Außenanlagen:Auf Sand gebaut

Größere Wohnanlagen müssen auch einen Spielplatz haben. Eigentümer und Architekten entwerfen die Konzepte, die oft auch Senioren berücksichtigen.

Von Ingrid Weidner

Spielplätze können eine recht bürokratische Angelegenheit sein. Für Wohnanlagen gelten zum Beispiel in vielen Bundesländern exakte Vorschriften, was und wie gebaut werden muss. Bauordnungen und auch kommunale Richtlinien stecken den Rahmen ab. Die bayerische Bauordnung zum Beispiel verpflichtet Bauherren von Mehrfamilienhäusern mit mehr als drei Wohnungen, eine mindestens 60 Quadratmeter große Spielfläche anzulegen - sofern nicht schon ein Spielplatz in der Nähe ist. Pro 25 Quadratmeter Wohnfläche müssen mindestens 1,5 Quadratmeter Spielfläche ausgewiesen werden.

Was ein guter Spielplatz ist, lässt sich dagegen nicht so genau beantworten. Zur obligatorischen Grundausstattung gehören Sand, Sitzbänke und Spielgeräte. Ob Schaukel, Rutsche oder Klettergarten - das können die Planer entscheiden. "Ein guter Spielplatz ist spannend, bietet verschiedene Spielmöglichkeiten, Nischen und Atmosphäre", erklärt Landschaftsarchitekt Markus Schäf vom Münchner Büro Stautner + Schäf. Doch oft sind Kinder von ganz anderen Dingen begeistert als Architekten oder Eigentümer. Schäf kennt diese Widersprüche aus der eigenen Berufspraxis. Beispielsweise lieben Kinder Weidentunnel, in denen sie sich verstecken können, Eltern befürchten dagegen, dass sich die Kleinen verletzen. Und ein Wasseranschluss mit Steinen und Sandflächen begeistert die Kleinen - Bauherren scheuen aber oft die Kosten, die durch eine regelmäßige Wartung entstehen.

Spielplatz

Moderne Spielplätze wie hier im Candispark Regensburg bieten mehr als nur eine Sandkiste mit Schaukel.

(Foto: Markus Schäf)

Geplant werden die Flächen oft von Landschaftsarchitekten, die auch die Außenanlagen von Wohnanlagen gestalten. "Größenangaben sind wichtig, denn Bauherren wollen Geld sparen", sagt Schäf. Der Münchner Landschaftsarchitekt versucht, in größeren Anlagen zwei Bereiche für unterschiedliche Altersgruppen zu gestalten, damit sich dort kleinere und größere Besucher wohlfühlen. "Mischen ist schwierig", sagt der Familienvater.

Auch Wolfgang Telöken beschäftigt sich mit der Frage, wie ein guter Spielplatz aussehen soll. "Ein Erdhügel mit Baumaterial gefällt Kindern besser als ein steriler Spielplatz"‟, sagt der Landschaftsarchitekt. Als Bereichsleiter Außenanlagen der Allbau in Essen ist er auch für die Spielplätze der Wohnungsbaugesellschaft verantwortlich. Doch weil das Verletzungsrisiko zu groß wäre, müssen Kinder auf solche Attraktionen verzichten. Ängstliche Eltern, DIN-Normen und Gerichte beeinflussen stark, wie gestaltete Freiflächen für Kinder aussehen.

Selten erfüllt eine einmal gestaltete Spielfläche über Jahrzehnte hinweg ihren Zweck. In einem Neubaugebiet nutzen meistens Eltern mit Kleinkindern Schaukel und Sandkasten, was für Schulkinder allerdings oft nicht mehr sehr interessant ist. Jugendliche kommen höchstens abends zum Abhängen dorthin. Schließlich ziehen sie irgendwann ganz weg, und wenn sich Jahre später nur noch Senioren dort treffen, reichen ihnen oft die Sitzbänke. Die Sandkisten verkommen schon mal zum Hundeklo. Deshalb überarbeiten engagierte Eigentümer regelmäßig das Wohnumfeld ihrer Mieter. Aufgrund des demografischen Wandels rücken Senioren stärker in den Fokus.

Guter Spielplatz

Günter Beltzig, Jahrgang 1941, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Gestaltung von Spielplätzen und Spielgeräten. 1987 schrieb der Designer "Spielplätze sind Krücken für fehlende Menschlichkeit". Seine Empfehlungen sind auch heute noch aktuell. Demnach soll ein Spielplatz Atmosphäre bieten und ein Wohlgefühl vermitteln. Ebenso wichtig für einen gelungen Spielplatz seien Entdeckungsmöglichkeiten, die sich dem Suchenden erst nach und nach erschließen. Außerdem sollten Spielplätze ein beherrschbares Risiko zulassen und für unterschiedliche Stimmungen, Interessen und Bedürfnisse der Kinder vielfältige Möglichkeiten bieten. Ein Spielplatz sollte vor Wind, Lärm und neugierigen Blicken geschützt sein. Ingrid Weidner

Vor einigen Jahren kamen sogenannte "Seniorenspielplätze"‟ in Mode. Sportgeräte im Freien sollten ältere Menschen zum Training motivieren. Im Prinzip keine schlechte Idee, doch Wolfgang Telöken überzeugen solche Senioren-Parcours nicht. "Fitnessgeräte sind nicht die Antwort"‟, meint er. Auch die Erfahrungen von Kollegen aus anderen Bundesländern waren bescheiden, oftmals nutzen die Geräte fast nur Jugendliche. Schließlich plagen manchen agilen Älteren Versagensängste, wenn er vor der Nachbarschaft Klimmzüge vorführen soll. "Wir brauchen andere Lösungen"‟, meint Telöken.

In Essen lockt Allbau seine Mieter mit anderen Angeboten an die frische Luft. "Bei den Senioren sind Themen wie Natur und Gesundheit gefragt", sagt Telöken. Kräuterwanderungen durch die eigene Wohnsiedlung, bequeme Sitzgelegenheiten, breitere Schaukeln sind einige der Angebote. In einer Wohnanlage des Unternehmens ist ein Imker samt Bauwagen und Bienenvolk zu Gast. Kinder und Erwachsene sind gleichermaßen eingeladen, dort vorbeizuschauen. Auch in die Planungen bezieht Allbau immer wieder die Mieter ein. Zwar klingt Bürgerbeteiligung modern, doch oftmals fehlen die Ideen bei diesen Treffen. Ohne gute Moderation und Motivation der Bewohner geht es nicht. "Wir laden die Generationen getrennt ein", sagt Telöken, damit Kinder, Eltern und Senioren unabhängig voneinander ihre Wünsche äußern können. Allbau ist mit etwa 18 000 Wohneinheiten der größte Vermieter in Essen. Doch Vandalismus auf Spielplätzen sei trotzdem selten. Auch über Spielplatzlärm beschweren sich die Anwohner kaum. Vermutlich helfen Instrumente wie Mieterbeteiligung und Spielplatzpaten, die als Ansprechpartner an Ort und Stelle ein Auge auf die Anlagen haben. Lediglich bei den Bolzplätzen zeigen sich die Nachbarn weniger tolerant. Da gebe es schon mal Beschwerden. Gerade in dicht bebauten Wohngebieten sind attraktive Spielflächen knapp. Eröffnet eine neue Anlage, spricht sich das schnell rum und zieht auch die Kinder aus der Nachbarschaft an. "Sind Spielplätze zu attraktiv und gut besucht, gibt es schon mal Ärger mit den Nachbarn", sagt Markus Schäf.

Wie sieht der Spielplatz der Zukunft aus? Interessieren sich Tablet-begeisterte Kids noch fürs Schaukeln? Wolfgang Telöken und sein Team denken intensiv über attraktive Angebote für Kinder und Jugendliche nach. "Ein Generationswandel ist spürbar", sagt der Landschaftsarchitekt. Computerspiele, Tablets und soziale Netzwerke verleiten viele, nur noch im eigenen Kinderzimmer zu hocken. Interaktive Spielgeräte, die sich über ein Display steuern lassen, könnten eine Antwort sein. Solche Geräte gibt es mittlerweile auch in einer wetterfesten Variante für draußen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: