Bafin-Chef Jochen Sanio:Ohnmächtig und sprachlos

Banken-Oberaufseher Sanio ist der große Verlierer dieser Tage, doch darüber reden mag er nicht. Zu seiner möglichen Entmachtung schweigt er sich aus.

Harald Freiberger, Frankfurt

Am Montag trat Jochen Sanio einen Weg an, den viele seiner Mitarbeiter wohl auch bald gehen müssen: Er fuhr von Bonn nach Frankfurt. Der Anlass stand schon lange fest, der Oberaufseher der Banken war zum "Deutschen Betriebswirtschafter-Tag" eingeladen, bei dem es um die Regulierung der Kapitalmärkte ging. Niemand konnte damals ahnen, wie aktuell sein Besuch sein würde. So steht ein Mann im Mittelpunkt, der sich derzeit am liebsten verkriecht.

Es ist sein erster öffentlicher Auftritt, seitdem in der vergangenen Woche Bundesbank-Chef Axel Weber und die schwarz-gelbe Koalition zum Sturm auf Sanios Behörde, die Bafin, geblasen haben. Die Bankenaufsicht soll bei der Bundesbank konzentriert werden, da sind sich Union und FDP einig. Selbst die Aufsicht der Versicherungen könnte auf die Bundesbank übergehen, aber das steht noch nicht fest. Nur die Wertpapierhandelsaufsicht bleibt sicher bei der Bonner Behörde. Damit müsste ein großer Teil der rund 1900 Bafin-Beschäftigten unter das Dach der Bundesbank in Frankfurt schlüpfen - ein Plan, der bei den Mitarbeitern für viel Unruhe sorgt. Und der Sanio selbst arbeitslos machen würde.

Schweigen ist Gold

Der Chef sagte zu den Vorgängen bisher öffentlich kein einziges Wort, nur einen Brief an die Mitarbeiter gibt es, in dem er Verständnis für deren Sorgen äußert. Die Bafin wünsche, den Schwebezustand verkürzen zu können und bedauere, "nicht an den politischen Entscheidungen beteiligt" zu sein. "Genauso wenig wie Sie wissen wir, wie der Gesetzgeber die Finanzaufsicht künftig organisieren wird", heißt es in dem Brief, man werde aber die eigenen "Vorstellungen einbringen" und sich "mit allergrößter Kraft" für die Mitarbeiter einsetzen. Was soll Sanio sonst auch sagen.

Auch auf der Tagung in Frankfurt verliert der Bafin-Chef kein Wort zu seiner Entmachtung - und das, obwohl Vorredner Martin Blessing, der Chef der Commerzbank, ankündigt, dass es wohl gleich "um die politische Debatte" gehen werde. Sanio bedankt sich ironisch "für die etwas brutale Einführung", um dann so zu tun, als wäre nichts gewesen. Er schildert, wie er sich die Regulierung der Banken künftig vorstellt, als läge das noch in seiner Verantwortung.

"Ich gebe zu, ich bin verwirrt", sagt Sanio in der ihm eigenen direkten Sprache zu den Beschlüssen der G-20-Staaten in Pittsburgh. Die Eigenkapitalanforderungen an Banken sollen dabei noch zurückgedreht werden hinter das europäische Niveau, das durch die Vorschriften von Basel II festgelegt ist. Das sei ein "Zurück in die Zukunft", er habe Bedenken, ob man dabei "das richtige Maß und die richtige Methodik finden wird".

Herrliche Zeiten für Regulierer

Große Probleme sieht er auf die deutschen Banken zukommen, wenn stille Einlagen nicht mehr als Kernkapital anerkannt werden, wie es die G-20-Staaten wollen. Danach wären nur noch Stammaktien mit Stimmrecht Kernkapital, mit der Folge, dass die Eigenkapitaldecke deutscher Banken dünner würde. Sie könnten dann weniger Kredite vergeben, weil sie diese mit Eigenkapital unterlegen müssten. Das Eigenkapital britischer und amerikanischer Banken, das zum Teil noch viel weicher sei als das deutsche, solle dagegen unangetastet bleiben. "Das entbehrt jeder Logik, das können wir nicht hinnehmen", ereifert sich Sanio. Im Grunde aber seien es herrliche Zeiten für Regulierer, das "Fenster der Möglichkeiten" stehe weit offen, man könne den Bankenmarkt regulieren, ohne fürchten zu müssen, dass die Finanzbranche alles verwässert. "Eigentlich müsste ich als Aufseher frohlocken", sagt er, "aber das Gefühl liegt mir fern."

In der anschließenden Diskussionsrunde wäre Gelegenheit, Sanio zu seinem Gemütszustand zu befragen. Doch die Fachleute auf der Tagung interessieren sich mehr für den internationalen Bilanzierungsstandard IFRS oder die Fair-Value-Bewertung . Der Bafin-Chef kann darauf fachlich antworten und braucht nicht darauf einzugehen, wie er sich fühlt. Denn eigentlich müsste es in ihm kochen, nachdem ihm die Politik und Bundesbank-Chef Weber den Stuhl weggezogen haben und er als der alleinige Verantwortliche für die mangelhafte Aufsicht der deutschen Banken in der Finanzkrise dasteht. Dabei war die Bundesbank genauso für die Aufsicht zuständig wie die Bafin. Aber davon redet keiner.

Sanio tut es auch nicht, nicht einmal, als er nach der Diskussionsrunde von Journalisten umzingelt wird. "Sie müssten doch sauer sein auf Weber", provoziert ihn einer. "Es wird Ihnen nicht gelingen, mich in ein Gespräch zu verwickeln", sagt Sanio. Seine Zurückhaltung begründet er damit, dass er Beamter und von seinem Dienstherrn, dem Bundesfinanzministerium, abhängig sei und deshalb nicht so offen reden könne wie zum Beispiel der Präsident der unabhängigen Bundesbank. Noch ein Vorteil, den Weber hat. "Ich sage nichts, ich gehe", sagt Sanio schließlich und dreht den Fragestellern den Rücken zu. Die Doppeldeutigkeit des Satzes ist ihm in diesem Moment gar nicht bewusst.

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