Auslagerung von Gütern:Im Bau des Wissens

In einer Garchinger Logistikimmobilie werden Bücher und Filme für die Bayerische Staatsbibliothek gelagert. Und nicht zu knapp.

Von Ingrid Weidner

Am Welttag des Buchs am 23. April werden wieder viele Veranstaltungen zum Lesen animieren. Eher selten fällt der Blick auf die Infrastruktur, die zum Beispiel das Funktionieren einer großen Bibliothek ermöglicht. In Spezialimmobilien werden Bücher gelagert, eine davon ist die neue Speicherbibliothek der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) in Garching. Auf einer Gesamtfläche von etwa 9000 Quadratmetern, verteilt auf vier Etagen, finden dort mehr als fünf Millionen Bücher Platz.

Auslagerung von Gütern: Etwa 20 Grad Celsius, dicke Wände, 45 Prozent Luftfeuchtigkeit: In der Speicherbibliothek in Garching herrscht ein gutes Klima für die Aufbewahrung von Büchern.

Etwa 20 Grad Celsius, dicke Wände, 45 Prozent Luftfeuchtigkeit: In der Speicherbibliothek in Garching herrscht ein gutes Klima für die Aufbewahrung von Büchern.

(Foto: Foto: Bayer. Staatsbibliothek)

Montags warten besonders viele der weißen, DIN A5 großen Bestellscheine in den Druckern der einzelnen Lagerräume. 2008, im Jubiläumsjahr der Bayerischen Staatsbibliothek, hatten etwa 54.000 Leser einen Benutzerausweis; sie orderten über das elektronische Online-Bestellsystem (Online Public Access Catalogue, kurz: OPAC) innerhalb eines Jahrs mehr als 1,7 Millionen Bücher. Weitere 239.000 Bände gingen in die Fernleihe.

Tägliche Pendelfahrten

Anders als in einer Stadtbücherei mit einem hohen Präsenzbestand, muss in der Bayerischen Staatsbibliothek, von Nachschlagewerken im Lesesaal und Fachzeitschriften abgesehen, so gut wie jedes gewünschte Buch aus einem der Magazine geholt werden. Zweimal am Tag pendelt deshalb ein Kleinlaster zwischen den Magazingebäuden in Garching sowie einem weiteren Lagerraum im Euroindustriepark im Münchner Norden. Häufig nachgefragte und besonders wertvolle Bände und Handschriften lagern im Hauptgebäudes der BSB an der Münchner Ludwigstraße.

Auf dem Forschungsgelände der TU München in Garching wurde für die erste Speicherbibliothek 1986 der Grundstein gelegt. Das 1990 fertig gestellte Gebäude fasste 2,1 Millionen Bände. Da der Bestand der Bibliothek jedoch jährlich um etwa 140.000 bis 150.000 Exemplare wächst, war bereits damals klar, dass Erweiterungsbauten folgen mussten. In früheren Plänen war auch ein Lesesaal am Standort Garching vorgesehen; doch diese Ideen sind längst vom Tisch.

Mit der Fertigstellung der neuen Speicherbibliothek im November 2005 konnte die Kapazität auf mehr als fünf Millionen Bücher erweitert werden - was mittelfristig jedoch nicht ausreichen wird. "Wir haben im Neubau in Garching nur noch bis etwa 2013 Platz für weitere Bücher", sagt Wilhelm Hilpert, Leiter der Benutzungsdienste der BSB. Spätestens dann müsse man überlegen, ob ein weiteres Gebäude errichtet werden soll.

Wenn Bücher sich wohlfühlen

Eine acht Meter breite Mittelachse verbindet die alte und die neue Speicherbibliothek; gleichzeitig dient sie als Foyer sowie Verladeplatz für die Büchertransporte. Planung und Projektleitung verantwortete die Technische Universität München, das Architekturbüro Dömges und Partner hatte die Bauleitung. Die Spezialimmobilie wurde ganz auf die besonderen Anforderungen der BSB hin ausgerichtet; der Spatenstich für den Erweiterungsbau erfolgte im Mai 2004, im November 2005 zogen die ersten Bücher ein. Die Baukosten inklusive der Regale beliefen sich auf etwa 25 Millionen Euro.

Auslagerung von Gütern: In der Spezialimmobilie lagern mehr als fünf Millionen Bände. Pro Jahr kommen etwa 150.000 hinzu.

In der Spezialimmobilie lagern mehr als fünf Millionen Bände. Pro Jahr kommen etwa 150.000 hinzu.

(Foto: Foto: Bayer. Staatsbibliothek)

Eine Bibliothek muss einer ganzen Reihe von Spezialanforderungen genügen. Die Decken müssen zum Beispiel große Lasten tragen können. In der Speicherbibliothek wurden daher 34 Zentimeter dicke Stahlbetondecken eingezogen. Besonders wichtig für die optimale und langfristige Lagerung von wertvollen Büchern sowie Handschriften sind die klimatischen Verhältnisse. Die Durchschnittstemperatur in den Innenräumen beträgt 20 Grad Celsius. Die 50 Zentimeter dicken Außenmauern in Ziegelbauweise sowie Isolierungen sorgen dafür, dass die Innentemperatur relativ konstant bleibt. Vertikale Schlitzfenster verhindern, dass Sonnenlicht direkt in die Magazinräume einfällt.

Klimaanlage kaum nötig

"Zwischen 20 und 21 Grad sind für unsere Mitarbeiter angenehm zum Arbeiten und aus konservatorischen Erwägungen gut für die gelagerten Bände", erklärt Hilpert. Die Luftfeuchtigkeit beträgt durchschnittlich 45 Prozent. Beheizt werden die Räume über das Fernwärmesystem, Lüftungs- und Klimaanlage im Keller sind immer im Betrieb. "Im Sommer müssen wir die Luft entfeuchten, denn sonst würden die Bände schimmeln", sagt Maximilian Heinrich, der für die gesamte Haustechnik in den Garchinger Speicherbibliotheken verantwortlich ist.

Im Winter dagegen kann es vorkommen, dass die Raumluft zu trocken wird. Doch aufgrund der Bauweise brauche man die Klimaanlage kaum, versichert Heinrich. In speziellen Kellerräumen lagern Mikrofilme bei etwa 15 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 30 Prozent.

500.000 Einzelteile

Auslagerung von Gütern: Das Ganze liegt recht idyllisch im Grünen. An sich ideal für entspanntes Schmökern.

Das Ganze liegt recht idyllisch im Grünen. An sich ideal für entspanntes Schmökern.

(Foto: Foto: Bayer. Staatsbibliothek)

Pro Arbeitstag bewegen die Magazinmitarbeiter etwa 4000 Bände; mit einem Bücherwagen und den Ausleihscheinen ausgestattet, machen sie sich auf den Weg in die Regalfluchten. Anders als in einer Präsenzbibliothek, sind die Regale nicht fest im Boden verankert. Um den Platz effizient zu nutzen, laufen sie auf Schienen. Auf Knopfdruck öffnet sich in den dicht beisammen stehenden Reihen ein Gang. Die Firma Zambelli aus Niederbayern lieferte und installierte die Spezialregale mit Elektroantrieb. Die komplette Regalanlage besteht aus 505.413 Einzelteilen, unter ihnen 100.142 Fachböden aus Metall, mit einer leicht angerauten Oberfläche, damit die Bücher nicht verrutschen.

Gesteuerte Regale

Einsortiert wird in den Magazinen der BSB immer von unten links nach oben rechts. Lichtschranken verhindern, dass die Regale zurückfahren, während ein Magazinmitarbeiter sich in einem der Gänge befindet. "Mit diesen neuen Regalen können wir schneller arbeiten", sagt Stephan Huber, Leiter des Speichermagazins in Garching. Das System lässt sich mittels einer Software steuern.

Doch trotz modernster Technik pflegen die Magazinmitarbeiter noch bewährte Arbeitsweisen. Der Standort jedes entnommenen Buchs wird mit einem Platzhalter aus Karton, einer sogenannten Tasche, gekennzeichnet, um das spätere Zurückräumen zu beschleunigen. Eine exakte Arbeitsweise der Magazinmitarbeiter ist wichtig, denn ein falsch zurückgestelltes Buch ist mit großer Wahrscheinlichkeit in den Labyrinthen verloren. Denn bei den Millionen Büchern in der Garchinger Speicherbibliothek wäre die Suche nach diesem Band ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen.

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