeln wie für Eigentümer. Vermieter müssen jedoch aufpassen, dass sie im Mietvertrag keine Zusagen machen, die der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung widersprechen. Denn eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann durch Hausordnung, Teilungserklärung und Beschlussfassung die Nutzung der Balkone teilweise regulieren. So können sie beispielsweise das Kompostieren untersagen. Tun sie das nicht, ist ein Kompost auf dem Balkon gestattet, sofern er die Bausubstanz nicht beschädigt. Allerdings muss er so angelegt werden, dass er keine Schädlinge anzieht. Auch sollte er nicht zum Sammelpunkt für Fliegenschwärme werden. Übler Geruch darf ebenfalls nicht von ihm ausgehen.

''Ältere Gebäude sind meist mit Ziegeln errichtet, und die Verankerung ist entsprechend stabil, bei Porenbeton oder anderen Leichtbaustoffen wird der stabile Halt zur Herausforderung.''

Als Orientierungshilfe für Mieter und Eigentümer dienen in Streitfällen die bundesweit gültigen Emissionsrichtlinien und Grenzwerte der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft, kurz TA Luft. Aber so weit muss es gar nicht kommen. Vorausgesetzt, der Gartenbesitzer macht alles richtig. "Ein guter Kompost wird nicht riechen. Wenn es stinkt, hat man etwas falsch gemacht", erklärt Robert Sulzberger, Agraringenieur und Autor eines Fachbuchs zu diesem Thema.

Wird es im Sommer heiß, suchen auch Balkonurlauber Schatten. Aber nicht jeder Schattenspender ist an jeder Stelle erlaubt. Mal regelt das die Hausordnung, mal braucht es einen Beschluss der WEG, im Extremfall sogar eine Baugenehmigung. Das hängt vor allem davon ab, wie sich die Bewohner vor der Sonne schützen wollen. Stellen sie einen Sonnenschirm auf, gelten dafür andere Vorschriften als für ein Sonnensegel oder eine Markise. "Die wichtigste Frage ist, ob es sich um eine bauliche Einrichtung handelt, oder ob der Sonnenschutz nur vorübergehend mit dem Gebäude verbunden ist", sagt Eva Reinhold-Postina, Architektin und Sprecherin beim Verband Privater Bauherren (VPB) in Berlin.

Wird der Sonnenschutz fest verankert, muss der Vermieter zustimmen

Wenig Probleme bereitet ein Sonnenschirm, sowohl im Einfamilienhaus als auch im Mehrparteiengebäude. Denn der gehört zur Nutzung der Immobilie dazu, da man sich damit einfach Schatten verschaffen kann. Mit einer Markise wird es schon schwieriger. Mieter dürfen diese nur befestigen, wenn der Vermieter zustimmt. In einer WEG regelt oft die Teilungserklärung, ob eine Markise angebracht werden darf, und wie diese aussehen muss. Eine nachträgliche Installation müssen in der Regel die anderen Eigentümer genehmigen, vor allem, wenn das Fassadenbild beeinträchtigt wird. Denn es handelt sich um eine bauliche Veränderung. Wichtig ist auch hier die Statik. Laut Ingenieur Scholz sind hier ältere Gebäude im Vorteil: "Die sind meist mit Ziegeln errichtet und die Verankerung entsprechend stabil, bei Porenbeton oder anderen Leichtbaustoffen wird der stabile Halt zur Herausforderung."

Noch heikler sind Sonnensegel. Die leiten je nach Größe schon bei durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten starke Kräfte an ihre Befestigung weiter. Sie am Geländer des Balkon zu befestigen, ist keine gute Idee. Denn die Holme sind in der Regel nicht für die bei Wind auftretenden Kräfte ausgelegt. Juristisch werfen Sonnensegel ebenfalls mehr Probleme auf als Sonnenschirme. Bei Mehrparteienhäusern gilt ähnlich wie bei Markisen: Sobald sie mit dem Objekt fest verbunden werden, müssen die Wohnungseigentümergemeinschaft und gegebenenfalls Vermieter zustimmen.

Gleiches gilt auch für einen anderen Weg, sich den Balkon wohnlich zu gestalten. Die Wände in den Lieblingsfarben zu streichen, um eine schöne Atmosphäre zu erhalten, ist ebenfalls ein Eingriff in die Bausubstanz. "Der Balkon fügt sich in die Optik der Fassade ein. Änderungen sind also in der Eigentumsgemeinschaft abzustimmen", erläutert Storm.

Ist das Freiluftzimmer erst eingerichtet, kann es immer noch zum Streit kommen. Denn bei der Nutzung heißt es, auch auf die Nachbarn Rücksicht zu nehmen. Dazu gehört beispielsweise, die Nachtruhe einzuhalten.

Häufiger Auslöser für einen Konflikt ist auch das Grillen. Hier sollte zuerst geklärt werden, ob die Wohnanlage Grillen auf den Balkonen zulässt. Verbietet das der Mietvertrag, sollte man sich besser daran halten, rät der Deutsche Mieterbund. Wer das Grillverbot missachte, riskiere eine Abmahnung oder schlimmstenfalls sogar die Kündigung. Aber selbst, wenn es erlaubt ist, gelten Regeln. Vor allem darf der Rauch nicht beim Nachbarn in die Wohnung ziehen. Unter Umständen schafft bereits ein Elektrogrill Abhilfe, der weniger raucht als Holzkohle.

Balkonurlaub bedeutet auch Spielenachmittage im Freien und das eine oder andere Sonnenbad. Es ist wie ein zusätzliches Zimmer, nur eben draußen. Selbst Anhänger der Freikörperkultur dürfen laut Storm ihren Balkon entsprechend nutzen. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Landgerichts Dortmund (Az. 1 S 13/16). Danach müssten Nachbarn die Nacktheit ihrer Mitmenschen hinnehmen: "Durch Nacktheit wird weder das Persönlichkeitsrecht betroffen, es stellt auch keine Beeinträchtigung des Eigentums dar." Anders sieht es beim Liebesspiel aus. Damit hat sich unter anderem das Amtsgericht Bonn beschäftigt (Az. 8 V 209/05). "Sexuelle Handlungen auf einem Balkon stören den Hausfrieden, indem das gegenseitige Rücksichtnahmegebot missachtet wird", stellt Storm klar.

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Quelle:
SZ vom 18.07.2020
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