Bahlsen backt doch noch Weihnachtsgebäck:Operation Spekulatius Reloaded

Ausstieg vom Ausstieg: Bahlsen wollte kein Weihnachtsgebäck mehr produzieren. Jetzt nimmt das Unternehmen die Entscheidung wieder zurück - angeblich lieben die Kunden das Adventsgebäck einfach zu sehr. Vielleicht liebt aber Bahlsen auch einfach Aufmerksamkeit.

Von Pia Ratzesberger

"Willst was gelten, mach dich selten" - eine Binsenweisheit, die für Bahlsen im Weihnachtsgeschäft gut funktioniert. Im Sommer verkündete der hannoversche Kekshersteller, ab dem kommenden Jahr sämtliche Adventsartikel aus dem Sortiment zu nehmen. Das Geschäft lohne sich nicht mehr, der Markt für Weihnachtsgebäck in Deutschland sei seit Jahren rückläufig. Nun sei die letzte Chance, noch einmal Lebkuchen namens Akora und Contessa oder Mandel-Spekulatius der Firma zu kaufen, dachten viele Kunden. Doch weit gefehlt.

Eine Woche vor Ende der Adventszeit verkündet das Unternehmen den Ausstieg aus dem Ausstieg: "Wir haben die emotionale Bedeutung des Weihnachtsgeschäfts für unsere Kunden unterschätzt", sagte Firmeninhaber Werner Michael Bahlsen der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Eine "Flut wütender Verbraucherproteste" im Internet und Einzelhandel würde Bahlsen angeblich zu einer "spektakulären Kehrtwende in der Firmenstrategie" zwingen, schreibt das Blatt. Die Formulierung stammt aus Bahlsens Pressemitteilung: Auslöser der neuen Entscheidung sei eine "Flut von Verbraucherreaktionen".

Bahlsen gibt auf Nachfrage an, dass Kunden ihr Bedauern vor allem über den Verbraucherservice, das heißt via Telefon, Mail und Brief, aber auch über Facebook ausgedrückt hätten. Von einer "Flut" kann in den sozialen Netzwerken allerdings keine Rede sein. Im Dezember haben um die 40 User ihr Bedauern auf der Facebook-Seite von Bahlsen kundgetan. Auf Twitter hielten sich die Reaktionen ebenfalls in Grenzen.

Den Facebook-Nutzern antwortete das Unternehmen auf Posts wie "Bahlsen, gebt nicht euer Weihnachtsgebäck auf!" stets mit den gleichen Argumenten: Immer weniger Verbraucher hätten im Supermarkt nach Stollen und Spekulatius von Bahlsen gegriffen, der Trend zu günstigeren Saisongebäck-Anbietern sei größer geworden. Lebkuchen, Spekulatius und Zimtsterne seien vergleichsweise aufwendig herzustellen: Für sie müssten teure Gewürze und Rohstoffe eingekauft sowie meist Saisonkräfte eingestellt werden. "Deshalb können wir das Saisongeschäft in Deutschland nicht mehr wirtschaftlich bedienen", schrieb Bahlsen und gab im Anschluss sofort den diskreten Hinweis: "In diesem Jahr ist unser gesamtes Weihnachtssortiment aber noch einmal im Handel erhältlich."

Jetzt geht es nun aber doch weiter.

Wollte Bahlsen mit seinem gerade einmal drei Wochen andauernden Ausstieg lediglich seinen Umsatz in der Adventszeit ankurbeln? Behält ein Unternehmen, das ja gewinnorientiert arbeiten will, eine defizitäre Sparte im Sortiment nur aufgrund einiger Verbraucherproteste?

Stabile Verkaufspreise

Schließlich erklärte Bahlsen Ende November: "Der Markt für Weihnachtsgebäck in Deutschland ist seit Jahren leicht rückläufig." Beim Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie ist man optimistischer: Die Deutschen griffen in der Adventszeit keineswegs zu weniger Gebäck. "Auf lange Frist gesehen sind die Verkaufszahlen in der Süßwarenbranche ziemlich stabil", sagte eine Sprecherin.

Im vergangenen Jahr hätte lediglich die milde Witterung zu leichten Umsatzrückgängen geführt - ein Trend sei das aber nicht. Auch Bahlsen selbst erklärt auf Anfrage von Süddeutsche.de: "Der Umsatz für Saisongebäck liegt etwa auf Vorjahresniveau." Die ursprüngliche Entscheidung hat dem Unternehmen zumindest nicht geschadet, Aufmerksamkeit und Ökonomie hängen eng zusammen.

Bei Bahlsen bleibt man auch auf Nachfrage dabei, dass das Ganze keine PR-Aktion nach dem Motto "Rarmachen" war: "Die vielen Proteste waren der Anlass für die Entscheidung", sagt eine Sprecherin der notorisch unkommunikativen Kommunikationsabteilung. Das Hin und Her hat Bahlsen zu Weihnachten auf jeden Fall eine ganze Menge Aufmerksamkeit beschert.

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