Süddeutsche Zeitung

Autoversicherungen:Überschuldet - abgelehnt

Autoversicherer überprüfen vor Abschluss eines Vertrags routinemäßig die Bonität ihrer Kunden. Wer finanzielle Schwierigkeiten hat, bekommt nur schwer eine Kfz-Versicherung. Nicht weil die Versicherer Angst um die monatlichen Raten haben, sondern weil Autofahrer, die den Offenbarungseid geleistet haben statitisch bis zu 74 Prozent häufiger in Unfälle verwickelt sind.

Uwe Schmidt-Kasparek

Immer mehr Autoversicherer prüfen vor dem Abschluss eines Vertrages automatisch die Bonität ihres zukünftigen Kunden. Überschuldete Antragsteller werden abgelehnt. "Die Ablehnungsquoten sind in den vergangenen drei Jahren deutlich gestiegen. Rund 15 Prozent der Kunden will keiner mehr haben", sagte Björn Weikert, Vorstand des Internetportals Check24.de auf einer Tagung zur Autoversicherung des Businessforum 21 in Köln.

Wer eine Autoversicherung abschließen will, wird immer öfter kurz vor der Vergabe der elektronischen Versicherungsbestätigung (eVB) automatisch auf seine Kreditwürdigkeit hin überprüft. Das erklärte Björn Hinrichs vom Dienstleister Arvato Infocore. "Für 2012 erwarten wir eine flächendeckende Prüfung durch alle Kfz-Versicherer." Seit 2008, mit dem Start der eVB, hätten immer mehr Versicherer eine solche Vorabprüfung eingeführt. Zudem ist die Zahl der Bonitätsauskünfte an Versicherungen seit 2004 von rund sechs Millionen auf derzeit schätzungsweise 18 Millionen gestiegen. Allein im vorigen Jahr nahm die Zahl der Abfragen um 23 Prozent zu. Für 2012 wird mit über 20 Millionen Abfragen gerechnet. "Harte" Treffer werden abgelehnt.

Mit einer Ablehnung durch die Autoversicherung müssen derzeit vor allem die 3,4 Millionen Personen rechnen, die bereits einen Offenbarungseid leisten mussten. "Wir erhalten diese Daten tagesaktuell von den Amtsgerichten", erläuterte Hinrichs. Insgesamt verfügt Arvato Infoscore derzeit über die Negativdaten von 7,8 Millionen Personen. Diese werden in drei Kategorien eingeteilt. Als noch "weiche" Treffer gelten die 2,1 Millionen Personen, die sich lediglich in einem Inkassoverfahren befinden. Als "mittlere" Treffer werden die 2,3 Millionen Personen bewertet, die sich in einem gerichtlichen Mahnverfahren befinden. In der negativsten Kategorie "hart" befinden sich derzeit die 3,4 Millionen Personen, bei denen die Überschuldung bereits gerichtlich festgestellt wurde.

Die Autoversicherer hätten handfeste Gründe, verschuldete Autobesitzer abzulehnen, erläuterte Hinrichs in Köln. So melden überschuldete Autofahrer in der Vollkaskoversicherung bis zu 74 Prozent mehr Schäden als der Durchschnitt aller Autofahrer. In der Autohaftpflichtversicherung sind es immerhin noch 42 Prozent mehr Schäden. Als Ursache gilt vor allem die psychische Belastung. Autofahrer, die sich den ganzen Tag mit ihren Gläubigern stritten, seien unkonzentriert und würden daher schlechter Auto fahren. Zudem nutzten solche Personen in der Regel ältere und schlechter gewartete Fahrzeuge. Außerdem würden Personen mit schlechter Bonität eher ihre Versicherung betrügen, wie es heißt.

Wer auf der schwarzen Liste von Arvato Infoscore steht, muss derzeit mit einer Odyssee beim Versicherungsschutz rechnen. So gibt es aktuell immer noch Kfz-Versicherer, die Kunden auch dann annehmen, wenn sie überschuldet sind. Vor allem über Vergleichsrechner im Internet ist ein Abschluss möglich, weil hier noch nicht jede Assekuranz die Bonität automatisch prüft. Meist erhält man jedoch nur einen deutlich teureren Anbieter.

Ganz ablehnen dürfen Versicherer Autofahrer übrigens nicht. Es gibt einen gesetzlichen Abschlusszwang. Doch die Kfz-Versicherer können den Versicherungsschutz auf die Autohaftpflicht und die gesetzliche Mindestdeckungssummen beschränken. Zudem verlangen viele eine Vorauszahlung.

Mittlerweile sind aber immer mehr Betroffene bereit, Vorkasse zu leisten, damit sie Versicherungsschutz erhalten", so Experte Hinrichs. In Zukunft, wenn die Bonitätskontrollen noch mehr ausgeweitet werden, dürfte es überschuldeten Personen aber immer schwerer fallen, umfassenden Versicherungsschutz für ihr Auto zu erhalten. Daher wird schon eine "Ventillösung" gefordert. So könnten bald in Deutschland amerikanische Verhältnisse einziehen. Dort gibt es Versicherer, die sich auf Personen mit schlechter Bonität spezialisiert haben. Natürlich verlangen diese Assekuranzen für das höhere Risiko einen satten Aufschlag.

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SZ vom 01.03.2012/gie
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