Süddeutsche Zeitung

Auslandsrentner in der Steuerfalle:Wenn der Fiskus die Rentneridylle stört

Hunderttausende Auslandsrentner wurden jahrelang vom Finanzamt in Ruhe gelassen. Doch der Arm des Fiskus reicht mittlerweile über deutsche Grenzen hinaus. Gerade für Rentner im Ausland gelten besondere Regeln, die zu höheren Steuern führen können. Die gute Nachricht: Aus der kostspieligen Steuerfalle gibt es einen Ausweg.

Malte Conradi

Als der Brief aus der alten Heimat kam, war das paradiesische Leben vorbei. So dachte das Ehepaar aus Süddeutschland jedenfalls. Vor drei Jahren waren die Eheleute, beide in den Siebzigern, ihrem einzigen Sohn nach Chile nachgezogen. Schön hatten sie es sich vorgestellt, dort ihren Ruhestand zu genießen, Zeit mit den Enkeln zu verbringen und von der hohen Kaufkraft ihrer deutschen Rente zu profitieren. Und dann dieser Brief aus Neubrandenburg. Fast 7000 Euro Steuern sollten sie nachzahlen, hieß es da.

Jahrelang konnten im Ausland lebende Senioren ungestört vom Finanzamt ihre Rente genießen. Doch seit Mitte vergangenen Jahres schreibt das Finanzamt Neubrandenburg sie nach und nach alle an und fordert von ihnen eine Steuererklärung. Das Finanzamt in der Mecklenburgischen Stadt hat die zentrale Zuständigkeit für die Auslandsrentner.

Etwa 1,5 Millionen deutsche Senioren leben im Ausland, rund 500.000 davon sind in Deutschland steuerpflichtig. Von ihnen wiederum hat bislang jeder vierte Post aus Neubrandenburg bekommen. Nur mit wenigen Ländern hat Deutschland verabredet, dass Renten vor Ort versteuert werden, darunter etwa Spanien und die Schweiz.

Die Hamburger Steuerberaterin Bettina Ohlwein kennt solche Fälle gut. Ohlweins Fachgebiet ist das internationale Steuerrecht, eigentlich kümmert sie sich um die Steuerangelegenheiten von Unternehmen. Doch seit einigen Monaten ist eine ganz neue Kundengruppe hinzugekommen: Rentner, die im Ausland leben und nun hilflos vor den Forderungen aus Deutschland stehen.

Die Anfragen in diese Richtung werden immer mehr", sagt Ohlwein. "Für die meisten kommt die Sache völlig überraschend." Immerhin dachten viele Senioren, mit ihrem Heimatland würden sie auch die deutschen Behörden hinter sich lassen. Ihre Unwissenheit kann kostspielig werden. Denn für Auslandsrentner gelten besondere Regeln, die zu höheren Steuerforderungen führen können.

Zunächst einmal geht es den Ausgewanderten nicht viel anders, als den Daheimgebliebenen. Im vergangenen Jahr starteten die Finanzämter eine systematische Überprüfung aller Rentner.

Teure Falle

Jahrelang war das kein Thema, doch seit 2005 die Rentenbesteuerung neu geregelt wurde, werden mit jedem Jahr mehr Rentner ein Fall fürs Finanzamt. Mussten ursprünglich nur 27 Prozent der Renteneinkünfte versteuert werden, sind es heute schon 64 Prozent. Vom Jahr 2040 an muss die volle Summe angegeben werden. Inzwischen wissen die Behörden genau, wie viel Rente die Deutschen beziehen. In den vergangenen Jahren wurden die Daten gesammelt, jetzt geht es ans Eintreiben - möglich ist das rückwirkend bis 2005.

Und genau da macht es einen großen Unterschied, wo ein Rentner lebt. "Wer im Ausland wohnt, ist in Deutschland nur noch beschränkt steuerpflichtig", erklärt Uwe Rauhöft, Geschäftsführer beim Neuen Verband der Lohnsteuerhilfevereine. Was sich zunächst einmal günstig anhört, kann zu einer teuren Falle werden.

Denn den Auslandsrentnern steht der Grundfreibetrag von 8004 Euro nicht zu. Der steuerpflichtige Teil der Rente muss also vom ersten Euro an versteuert werden. "Das führt dazu, dass selbst bei geringen Renten schon erhebliche Steuern anfallen", sagt Rauhöft.

Die Idylle muss nicht vorbei sein

Viele wüssten von dieser Besonderheit nichts und würden sich nun Steuerforderungen gegenübersehen. Unnötigen Forderungen, wie Rauhöft sagt. Denn es gibt einen einfachen Ausweg: Die Auslandsrentner können einen Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht stellen. Dann werden sie vom Fiskus genauso behandelt, als würden sie in Deutschland leben.

Einzige Voraussetzung: Die Betroffenen dürfen neben ihrer deutschen Rente höchstens kleine Einkünfte haben.

Die chilenischen Auswanderer haben den begehrten Status als unbeschränkt Steuerpflichtige schon erhalten. Sie dürfen nun den Grundfreibetrag geltend machen und müssen nur noch sehr geringe Steuern zahlen. Mit dem idyllischen Rentnerdasein im Ausland muss es also nicht vorbei sein.

Nur sollte man nicht mehr glauben, dass der Arm des Fiskus nicht ins Ausland reicht. "Man kann natürlich noch hoffen", sagt Steuerberaterin Ohlwein, "aber früher oder später kommt das Finanzamt."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1302078
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.03.2012/feko
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.